Ohne menschliche Eingriffe würde der Wald in Deutschland und Mitteleuropa heute wohl noch immer von Laubbäumen dominiert werden. Allerdings grenzt es schon an ein Wunder, dass der Wald die teils exzessive Nutzung in seiner jüngsten Historie überhaupt so gut überstanden hat.
Die ältesten Vorfahren unserer heutigen Bäume und Wälder stammen aus der Zeit vor rund 385 Millionen Jahren. Längst ausgestorbene, den heutigen Baumfarnen ähnelnde Gewächse aus den Pflanzengruppen der Cladoxylopsida und der Pseudosporochnales mit langem, aufrechtem Stamm sowie einer breitgefächerten Krone werden bereits als baumförmig angesehen. Vor rund 300 Millionen Jahren kam es zur Bildung der ersten Nadelbäume, die 200 Millionen Jahre lang das Landschaftsbild der bewaldeten Flächen der Erde prägten, bevor sie vor rund 100 Millionen Jahren durch die Laubbäume ins Hintertreffen gerieten.
Im Laufe des Tertiärs vor 66 bis vor 2,6 Millionen Jahren als Teil des jüngsten Erdzeitalters namens Känozoikum war es nicht nur zur Bildung der Braunkohle gekommen, sondern auch die Temperaturen begannen zu sinken. Zunächst konnte dies dem im Vergleich zu heutigen Verhältnissen deutlich größeren Artenreichtum der mitteleuropäischen Wälder noch nichts anhaben. Dann aber kam das Quartär mit seiner Eiszeit.
Als Folge mehrerer Kaltphasen starben sämtliche Bäume nördlich der Alpen ab, die Landschaft verwandelte sich in ein waldfreies Grasland, das mal mehr nach Tundra, mal mehr nach Steppe aussah. Kleine Überbleibsel des früheren Baumbestands konnten sich in sogenannten Eiszeitrefugien vor allem südlich der Alpen im Umfeld des Mittelmeers behaupten. Manche Baumarten wie die Buche oder die Eibe konnten sich dort relativ gut an die veränderten Umweltbedingungen anpassen, andere Arten wie Tulpen- oder Mammutbaum verschwanden erst einmal komplett aus Europas Flora.
Vor 8.000 Jahren Laubwaldland
Mit dem Ende der Eiszeit und dem Rückzug der Gletschermassen begann mit dem Temperaturanstieg vor rund 12.000 Jahren die Rückkehr der Bäume aus dem Süden, wobei zunächst die sogenannten Pionierbaumarten wie Birken oder Kiefern in Mitteleuropa wieder heimisch wurden. Dann kamen allmählich Eichen und Haselsträucher hinzu. Deren Nüsse wurden offenbar von den Menschen der Mittel- und Jungsteinzeit sehr geschätzt, als sich der Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu Hirten- und Bauernkulturen vollzogen hatte.
In der Jungsteinzeit, die in Mitteleuropa ab etwa 5800 v. Chr. begann, wurde der Wald von einem Mix aus Eiche, Esche, Linde und Ulme geprägt. Mitteleuropa wurde zum Laubwaldland, nur in einigen gebirgigen Zonen breiteten sich Nadelbäume wie Tanne oder Fichte aus. Auf Freiflächen, die Menschen nach Aufgabe kurzzeitiger Siedlungen hinterlassen hatten, konnten sich neue Baumarten wie besonders die Buche oder auch die Hainbuche ansiedeln. Um Christi Geburt herum soll die Rotbuche den westlichen mitteleuropäischen Wald komplett dominiert haben. Dies galt vor allem für die Gebiete nördlich des Limes-Schutzwalls, während in den Territorien unter römischer Ägide wegen der schon verbreiteten dauerhaften Bewirtschaftung der Wälder die nicht so einfach nachwachsende Buche, die laut der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald „ohne menschlichen Eingriff die am weitesten verbreitete Baumart“ in Mitteleuropa bis heute geblieben wäre, hinter Eichen und Hainbuchen zurücktrat.
Laut dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus lebten die Germanen im Wald, der damals einen Großteil der von diesen Volksstämmen bewohnten Regionen bedeckt habe. „Wie groß der Anteil von Waldfläche in der Zeit um Christi Geburt war, lässt sich kaum sagen“, erklärte dazu der jüngst verstorbene Biologe und hiesige Waldhistorien-Experte Prof. Hansjörg Küster. Von daher sind Schätzungen etwas mit Vorsicht zu genießen. Laut dem im Auftrag des Auswärtigen Amtes erstellten Portal deutschland.de „waren die nicht-römischen Teile Germaniens zu 70 bis 90 Prozent bewaldet“. Laut Prof. Küster war der damalige germanische Wald in manchen Parzellen ziemlich licht. Was es den Germanen ermöglicht habe, Ackerbau und Weiden des Viehs in ihren wechselnden Siedlungen zu betreiben, ohne dafür große Rodungen in Angriff nehmen zu müssen. Eine strikte Grenze zwischen Wald und Offenland hatte es auch in den römisch besiedelten Flächen damals nicht gegeben. Daran änderte sich laut Prof. Küster auch im Mittelalter wenig, „offenere und von Bäumen bestandene Bereiche gingen allmählich, ohne klaren Waldrand, ineinander über“.
Mit den im 8. Jahrhundert einsetzenden und bis ins 12. Jahrhundert andauernden Rodungen begannen die erheblichen Eingriffe in die mitteleuropäische Waldstruktur und das Landschaftsbild. Nicht ohne Grund wird seit dem frühen Mittelalter vom „hölzernen Zeitalter“ gesprochen. Der Wald mit seinem Holzvorrat stellte außer dem Wasser die einzige Energiequelle des Mittelalters dar. Holz wurde zunächst vornehmlich zum Heizen, für die Errichtung von Häusern und in unterschiedlicher Weise als Werkstoff benutzt. Ab dem 13. Jahrhundert verlor der Wald nach und nach seinen Status als Allgemeineigentum, weil sich neben den Königen auch die Fürsten und die Kirche immer größere Teile davon einverleibten und daher Reglementierungen für die Waldnutzung aufstellten. Schätzungen zufolge war der Waldbestand auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands im 13. Jahrhundert auf rund 30 Prozent gesunken, was ziemlich genau dem aktuellen Wert entsprechen würde. Die Pest verschaffte dem mitteleuropäischen Wald durch den drastischen Bevölkerungsrückgang eine Atempause.
Massive Abholzung im 18. Jahrhundert
Danach allerdings blühten die Städte und Gemeinden wieder auf. Der wachsende Bedarf an Holz, beispielsweise für Bergbau, Glashütten oder Salinen, wurde besonders auch mithilfe der Flößerei gedeckt, die ab dem 13. Jahrhundert bis zum Aufkommen der Eisenbahn im 19. Jahrhundert ein florierendes Gewerbe war. Ähnlich wie die Köhlerei, mit der seit dem Mittelalter Holzkohle in Meilern hergestellt wurde. Die landwirtschaftliche Nutzung der Wälder konnte auch im hölzernen, sprich vorindustriellen Zeitalter eine häufig weit unterschätzte Bedeutung behaupten. Den Auftakt für die Kommerzialisierung des Waldes und des Holzes bildeten die großen Schiffsbau- und Flottenrüstungsprogramme: Venedig (13. bis 16. Jahrhundert), Niederlande (16. Jahrhundert) und England (16. und 17. Jahrhundert). Im 17. und 18. Jahrhundert kamen im Rahmen einer zunehmend kapitalistisch orientierten Waldwirtschaft Holzhändler und Handelsgesellschaften hinzu, sodass in weiten Teilen Europas seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert selbst das Brennholz oft nur noch gegen Bezahlung erhältlich war. Seit dem 18. Jahrhundert wurden die Wälder zunehmend vermessen, kartiert und dabei der Baumbestand statistisch erhoben. Dabei dürfte sich gezeigt haben, dass dringend etwas gegen den fortschreitenden Waldschwund unternommen werden musste. Der erzgebirgische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz hatte 1713 erstmals das forstliche Nachhaltigkeitsprinzip geprägt – natürlich nicht wegen ökologischen, sondern allein aufgrund von ökonomischen Überlegungen.
Schon Mitte des 18. Jahrhunderts kam es in deutschen Landen zur Gründung der Forstwirtschaft mit ersten Lehranstalten und Hochschulen. Es war höchste Zeit, endlich dem Prinzip zu folgen, aus den heimischen Wäldern nur noch so viel Holz zu entnehmen, wie wieder nachwachsen konnte. „Nie gab es weniger Wald in Deutschland als zwischen 1750 und 1850“, schreibt das Portal deutschland.de.
Es wurde eine grundlegende Umwandlung des Waldes in Angriff genommen, wobei man zur schnellen Wiederaufforstung vor allem auf das Anpflanzen von Nadelhölzern wie Fichten und Kiefern setzte. Nadelhölzer sind relativ anspruchslos und wenig von Wildtierbiss betroffen und bringen somit im Schnitt deutlich schneller Nutzholz-Erträge als Laubbäume. Genau dies ist ursächlich für das heutige Problem der Nadelholz-Monokultur in vielen Wäldern. Zum Gegensteuern hat sich die moderne Forstwirtschaft den Aufbau von Mischbaumbeständen zum Ziel gesetzt, um dadurch den Anteil der Laubbäume wieder deutlich zu steigern.
Klimawandel als Herausforderung
Die Landwirtschaft war schon im ausgehenden 18. Jahrhundert von der Forstverwaltung aus dem Wald verbannt worden. Ab der gleichen Zeit lag die Kontrolle über den Wald bei der spezialisierten Berufsgruppe der Förster. Zu deren Aufgaben gehörte die systematische Durchplanung des Waldes, der nun auch optisch scharf von den Feldern abgegrenzt wurde. Dadurch bildete sich eine neue Kulturlandschaft aus. Eine deutsche Besonderheit lag in der Bevorzugung der sogenannten Hochwaldwirtschaft, die vor allem große Mengen an wertvollem Bau- und Nutzholz zu liefern versprach. Mit der Industrialisierung konnte die Holzkohle durch Steinkohle ersetzt werden, auch als Baumaterial gab es für das Holz mit Beton, Stahl, Glas und Kunststoff verschiedene Alternativen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es vor allem wegen Reparationsforderungen der Siegermächte zu regelrechten Kahlschlägen im deutschen Wald. Den sogenannten Kulturfrauen, die diese Schäden später mit Aufforstungen behoben, wurde in der Bundesrepublik auf der damaligen 50-Pfennig-Münze ein Denkmal gesetzt. Da die deutsche Bevölkerung seit der Romantik mit ihrem Wald ein ganz besonderes Verhältnis pflegt, wurden Waldsterben und saurer Regen hier ganz besonders thematisiert. Die Sorgen wegen der Emissionsbelastungen wurden inzwischen durch andere Probleme für den Wald abgelöst. Dazu zählen zu hohe Temperaturen und fehlende Niederschläge aufgrund des Klimawandels, Stürme, Waldbrände oder auch der Borkenkäfer.