Kiffen ist seit Ostern nun freigegeben. Über 40 Jahre haben die Aktivisten dafür gekämpft. Doch die Gesetzgebung wirft mehr Fragen auf, als Antworten gegeben werden. Nicht nur die Sicherheitsbehörden, sondern selbst Gärtnereien sind überfordert.
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) stehen bei ihrer Pressekonferenz zur Freigabe von Haschisch und Marihuana die Fragezeichen buchstäblich in die Augen geschrieben. Auch die 62-Jährige kann vor der Legalisierung des Kiffens noch nicht genau sagen, wie zukünftig das Sicherheitskonzept aussehen soll, um Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BTM) durch die Polizei im öffentlichen Raum zu ahnden. Auch die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik schaut neben ihrer Chefin ratlos in die Runde, versucht das aber mit ihrer gewohnten Routine zu überspielen. Allerdings muss auch die Polizeipräsidentin mit vielen Worten unter dem Strich einräumen, dass sie bei der Umsetzung des Cannabis-Gesetzes noch keine so genaue Vorstellung hat, wie das in der Praxis rechtswirksam funktionieren soll. Ähnlich ergeht es auch ihren Amtskollegen in den anderen Bundesländern.
„Erheblicher Aufwand für Sicherheitskräfte“
Das fängt schon mit dem Konsum an. Laut Gesetz ist es verboten, in Sichtweite von Spiel- oder Sportplätzen und generell in der Nähe von Minderjährigen Cannabis zu rauchen. Wer zum Beispiel das Berliner Stadtgebiet kennt, weiß, dass diese Regelung beinahe für jede Straße in Berlin gilt. Wollte man das umsetzen, wären die Polizeibeamten der Hauptstadt den ganzen Tag damit beschäftigt, das Stadtgebiet nach Kiffern zu durchforsten. Dazu kommt, dass es sich beim Rauchen nur wenige Meter entfernt eines Kinderspielplatzes um keine Straftat, sondern lediglich um eine Ordnungswidrigkeit handelt. Also ist dafür eigentlich nicht die Polizei zuständig, sondern das Ordnungsamt, aber auch deren Personal ist überschaubar. Gleichzeitig verlangt das Cannabis-Gesetz den Schutz von Minderjährigen, und da sei dann die Polizei wieder zuständig, erklärt Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Zukünftig müsse die Praxis zeigen, inwieweit das Gesetz umgesetzt werden kann. Da wird es wohl darauf ankommen, wie in der Rechtssprechung geurteilt wird, die in Einzelfällen festlegt, wie das Gesetz zu handhaben ist.
Im Moment gilt also: Niemand weiß nichts Genaues. Slowik versichert aber, man werde das Gesetz akzeptieren und es nicht konterkarieren. „Aber es ist doch ein erheblicher Aufwand für die Polizei und die Strafverfolgung, das umzusetzen“, so Berlins oberste Polizistin.
Auf den Berliner Polizeiwachen ist man solchen juristischen Kuddel-Muddel gewöhnt und reagiert „der Lage angepasst“, wie ein lang gedienter Abschnittsleiter aus Neukölln erzählt. Seit Ostern würden die BTM-Kontrollen zwar nicht ausgesetzt, doch bei Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, also Besitz von THC-Rauchwaren, würde man zukünftig etwas „entspannter“ an die Sache herangehen. Was im Klartext wohl heißt, nicht mehr zu kontrollieren.
Ein Grund dafür ist auch die Ausrüstung. Die Polizeikräfte haben keine kleinen Taschenwaagen dabei, um zu überprüfen, wie viel Dope die Überprüften gerade mit sich führen. „Sollte da ein Kleintransporter rumstehen, wo von der Laderampe Rauchware runter verkauft wird, greifen wir selbstverständlich sofort ein“, lacht der Abschnittsleiter. Nun werden die Dealer nicht so blöd sein und direkt von der Laderampe runter verkaufen. In deren Kreisen ist man schon seit Monaten damit beschäftigt, sich mit dem deutschen Vereinsrecht anzufreunden. Zukünftig soll nämlich der Verkauf von THC-Produkten über „Cannabis-Vereine“ laufen, die kollektiv ihre Pflanzen anbauen und pflegen und die entsprechenden Produkte dann selber herstellen. Pro Verein sind 500 Mitglieder zugelassen, die dann über ihren Verein pro Monat bis zu 50 Gramm kaufen können.
Das wiederum ärgert den Vorsitzenden des Cannabis Social Club (CSC) Berlin, Torsten Dietrich. Er setzt sich seit 40 Jahren für die Legalisierung von Hanf ein. Für ihn ist der gemeinsame Anbau von Cannabis in einem Verein eine mehr als herausfordernde Aufgabe. Dabei geht es vor allem um die Organisation und Logistik. Die Ware muss ja irgendwo erstmal wachsen und dafür braucht es Anbaufläche, doch „die haben wir in der Form gar nicht, die müsste angemietet werden“. Der Vereinsvorsitzende Torsten Dietrich ist sicher, dass hohe Pacht-Kosten oder die Anmietung von Gewächshäusern zu recht hohen Abgabepreisen führen wird. „Es wird schwierig, die üblichen Preise des derzeitigen Schwarzmarktes zu halten“, so Dietrich. Im Klartext: Kiffen aus erlaubter Produktion wird zukünftig eher teurer. Damit wird illegale THC-Rauchware für die Konsumenten zukünftig weiterhin recht lukrativ sein, weil sie einfach billiger ist und die Konsumenten nicht Vereinsmitglieder sein müssen.
Der Vorsitzende des Cannabis-Vereins Dietrich spricht damit einen Punkt an, der auch bundesweit die Innenbehörden beschäftigt. Seit Ostern ist Hasch und Marihuana in geringen Mengen legalisiert. Doch woher kommt das Zeug, denn bis zum 1. April war ja selbst der Anbau verboten, trotzdem ist es seit dem 1. April im freien Verkauf erhältlich.
Eine Hanf-Pflanze braucht vom Setzling bis zur Blüte und dem berauschenden Ertrag bis mindestens August. Also müssen die seitdem verkauften Mengen aus illegalen Beständen stammen, anders geht es gar nicht. Doch wie soll das die Polizei überprüfen? Abgesehen davon, dass die Beamten keine Kleinwaagen zur Überprüfung der mitgeführten Mengen mit sich führen, sind sie auch keine ausgebildeten Botaniker, um festzustellen, woher das Gras kommt. Und wie soll dann den festgestellten Personen nachgewiesen werden, dass ihr Dope nicht aus dem heimischen Blumentopf auf dem Fensterbrett oder Balkon stammt?
Selbst Vereine und Gärtnereien überfordert
Doch es gibt in diesem Frühjahr auch echte Gewinner der Cannabis-Legalisierung. Das sind die Gärtnereien, die seit der Bundesratssitzung am 22. März, wo das Gesetz endgültig beschlossen wurde, in Anfragen nach Samen oder Setzlingen untergehen. Doch auch die Betreiber der Gärtnerei-Betriebe sind ein bisschen in der juristischen Zwickmühle. Zwar lockt ein gutes Geschäft mit Cannabis-Setzlingen, doch die könnten sie eigentlich gar nicht seit Ostern anbieten, ansonsten hätten sie beim Ansetzen der Pflanzen spätestens Mitte Januar gegen das damals geltende Gesetz verstoßen. Die Ausrede, sollte tatsächlich mal jemand nachfragen, ist relativ einfach: Die Setzlinge kommen zum Beispiel aus Holland. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies die Sicherheitsbehörden in den kommenden Wochen in die Gärtnereien nachprüfen, liegt bei nahezu null Prozent.
Es sind nun nicht Horden von notorischen Kiffern, die da plötzlich in den Gärtnereien einfallen. Viele der Kunden kommen aus medizinischen oder pflegerischen Berufen. So zählen zum Beispiel alternative Heilpraktiker oder Physiotherapeuten zu den neuen Stammkunden in den Gärtnereien, so der Chef eines Unternehmens in Berlin Zehlendorf, der selbstverständlich seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Hanf-Stecklinge könnten tatsächlich zum Verkaufsschlager in diesem Frühjahr werden“, freut sich der Gärtner. Er hat „offiziell“ noch gar keine Pflanzen dagehabt, da war auch schon alles vorbestellt und verkauft. Jetzt zieht er in seiner Gärtnerei tatsächlich eigene Hanf-Setzlinge.
Die juristische Lage ist auch hier nicht ganz klar. Derzeit gilt offenbar: Da er nur die Jungpflanzen verkauft, muss er keinen Cannabis-Verein gründen, sondern unterliegt lediglich weiterhin der Umsatzsteuer, wie bei dem anderen Grünzeug aus seiner Gärtnerei auch. Den Rest müssen zukünftig dann auch hier die Gerichte entscheiden.