Es sind sechs Zahlen, eingeritzt in seine Haut, die den 99-jährigen Albrecht Weinberg immer an sein Martyrium erinnern: 116927.
Albrecht hat die KZs Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt und kommt im Winter seines Lebens aus New York in das Land der Täter zurück. Das tut er wegen seiner Schwester Friedel, die 2012 einen Schlaganfall erleidet und Pflege benötigt: Er hat versprochen, sie nie allein zu lassen.
Auch Friedel ging durch die Holocaust-Hölle. Albrecht und Friedel finden ein Pflegeheim im ostfriesischen Leer. Dort ist es die Begegnung mit Krankenpflegerin Gerda, die Albrechts Leben ändert. Er will nicht länger über sein Schicksal schweigen. Er geht an Schulen und erzählt einer jungen Generation, wie die Nazis ihn gejagt und gequält haben. Nach dem Tod seiner Schwester bleibt er in Deutschland und bestreitet jetzt seinen letzten Lebensabschnitt mit Gerda gemeinsam.
Sie organisiert das „Büro Weinberg“, macht Termine an Schulen, Ausstellungen, Gedenkveranstaltungen. Die meisten Zuhörer verstehen durch Albrecht besser, was unter den Nazis geschah. Manche Deutsche wollen von Albrecht Absolution, andere behaupten, sie hätten von nichts gewusst. Das macht ihn wütend. Dass er besonders bei jungen Leuten Gehör und Interesse an seinem Schicksal findet, ist wie eine Befreiung.
Das Gymnasium in seinem Geburtsort Rhauderfehn wird nach ihm benannt; vom Land, das einst alles tat, um ihn zu vernichten, erhält er das Bundesverdienstkreuz. Auch wenn der Schmerz immer da ist. Albrecht will nicht aufhören zu reden – über den Holocaust. Gerda will, dass er Anerkennung bekommt und sich, soweit das möglich ist, mit den Deutschen versöhnen kann.
Albrecht Weinbergs Energie und Mut sind bewundernswert. Das Buch über sein Leben ist bewegend und lesenswert. Was er als Zeitzeuge in „Damit die Erinnerung nicht verblasst, wie die Nummer auf meinem Arm“ berichtet, ist wichtiger denn je. In Zeiten wie diesen, in denen Geschichtsvergessenheit und Antisemitismus wieder um sich greifen.