In ihrem Buch „Der längste Sommer ihres Lebens“ setzt sich Autorin Amelie Fried mit drei weiblichen Charakteren auseinander, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Demnächst liest sie in der Caesar’s Bar im Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg.
Für die eigenen Überzeugungen einstehen – komme was wolle. Einerseits ein schöner Gedanke, doch bis wohin? „Ich habe damals beobachtet, wie diese zum Teil sehr jungen Menschen sich zusammengefunden und auf eine starke Art für den Klimaschutz engagiert haben“, erinnert sich Amelie Fried. Doch der Autorin sind nicht nur junge Menschen, die sich im Namen des Klimaschutzes auf Straßen oder an öffentlichen Plätzen festkleben oder in den Hungerstreik treten in Erinnerung geblieben, sondern auch die Emotionen, die sie damit verbunden hat. „Irgendwann habe ich mich gefragt: Was würde ich tun, wie würde ich mich als Elternteil fühlen, wenn eines meiner Kinder daran beteiligt wäre?“, sagt sie. „Wir haben unseren Kindern natürlich in der Erziehung vermittelt, sich zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen und für die eigenen Überzeugungen zu kämpfen. Wenn diese das dann aber zu wörtlich nehmen und daraus sozusagen die Verpflichtung ableiten, sich für das große Menschheitsthema Klima zu engagieren, dann muss das im Prinzip unsere Sympathie finden. Gleichzeitig machen wir uns als Eltern aber dann auch Sorgen, dass unsere Kinder ihre eigene Zukunft oder noch mehr – ihre Gesundheit oder gar ihr Leben – aufs Spiel setzen könnten.“
„Wie würde ich mich als Elternteil fühlen?“
Ein Gedanke, den die 65-Jährige schließlich zu Papier brachte. In ihrem neuen Roman „Der längste Sommer ihres Lebens“ geht es um Claudia, eine engagierte Unternehmerin, die ihrem Traum, Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt zu werden, immer näher kommt. Der Wahlkampf läuft hervorragend – bis plötzlich ihre Tochter Anouk im Umfeld radikaler Klimaaktivisten auftaucht, im Gefängnis landet und ihrer Familie sogar eine Hausdurchsuchung beschert. Für Claudia, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, das reinste Dilemma. „Sie ist hin- und hergerissen“, so Fried. „Auch Claudia hat ungelebte Träume und kann gut verstehen, was ihre Tochter bewegt. Sie sympathisiert mit ihrem Anliegen, aber hat natürlich Angst um ihr Kind.“ Weniger Verständnis hat da die Älteste im Familienclan, Marianne. Claudias Schwiegermutter ist alles andere als begeistert, als durch Anouks Engagement auch der Ruf des von ihr mit geleiteten Familienunternehmens dadurch Schaden nimmt. „Sie ist ein bisschen die Matriarchin der Familie und des Familienunternehmens. Sie ist – zumindest zu Beginn – sehr altmodisch in ihren Vorstellungen. Sie gehört zu der Generation, die sagt: ‚Wir haben zum Wirtschaftsaufschwung beigetragen, wir sind die, die alles aufgebaut haben, was das Land heute ausmacht und ihr jungen, verwöhnten Blagen wollt das jetzt alles infrage stellen‘“, erklärt Fried. Doch Anouk lässt sich nicht abbringen. „Sie ist das Produkt von vernünftigen und aufgeklärten Eltern, die eben genannte Erziehungsideale vermittelt haben und jetzt damit konfrontiert sind, dass ihre Tochter diese sehr wörtlich nimmt. Dabei hat Anouk auch diese jugendliche Rigorosität, diese Radikalität, die viele junge Menschen haben und meiner Meinung nach auch haben müssen.“ Doch mit einem Mal ist nicht nur Claudias Kandidatur und der Firmenruf in Gefahr – sondern auch Anouks Leben.
Nicht nur für Claudia beginnt eine Zerreißprobe. „Die drei Frauen sind auf ihre Art sehr auf das fixiert und fokussiert, was sie erreichen wollen. Wenn dann drei so starke Charaktere aufeinanderprallen, knallt es auch schon mal“, so Fried. „Claudia liebt ihre Tochter sehr, aber mit ihrer Eigenständigkeit hat sie durchaus zu kämpfen. Es ist schwierig, wenn ein junger Mensch so radikal entscheidet, seinen eigenen Weg zu gehen.“ Ein Konflikt, den Amelie Fried auch aus persönlicher Erfahrung als Mutter kennt: „Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen beiden Kindern. Ich kenne aber auch die Kämpfe, die da stattfinden und diese Ablösungsprozesse. Sowohl der Kinder von den Eltern, als auch die Notwendigkeit der Eltern, die Kinder irgendwann ziehen zu lassen. Das sind Prozesse, die von beiden Seiten aus passieren.“ Für die ambitionierte Schriftstellerin ist Familie besonders wichtig: „Wenn ich mich wirklich zwischen Familie und Beruf hätte entscheiden müssen – und es gab Situationen, in denen ich mich entscheiden musste – habe ich mich im Zweifel immer für die Familie entschieden“, erzählt sie. Glücklicherweise, sagt sie, hatte sie alles in allem meistens die Chance, alles unter einen Hut zu bekommen. „Wie alle Frauen meiner Generation, die Beruf und Familie vereinbaren wollten, habe auch ich diesen Spagat gemacht, der manchmal wahnsinnig anstrengend war. Ich denke, dass sich das auch auf die Generation unserer Töchter ausgewirkt hat. Dass diese heute eben ein ganz anderes Bewusstsein dafür haben und auch sehr viel selbstbewusster auftreten, um diese Interessen durchzusetzen. Ich denke da beispielsweise an die Debatten um die Generation Z (Menschen, geboren zwischen 1995 und 2010, Anm. d. Red.). Sie sehen da gewisse Dinge anders, und das finde ich auch gut so.“
Frauen als Protagonistinnen
Amelie Fried macht oft Frauen zu Protagonistinnen ihrer Geschichte: Egal, ob alleinerziehende Mütter, Frauen in „Männerberufen“, sexuelle Belästigung in männlich dominierten Branchen oder der Kampf gegen den gesellschaftlichen Selbstoptimierungswahn. „Da habe ich mich gar nicht mal so bewusst dafür entschieden“, erzählt Fried. „Mich interessieren die Frauen am meisten, die eine Entwicklung durchmachen und gegen Widerstände kämpfen. Das sind Frauen, mit denen ich mich identifizieren kann. Über sie schreibe ich gerne, weil ich sie spannend finde und ich glaube, dass ihre Geschichten auch für ein breites Lesepublikum spannend sind. Ich habe keine Lust, über langweilige Frauen zu schreiben, das würde ich auch nicht lesen wollen.“ Dabei durchleben ihre Hauptfiguren auch immer eine Charakterentwicklung: „Es ist immer spannend, wenn jemand an einem gewissen Punkt startet und für die Erreichung seines Ziels Hürden überwinden muss und am Ende an diesen wächst. Das klassische Konstrukt der Heldenreise – oder in dem Fall der Heldinnenreise – das wir auch aus vielen anderen Büchern und Filmen kennen“, beschreibt sie. Auch sie selbst steht für ihre Überzeugungen ein, sagt sie: „Ich bin auch selbst jemand, der lange um eine Sache kämpft, wenn sie mir wichtig ist“, betont aber auch: „Ich habe aber auch mit den Jahren gelernt, dass Dinge, die zu viel Anstrengung erfordern, am Ende auch oft nicht die richtigen für einen sind. Dann kann ich das auch loslassen.“
Nicht loslassen konnte sie ihren Wunsch, Schriftstellerin zu werden: „Ich war schon immer eine sehr begeisterte Leserin“, erinnert sie sich. Ihr Vater war Büchersammler. „Ich bin zwischen ungefähr 50.000 Büchern groß geworden. Da lag es dann nahe, mal zu schauen, was da so drin stand. Seit ich Lesen gelernt habe, habe ich quasi permanent gelesen.“ Im Alter von elf Jahren gab es dann das „Schlüsselereignis“: „Wenn ich jetzt hier vor meinem Bücherregal stehe, kann ich es sogar sehen: Mein Lieblingskinderbuch ‚Harriet – Spionage aller Art‘. Da geht es um ein Mädchen – Harriet –, die ein Tagebuch über alles führt, was sie so beobachtet. Dieses Buch fällt irgendwann ihren Mitschülern in die Hände und das macht sie nicht sehr beliebt, weil ihre Beobachtungen durchaus kritisch und zutreffend sind. Dieses Mädchen jedenfalls hat den Wunsch, Schriftstellerin zu werden – und sie hat auch in mir diesen Wunsch geweckt. Ich wollte den Menschen die Wahrheit schreiben – auch wenn ich mich damit nicht beliebt mache“, schmunzelt sie. Beginnen sollte ihre Karriere aber ganz anders und sie am Ende erst über mehrere Umwege zum Verfassen eigener Bücher führen: „Ich hatte ja eigentlich schon meine Fernsehkarriere begonnen.“ 1984 begann Fried, Sendungen im Fernsehen zu moderieren. Zunächst im Jugendfernsehen des „Bayerischen Rundfunks“, später dann beim „ZDF“ und „Radio Bremen“. Ihr erstes Buch schrieb sie 1995, es folgten mehrere Bestseller und vier Filmadaptionen. Doch nicht nur in der Erwachsenenliteratur machte sich Fried einen Namen. Das Kinderbuch „Hat Opa einen Anzug an?“, das aus der Sicht des kleinen Brunos die Themen Tod und Trauer verarbeitet, wurde 1998 mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
Vom Fernsehen zur Schriftstellerei
Die Themen für neue Werke gehen ihr jedenfalls nie aus. „Bisher habe ich immer Themen gefunden, die ich spannend fand und die sich gelohnt haben, in eine Geschichte zu bringen“, so die geborene Ulmerin. „Ich denke gerade schon über mein nächstes Buch nach.“ Etwas darüber erzählen will sie aber noch nicht: „Dafür ist das alles noch nicht ausgereift genug.“ Aber wie reifen diese Ideen schließlich zu spannenden Werken? „Wenn ich am Beginn einer Geschichte stehe, dann brauche ich sehr viel Zeit für mich. Da ziehe ich mich auch mal mehrere Wochen an einen stillen Ort zurück und versuche, in die Geschichte reinzukommen“, erklärt sie. „Wenn ich dann in der Geschichte ‚wohne‘, kann ich sie auch in meinen Alltag mitnehmen, mal andere Dinge tun, ohne da rauszukommen.“ Zudem sei auch ihr Mann eine große Hilfe in ihrer täglichen Arbeit: „Ich spreche viel mit meinem Mann über meine Ideen. Sein Feedback ist sehr hilfreich.“ Kein Wunder, ist Peter Probst selbst Drehbuchautor. Seit fünf Jahren bietet das Schreiber-Duo seine Hilfe auch für interessierte Schreibneulinge an: „Wir haben angefangen, Workshops für kreatives Schreiben zu geben. Das macht einerseits unglaublich viel Spaß und führt andererseits auch dazu, dass man die eigene Arbeit noch mal ganz anders betrachtet. Auch mein eigenes Schreiben profitiert durch diese Workshops, weil wir ebenso von unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern lernen, wie sie von uns.“ In diesem Jahr wird es voraussichtlich fünf dieser Workshops geben. Doch wer hier an einen sterilen Seminarraum denkt, irrt gewaltig: „Ende des Jahres sind wir zum Beispiel fünf Tage in einer wunderschönen Finca auf Mallorca. Da waren wir letztes Jahr auch schon“, so Fried.