Laut der deutschen Waldstrategie 2050 soll Holz künftig eine wichtigere Rolle spielen – vor allem auf dem Bau, denn dort konkurriert Holz mit dem CO2-intensiven Beton. Doch auch im Holzbau herrscht Flaute, wie überall in diesem Sektor.
Die Stimmung in der Baubranche war noch nie so schlecht wie heute. Zumindest sagt dies der aktuelle Ifo-Geschäftsklimaindex. Der Indikator für den Wohnungsbau des Münchener Instituts fiel im Februar auf neue Rekord-Tiefstände. „Der Wohnungsbau sieht derzeit nirgendwo einen Hoffnungsschimmer“, sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. Viele Unternehmen klagten sowohl über fehlende Neuaufträge als auch über Stornierungen bereits geplanter Projekte.
Dasselbe gilt für das Bauen mit Holz. Wie die gesamte Baubranche haben es derzeit auch die Anbieter von Holz-Fertighäusern schwer – obwohl Bauen mit Holz nach Entscheidungen der Bundesregierung deutlich ausgebaut werden soll. Die Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser in Holz-Fertigbauweise seien 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 38,1 Prozent eingebrochen, teilte der Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF) mit. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 40,4 Prozent weniger Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser als 2022. Der Gesamtmarkt für neue Eigenheime habe sich innerhalb von zwei Jahren ungefähr halbiert.
„Vor diesem Hintergrund und angesichts der großen Nachfrage nach Wohnraum gerade auch in den Ballungsgebieten brauchen wir mehr finanzielle Anreize für das Bauen mit Holz“, sagt Alexander Knebel, Sprecher des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie (HDH). Darin organisiert sind unter anderem Sägewerke, die Möbelindustrie, Holzinnenausbau und der Holzfertigbau. Seit Längerem beobachtet der Verband eine Zunahme der sogenannten Holzbauquote. Dabei handelt es sich um den Anteil der Neubauten in Deutschland, die überwiegend mit Holz gefertigt werden. Diese lag 2022 bei circa 21 Prozent, wobei der Löwenanteil der Holz-Neubauten in Süddeutschland liegt. Aber: „Der Zubau geht zu langsam, um die Klimaschutzziele in Deutschland zu erreichen“, so Knebel. Der Gebäudesektor verursacht 40 Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit. Ein Haus mit Holz zu bauen spart laut Knebel bis zu 50 Prozent der Emissionen ein.
Zahl der Häuser aus Holz steigt langsam
Die Menge des Holzes, die dafür nötig sei, ist nach Ansicht des HDH schon in Deutschland vorhanden. „Wir exportierten 2021 alleine an Nadelhölzern 19 Millionen Kubikmeter ins Ausland“, rechnet Knebel vor. Doch nach einer Studie der Ruhr Universität Bochum aus dem Jahr 2017 könnte alleine mithilfe deutschen Holzes die Holzbauquote bei Ein- und Zweifamilienhäusern verdoppelt, die derzeit viel kleinere Quote an Mehrfamilienhäusern verdreifacht werden: Dies würde circa vier Millionen Kubikmeter Holz benötigen.
Deutschland gehört zu den größten europäischen Playern auf dem Holzmarkt, nach Schweden. Jährlich werden hier im Durchschnitt 73 Millionen Kubikmeter Rundholz erwirtschaftet. Der deutsche Wald ist zwar in Gefahr: wegen rasch aufeinanderfolgender Trockenperioden, dem Borkenkäfer. Doch ist dadurch auch der Holzeinschlag vor allem auf Schadflächen in den vergangenen Jahren gestiegen. Derzeit nagt der Klimawandel am deutschen Nadelholzbestand, dessen Hölzer gern für den Bau verwendet werden. Gleichzeitig soll der deutsche Wald, geht es nach vielen Forstwissenschaftlern, klimaresilienter werden: durch „Waldumbau“, also einen gemischten Wald aus Nadel- und Laubholz. Auch der HDH spricht sich für den Waldumbau aus. Weißtanne, Kiefer und Douglasie könnten demnach interessante Arten zum Beispiel für den Bausektor sein. Doch auch hierbei scheiden sich die Geister: Die Douglasie, ursprünglich eingeführt aus Nordamerika, gehört laut Bundesamt für Naturschutz zu den invasiven Arten. Dabei war sie bis zur letzten Eiszeit auch in Europa heimisch, starb jedoch danach aus. Nach Gesprächen mit der Forstwissenschaft einigte man sich darauf, dass diese Nadelholzart den heimischen Baumbestand kaum gefährdet, einige Pflanzregeln jedoch bestehen weiter, Fragen zu Biodiversität blieben bislang ungeklärt.
Klimawandel führt zu Innovationen
Abgesehen davon gibt es bereits innovative neue Laubhölzer, die im Hausbau eine größere Rolle spielen. So kommt die sogenannte Baubuche, ein Furnierschichtholz, derzeit beim Bau des größten deutschen Holzhochhauses „Roots“ in Hamburg zum Einsatz. Garbe Immobilien und die Deutsche Wildtierstiftung realisieren hier ein Mehrfamilienhaus mit 20 Stockwerken, 16 davon aus Holz. Darin sollen 128 Eigentumswohnungen und 53 öffentlich geförderte Wohnungen entstehen, Richtfest war im August 2023. Die Wandelemente wurden in Holzrahmenbauweise vorgefertigt. Nach Angaben des Ingenieurbüros werden für den Bau auch 5.500 Kubikmeter Nadelhölzer verarbeitet.
Holz verstärkt beim Bauen zu verwenden, kann helfen, die globale Erwärmung aufzuhalten. Dieser Ansicht ist Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung. Er leitet derzeit einen Thinktank zum klimagerechten Bauen. Das „Bauhaus Earth“ veröffentlichte eine Studie mit dem Titel „Bauen für die Zukunft“, wonach verstärktes Bauen mit Holz 100 Gigatonnen CO2 bis ins Jahr 2100 sparen könnte – etwa ein Drittel des Budgets, das den Menschen noch bleibt, um unter dem kritischen 1,5-Grad-Ziel der globalen Erwärmung zu bleiben. Dafür müssten allerdings 90 Prozent aller künftigen Häuser vorwiegend aus Holz sein. Dies bedeute, dass die EU mehr Holz produzieren müsse, es also mehr Wald geben müsse als derzeit. Laut EU-Berechnungen müsste die verfügbare Waldfläche um 21 Prozent steigen – umgerechnet ist dies eine Fläche so groß wie Finnland. Weil Holz CO2 aus der Atmosphäre speichert, das die Zementindustrie im Produktionsprozess jedoch in hohem Maße ausstößt und dabei Sand und Kies verbraucht, könnten Städte künftig durch nachwachsende Baustoffe nicht nur den CO2-Ausstoß reduzieren, sondern dazu beitragen, das Kohlendioxid aus der Atmosphäre dauerhaft zu binden.
Letztlich sollte, geht es nach dem HDH, die sogenannte „graue Energie“ entscheidend für die Förderung klimagerechten Bauens sein. Dabei handelt es sich um Energie, die zum Herstellen der Materialien für den Transport und die Bereitstellung über den Hausbau bis zur Entsorgung aufgewendet werden. Holz benötigt dabei weniger Energie als beispielsweise Beton.
Neue Geschäftsmodelle im seriellen Holzbau
Doch dies ist Zukunftsmusik. Aktuell ächzt die deutsche Holzindustrie weiter unter der wirtschaftlichen Lage, der Kaufzurückhaltung in der Möbelbranche oder auf dem Bau, hohen Energiepreisen, Fachkräftemangel. Sie benötigt weitere Anreize, so HDH-Sprecher Knebel, für faire Rahmenbedingungen. Hinzu kommt neuer bürokratische Aufwand durch die EU: In ihrer kürzlich verabschiedeten und bis Ende 2024 umzusetzenden entwaldungsfreien Lieferketten-Verordnung (EUDR) müssen Forstbetriebe – auch in der EU – ihre Arbeit und den Holzbestand künftig umfangreich dokumentieren. Eigentlich soll die Verordnung die globale Entwaldung verhindern – mit ungewollten einhergehenden bürokratischen Lasten für die Waldbesitzer in Europa. Noch aber fehlen die Vorgaben, wie dies umzusetzen ist, die Kritik aus den Forstbetrieben quer durch die Europäische Union ist groß und hat das Brüsseler Machtzentrum erreicht.
Dass sich die schwierige Lage in der Bauindustrie kurzfristig ändert, ist nicht abzusehen. Nach neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes setzte sich die Teuerung bei den meisten Baumaterialien im vergangenen Jahr fort, ungeachtet der Preisrückgänge bei Holz oder Stahl. Demnach gab es bei allen mineralischen Baustoffen erhebliche Preissteigerungen: Zement, Kalk und gebrannter Gips verteuerten sich jeweils um über 30 Prozent, Frischbeton oder Dachziegel jeweils um ein knappes Viertel. Im vergangenen Jahr waren fast alle Baumaterialien laut der Statistik nach wie vor teurer als 2021, dem Jahr vor der Energiekrise. Billiger wurden dagegen Konstruktionsvollholz und Bauholz im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr.
Die Bauindustrie forderte die Bundesregierung zum Handeln auf: „Der von der Politik vehement beschworene Turnaround setzt nicht ein“, sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Müller nannte als mögliche Ansätze eine Vereinheitlichung der Landesbauordnungen, die Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten für die Unternehmen und die Förderung industrieller Baumethoden.
Weil sich jedoch der Trend zur Zurückhaltung auch auf das Bauen mit Holz bezieht, müssen sich Unternehmen wie die Holz-Fertigbauindustrie mit neuen Geschäftsmodellen anfreunden. Sie wollen sich nun auch auf neue Geschäftsfelder wie serielles Bauen konzentrieren. Dazu gehören zum Beispiel Nachverdichtung, Umbau, Aufstockung, Sanierung oder komplette Neubauten mit seriell gefertigten Wand-, Dach- und Deckenelementen. Noch ist das Bauen mit Holz in Deutschland nicht weit verbreitet. Aus Klimaschutzgründen könnten Bauherren aber künftig verstärkt auf den nachwachsenden Baustoff ausweichen. Und eines ist klar: Auf dem Holzweg wären sie mit dieser Entscheidung, laut Wissenschaft und angesichts des fortschreitenden CO2-Ausstoßes, nicht.