Vor 250 Jahren wurde Caspar David Friedrich in Greifswald geboren – die Stadt feiert das Jubiläum rund um ihren berühmtesten Sohn mit einer Vielzahl von Ausstellungen und Veranstaltungen.
In der belebten Langen Straße in Greifswalds Altstadt machen zwei Schaufenster aufmerksam auf die wohl berühmteste Persönlichkeit der Stadt. Der rote Backsteinbau mit verzierter Fassade ist nämlich das Haus, in dem Caspar David Friedrich am 5. September 1774 geboren wurde, und das Haus, in dem er seine Kindheit und Jugend verbrachte, von hier aus in die Welt ging. Heute befindet sich in dem Anwesen, das Friedrichs Vater Adolf 1765 kaufte und das bis in die 1970er-Jahre im Besitz der Familie Friedrich und ihrer Nachfahren war, das Caspar-David-Friedrich-Zentrum. Es erinnert nicht nur im Jubiläumsjahr an den großen Maler und Sohn der Stadt.
Bildende Künstler und Mitglieder der Altstadtinitiative Greifswald hatten in der Wendezeit eine Kampagne zur Rettung des vom Verfall bedrohten Hauses gestartet. Heute ist das gesamte ehemalige Wohn- und Geschäftshaus der Familie Friedrich Museum, Dokumentations- und Forschungsstätte.
Ein Haus mit viel Charme und Seele
Im historischen Kellergewölbe kann man die alte Werkstatt der Seifensiederei des Vaters besichtigen. Originalgerätschaften aber auch Rekonstruktionen machen das alte Handwerk für Besucher lebendig. Weitere Stationen eines Rundgangs sind das Familienkabinett mit dem Familienstammbaum sowie der Rügen- und der Eldena-Raum mit Motiven aus Friedrichs Werk.
„Das Haus hat viel Charme und Seele, ich bin mit ihm schon regelrecht verwachsen“, sagt Caroline Barth, Geschäftsführerin des Caspar-David-Friedrich Zentrums. Die Kunsthistorikerin interessiert sich vor allem für die zum Teil ungewöhnliche Farbgebung der Gemälde. „Ich glaubte früher, dass die gelben Himmel, die er malte, eine Erfindung von ihm sind. Und dann bin ich Jahre später nach Greifswald zum Studium gekommen und schaue am Abend Richtung Westen. Und sehe ihn: einen ‚Friedrich Himmel‘. Und der ist tatsächlich so gelb, wie Friedrich ihn gemalt hat.“
Mal ist es ein „Bewölkter Abendhimmel“, mal eine „Zum Licht aufsteigende Frau“, dann wieder eine „Landschaft mit Regenbogen“ oder die „Dämmerung am Meer“. Mal zeigt sich der Himmel in der Morgendämmerung, winterlich oder mit zartem Rosa aufgehellt. Dann wieder feuerrot oder in Nebel gehaucht oder aber düster-grau und fast bedrohlich über stürmischer See. Kein Wunder, dass Friedrichs Werke stets metaphorisch anmuten.
Um die besondere Leuchtkraft der Himmelspartien zu erzielen, benutzte er in seiner feinen Wolkenmaltechnik die Smalte. Das ist ein mit Kobalt gefärbtes körniges Glaspulver, das ab Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert in Blaufarbenwerken hergestellt und als Pigment von vielen Malern verwendet wurde.
Friedrich entstammte einer Handwerkerfamilie und war das sechste von zehn Kindern. Die Kindheit des Malers war überschattet vom frühen Tod der Mutter und zwei seiner Geschwister, weshalb er sehr oft als der große Melancholiker dargestellt wird. „Ihm wird immer wieder ein depressives und mysteriöses Wesen zugeschrieben. Oft fokussiert man sich aber leider nur auf diesen Aspekt seiner Persönlichkeit“, so beschreibt es Caroline Barth. Doch Caspar David Friedrich war auch mal ein Junge, der in Greifswald lebte, hier zur Schule ging und auch ein ziemlicher Rüpel gewesen sein muss. „In Briefen wird von ramponierten Betten bei Herbergsübernachtungen erzählt, auf denen der Junge mit anderen Kindern herumgesprungen war. Oder davon, dass er verbotenerweise wagemutig in den Kreidefelsen herumkraxelte, obwohl das sehr gefährlich war.“ „Aus dem wird nie was“, redeten die Leute – sie konnten nicht ahnen, dass der Junge einmal zu einem berühmten Maler heranwachsen sollte.
„Er war eine sehr komplexe Persönlichkeit mit vielen Facetten“, ist Caroline Barth überzeugt. „Natürlich brauchte er als Künstler auch Momente der Einsamkeit, Momente, in denen er nur für sich war, wo er Ideen schöpfte und das alles materialisiert in seinem Schaffen aufs Papier brachte.“ Die Kunsthistorikerin will ihn nicht allein als den depressiven Künstler verstanden wissen. „So hatte er einen großen Kreis von Leuten um sich, denen er Briefe schrieb, Familie, Freunde und Bekannte. Er war verheiratet, Familienvater. Er engagierte sich politisch. Er war in Dresden im Hotspot der Dichter und Denker, Künstler und Gesellschafter, die alle zu seinem Kreis gehörten. Er war mit Freunden wandern. Er kannte Goethe. Er hielt in seinem Atelier Treffen ab, wo er über seine Bilder sprach. Er war in Korrespondenzen mit Käufern. All das macht niemand, der nur die Melancholie, das Alleinsein und die Einsamkeit sucht.“
Umfangreiches Jubiläumsprogramm
Nach den ersten Lehrjahren und der Studienzeit in Kopenhagen ließ sich Friedrich in Dresden nieder. Doch immer wieder zog es ihn in seine vorpommersche Heimat zurück. Sein inniges und dauerhaftes Verhältnis zur norddeutschen Landschaft und zu seiner Geburtsstadt Greifswald haben seine Persönlichkeit und Kunst nachhaltig geprägt. Viele Orte in der Region wie die Kreidefelsen auf Rügen, die Wiesen bei Greifswald oder die Klosterruine Eldena gehören zu seinen berühmten Motiven. Seine Kompositionen erzählen von der Einfachheit des Daseins, von Sehnsucht und Schönheit. Zeigen eine Einheit von Himmel und Erde, setzen aber auch den Menschen in Beziehung zur ihn umgebenden Natur, zur Schöpfung.
„Die Kreidefelsen, so wie er sie gemalt hat, hat es nie gegeben“, sagt Stadtführer Ingolf Wegener. „Er wollte die Landschaft nicht abbilden, sondern gestalten. Draußen in der Natur machte er sich stets nur Skizzen, erst zu Hause hat er sie schöpferisch umgesetzt. Mit dem ‚Mönch am Meer‘, dem Kreidefelsen auf Rügen mit den weißen Klippen, die spitz in die Höhe ragen, den drei Menschen, die auf die glitzernde Ostsee hinabschauen oder mit dem ‚Wanderer über dem Nebelmeer‘, hat Friedrich einige der wichtigsten Bildmotive der deutschen Malereigeschichte erschaffen.“
Das Greifswalder Jubiläumsprogramm rückt in diesem Jahr unterschiedliche Aspekte in den Fokus, zeigt, wie sich zeitgenössische Künstler mit dem Werk Friedrichs auseinandersetzen. Anfang April wird im Dom St. Nikolai eine vom isländisch-dänischen Künstler Ólafur Elíasson neu gestaltete Fenstergruppe übergeben – er hat sich von Friedrichs Werk „Huttens Grab“ inspirieren lassen. Ab Ende April zeigt das Pommersche Landesmuseum in der Schau „Lebenslinien“ erstmals die Zeichenbestände des Hauses nahezu komplett, dazu kommen namhafte „Geburtstagsgäste“ zu Besuch. Im Caspar-David-Friedrich-Zentrum geht es ab Mai um „Das verborgene Leben der Bilder“. Und am 5. September wird auf dem Marktplatz unter dem Motto „Kuchen für Caspar“ ein großes Geburtstagsfest gefeiert – mit Musik, Theater und Überraschungen.