Bilder der Woche ausblenden
Bilder der Woche einblenden

WAS MACHT EIGENTLICH...

Das klassische „Two Hit Wonder“: Wer an Joachim Witt denkt, denkt aber zuerst an den goldenen Reiter
Foto: picture alliance/United Archives

… Joachim Witt?

Mit dem Hit „Goldener Reiter“ wurde er 1981 zu einem der bekanntesten Vertreter der Neuen Deutschen Welle. Obwohl er danach weitere Platten veröffentlichte, konnte er nur noch einmal an den früheren Erfolg anknüpfen. Derzeit tourt der 75-Jährige durch Deutschland.

Mit diesem Song über einen Schizophrenen stürmte er Anfang der 80er-Jahre die Charts und konnte so seinen Burn-out überwinden. „Der Song war für mich wie ein Befreiungsschlag“, erzählt Joachim Witt über seinen Hit „Goldener Reiter“. Danach folgte jedoch eine Saure-Gurken-Zeit, unter der er als Künstler sehr gelitten hat, verriet Witt kürzlich dem NDR anlässlich seines 75. Geburtstages. „Es hat mich schwer verletzt, dass man mich nur als einen der vielen Protagonisten einer populären Strömung betrachtet und dann weggeworfen hat“, ergänzte er gegenüber der „Berliner Morgenpost“. Selbst für seine guten Songs habe sich damals keiner mehr interessiert, sodass er hilflos zusehen musste, wie „der Abriss“ seiner Karriere erfolgte. Deshalb habe er sich damals mit seiner Familie einige Jahre lang an die portugiesische Algarve zurückgezogen, wo er eine der „schönsten und glücklichsten Zeiten“ seines Lebens verbringen konnte.

Sonderedition zum Geburtstag

Derzeit tourt der 75-Jährige durch Deutschland
Derzeit tourt der 75-Jährige durch Deutschland - Foto: IMAGO/Eventpress

Erst 1998 konnte er zusammen mit Peter Heppner von der Band Wolfsheim mit der Synthie-Rock-Produktion „Die Flut“ wieder an frühere Erfolge anknüpfen. Witts Musik zeigte zu dieser Zeit bis etwa 2007 eine Hinwendung zur von Rammstein dominierten „Neuen Deutschen Härte“. Seine politisch inspirierten Alben wie die „Bayreuth“-Trilogie oder „Eisenherz“ waren zwar wieder recht erfolgreich, Versuche mit tanzbareren Songs aber scheiterten. Nach ein paar weiteren Platten war ab 2007 von Witt etwa fünf Jahre lang so gut wie nichts mehr zu hören. Es folgten eine Handvoll weiterer Alben, die er meist selbst produziert und über Crowdfounding finanziert hatte. Außerdem arbeitete Witt mehrfach mit anderen Interpreten zusammen und war 2018 bei einer Cover-Version von Falcos „Jeanny“ und 2020 an einem Reinhard-Mey-Cover beteiligt. Zwischen 2018 und 2022 veröffentlichte er seine „Rübezahl“-Album-Trilogie und 2020 sein Projekt Violet Heaven, das 2022 auf einer Tournee live vorgestellt wurde. Ende 2023 erschien Witts neuestes und 20. Album „Fels in der Brandung“, das mit stampfenden Beats und minimalistischen Melodien an seinen letzten Hit „Die Flut“ erinnerte. „Ich habe mich bisher gut gehalten und mich erfolgreich gegen die Unwägbarkeiten des Lebens wehren können“, betonte er dazu jetzt bei N-TV. Er sei inzwischen 75 Jahre alt „und der Fels ist noch nicht unterspült.“ Pünktlich zu seinem Geburtstag im Februar erschien eine um fünf Songs erweiterte Sonderedition seines neuen Albums.

Witt, heute mit wallender grauer Mähne an einen „Herr der Ringe“-Darsteller erinnernd, hat in seiner Karriere schon eine Menge mitgemacht und sich öfter mal wieder neu erfunden. Kurz vor seinem Tod hatte Star-Regisseur Rainer Werner Fassbinder ihn Anfang der 80er-Jahre sogar für eine Rolle in seinem geplanten Film „Ich bin das Glück dieser Erde“ vorgesehen. In der Saison 2005/06 kehrte Witt nochmal zur Schauspielerei zurück und stand am Berliner Maxim-Gorki-Theater auf der Bühne. 2016 war er dann Gast im „Promi Big Brother“-Haus, sang 2018 mit Lotto King Karl den HSV-Vereinssong „Aufstehen“ und mit Achim Reichel und Ulrich Tukur den deutschen Film-Klassiker „Ein Freund, ein guter Freund“. Er trat sogar mal beim Rock-Festival in Wacken und mit Marianne Rosenberg auf. „Ich bin ein konsequenter Genre-Brecher“, beschreibt Witt seine Wandlungsfähigkeit. In seinen neueren Liedern greift er seit der Jahrtausendwende vermehrt aktuelle sozial- und gesellschaftskritische Themen auf und appelliert zu einem bewussteren Umgang mit der Natur, die ihm oft mit ihrer „wunderbaren Energie“ bei der Bewältigung seiner Probleme helfe. Auch deshalb habe er 20 Jahre lang auf dem Land am Rande eines 200-Seelen-Dorfes gelebt und sein „Einsiedlerdasein“ genossen. Erst als er seine neue Frau kennengelernt hat, zog es ihn wieder ins „geselligere“ Hamburg. Der seit langem beim Netzwerk Attac politisch engagierte Witt ist laut Medienberichten seit Januar 2024 auch Mitglied der neuen Partei von Sahra Wagenknecht.

Neues Album „Fels in der Brandung“

Viel zu verdanken hat Witt seiner inzwischen verstorbenen Mutter: „Sie hat meinen großen Traum, Musiker zu werden, mitgetragen und mir bei Rückschlägen immer geraten, dranzubleiben“, sagte er vor einigen Monaten der „Berliner Morgenpost“. Heute seien seine Frau und seine Kinder sein größter Halt. Rückblickend auf seine Karriere findet Witt gerade die weniger erfolgreichen Jahre als Bereicherung: „Kämpfen zu müssen muss nicht schlecht sein. Es schärft unter Umständen den Blick fürs Wesentliche“, sagte er vor zwei Monaten bei N-TV. Umso schöner sei es dann, wieder seinen Weg gefunden zu haben.

Seit Februar ist Witt nun mit seinem neuen Album „Fels in der Brandung“ auf einer Tour durch kleinere deutsche Clubs und macht auch einen Abstecher nach Wien. Immer im musikalischen Gepäck hat Witt natürlich seine alten Hits: „Wenn ich auf Konzerte anderer Bands gehe und die nur die neuen Sachen spielen und nicht die alten Hits, finde ich das schade.“ So etwas wolle er seinen Fans nicht zumuten.

MEHR AUS DIESEM RESSORT

FORUM SERVICE