Im Wald findet sich eine üppige Vielfalt an köstlichen Zutaten für die heimische Küche. Die Auswahl an essbaren Blättern, Blüten, Samen, Wurzeln und Früchten ist groß. Doch manchmal kann es zu gefährlichen Verwechslungen kommen, und es ist nicht alles so genießbar, wie es aussieht.
Mit einem Korb am Arm streift Barbara Untermarzoner durch den Wald. Dort sammelt sie Fichtenzapfen, Tannenzweige, etliche Wurzeln und diverse Kräuter. Diese Schätze aus dem Südtiroler Forst landen kurze Zeit später in der Küche des kleinen Hotels, das Barbara Untermarzoner gemeinsam mit ihrem Mann nahe der Dolomiten betreibt. Dort ist sie für das Kochen zuständig und bereitet die mitunter unkonventionellen Gaumenkitzler für ihre Gäste zu. Serviert werden dann zum Beispiel Waldbrennesselnocken an einem Pesto aus Zirben-Nüssen, Lärchen- und Fichtensprossen. Die Ingredienzien beschreibt die Waldköchin in einem Interview mit dem TV-Magazin Galileo als „spannende Aromen, die man im alltäglichen Leben nicht so gewohnt“ sei. Trotzdem könne jeder so kochen, meint sie. „Man muss sich halt die Zeit nehmen.“
Wer Muße und Passion für kulinarische Leckereien aus der grünen Wildnis hat und dabei selbst auf die Pirsch gehen möchte, den erwartet ein überaus üppiges Angebot. Bei näherer Betrachtung besteht jede verzehrbare Pflanze aus verschiedenen essbaren Teilen, meist Wurzeln, Blättern, Blüten, Samen und Früchten. Was davon im Einzelnen verzehrbar ist, kann allerdings von Pflanze zu Pflanze variieren. Zudem hängt es auch von der jeweiligen Jahreszeit ab. Bei einigen Pflanzen kann man die Blätter essen. Bei anderen Gewächsen sind wiederum nur die Blüten und Früchte verzehrbar. Daher sollte man sich im Vorfeld kundig machen.
Klare Regeln beim wilden Sammeln
Auch ist es ratsam, den Artenschutz zu respektieren. Eine ganze Reihe wild lebender Pflanzen fallen unter die Kategorie besonders geschützter Arten. Sie dürfen weder gepflückt noch abgeschnitten oder gar ausgegraben werden – und somit auch nicht gegessen werden. Darunter zählen laut Bundesartenschutzverordnung beispielsweise Eisenhut, Arnika, Blaustern und die meisten Farne. Allerdings sind dies Pflanzen, die man schon aufgrund ihrer toxischen Wirkung besser nicht verspeisen sollte.
Auch viele Pilze stehen unter Artenschutz. Allerdings gibt es hier Ausnahmen, wie man der Webseite des Naturschutzbundes Nabu entnehmen kann. So dürfen „in geringen Mengen für den eigenen Bedarf“ Pilze gesammelt werden. Darunter fallen Steinpilz, Schweinsohr und Brätling sowie alle Pfifferlingsarten, Birkenpilze, Rotkappen und Morcheln. Auch andere wildlebende Pflanzen – essbar oder nicht – dürfen in der Regel nur für den Eigenbedarf „geerntet“ werden. „Erlaubtes Maß ist ein Handstrauß, das ist so viel, wie man in einer Hand zwischen Daumen und Zeigefinger umfassen kann“, heißt es beim Nabu. „Sammle nur so viel du brauchst“, rät auch die Biologin und Bloggerin Caroline Rabung auf ihrem Weblog Naturefreex. „Damit sich die Pflanzenpopulation erholen und auch in Zukunft noch dort wachsen kann, solltest du immer einen Teil stehen lassen.“
Immer wieder tödlicher Irrtum
Die Münchener Bloggerin gibt auf ihrer Webseite noch mehr Tipps für das Sammeln von Wildpflanzen. „Sammle nur was du kennst. Wenn du dir unsicher bei einer Pflanze bist, dann lass sie lieber stehen“, schreibt sie auf ihrem Blog. Tatsächlich gibt es so manch essbare Pflanze, die man mit ihren Doppelgängern verwechseln kann. „Immer wieder gibt es tödliche Verwechslungen rund um den Bärlauch“, nennt die Waldpädagogin und Bloggerin Raffaela Rattinger vom Portal Wunderwald als Beispiel. Auch der Nabu warnt vor Verwechslungen mit Maiglöckchen oder der Herbstzeitlosen: „Diese beiden Pflanzen sind giftig und dürfen auf keinen Fall gegessen werden.“
Die Waldpädagogin weist auf Instagram darauf hin, dass der knoblauchartige Duft nicht das einzige Kriterium für die Bestimmung von Bärlauch sein sollte. „Denn“, so schreibt die Österreicherin, „schon nach dem Angreifen weniger Blätter riechen deine Hände sehr intensiv nach Knoblauch und du kannst die einzelnen Blätter nicht mehr nach Geruch unterscheiden.“ Als weitere Unterscheidungskriterien nennt sie die glänzende Blattober- und eine matte Blattunterseite von Bärlauchblättern. Außerdem hat jedes Blatt einen eigenen Stil. Und: Es „knackt“, wenn man das Blatt knickt.
Wer dann den echten Bärlauch gepflückt hat, kann ihn als hocharomatische Zutat für die grüne Küche verwenden. Seine Blätter eignen sich vorzüglich für Pesto oder Salate, seine Knospen lassen sich mit Essig als Kapern einlegen. Bärlauch zählt übrigens zu denjenigen Kräutern, die man im Frühjahr gern als Zutat für die Neunkräuter-Soße oder die regional im Rhein-Main-Gebiet beliebte Frankfurter Grüne Soße nehmen kann. Auch für die Zubereitung einer Neunkräuter-Suppe eignet sich das Ensemble etlicher Frühjahrskräuter aus dem Wald perfekt – wie etwa Vogelmiere, Brennnessel, Löwenzahn, Taubnessel, Giersch, Sauerampfer, Gänseblümchen, Gundelrebe und Scharbockskraut.
Welche der Kräuter verfügbar sind, variiert von Region zu Region. Wer das eine oder andere Wildkraut nicht findet, kann es auch mit frischen Küchenkräutern wie etwa Petersilie, Schnittlauch, Melisse oder Basilikum ersetzen. Die gehackten Kräuter kommen in eine Suppenbasis aus angedünsteten Zwiebeln, etwas Mehlschwitze, Gemüsebrühe und Sauerrahm oder Sahne. Abgeschmeckt wird das Ganze noch mit etwas Salz, Pfeffer und Muskatnuss – und fertig ist eine hocharomatische Frühlingssuppe.
Hierbei punkten die Waldkräuter als regelrechtes Superfood. Sie regen den Stoffwechsel an und helfen dem Körper bei seiner natürlichen Entgiftung im Frühling. So zum Beispiel der Löwenzahn, bei dem sowohl Blätter als auch Blüte und Wurzel essbar sind. Die in der Pflanze enthaltenen Bitterstoffe fördern die Gallentätigkeit und die Freisetzung von Verdauungsenzymen. Zudem steigern sie die Nierenfunktion und schützen die Leber.
Blätter und Blüten haben einen hohen Mineralstoffgehalt, während die Wurzeln mit viel Vitamin C, Vitamin E und Vitamine aus der B-Gruppe punkten. Löwenzahnblätter sind nicht nur eine beliebte Zutat für Soßen und Salate, sondern auch für Getränke. Ein besonders nährstoffreiches Mixgetränk ist ein Löwenzahn-Brennnessel-Smoothie. Beide Wildkräuter weisen eine scharfe Note auf. Daher ist es sinnvoll, das Mischgetränk mit weiteren, möglichst milden Zutaten auszugleichen, beispielsweise mit Bananen oder Aprikosen.
Bei Brennnesseln selbst sind nicht nur die Blätter, sondern auch die Samen und Wurzeln verzehrbar. Die Blätter schmecken ein bisschen wie Spinat und enthalten viel Protein und Mineralstoffe. Die Samen haben ein nussartiges Aroma und enthalten Linolsäure, eine essenzielle mehrfach ungesättigte Fettsäure. Für den Verzehr von rohen Brennnesselblättern rät Bloggerin Caroline Rabung, die unangenehmen Brennhaare vorher abzubrechen. Beispielsweise kann man mit einer Flasche oder einem Nudelholz die Brennhaare abrollen. Kulinarisch finden Brennnesselblätter auch Verwendung als Salat, Spinatersatz oder als Tee.
Neben den erwähnten Kräutern finden sich im Wald auch allerlei Sträucher, die je nach Jahreszeit mit essbaren Blättern und Früchten locken. Dazu zählen Himbeer-, Erdbeer- und Brombeersträucher, deren Blätter vom Frühjahr bis in den Frühsommer verzehrbar sind. Im Hochsommer können Beerenliebhaber dann die süßen Früchte genießen. Essbares bietet auch schwarzer Holunder. Verzehrbar sind seine Blätter und Triebspitzen ebenso wie seine Blüten und reifen Beeren. Die Beeren enthalten viel Magnesium und Kalium und sind wahre Vitamin-C-Bomben. Allerdings wird davon abgeraten, sie roh zu verzehren, da sie den Giftstoff Sambunigrin enthalten. Für kurze Zeit auf über 80 Grad erhitzt wird das Gift unschädlich gemacht.
Fichtenzapfen als Booster
Nach Hinweisen der Verbraucherzentrale Bayern haben die unreifen Früchte besonders viel Sambunigrin. Reife Früchte seien weniger toxisch, sollten aber auch nicht roh verzehrt werden, so die Aussage einer Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale. Beliebt sind die gekochten Beeren als Sirup oder Gelee. Die Blüten spielen vor allem in der bayerischen und österreichischen Küche eine Rolle. Dort werden die Blütendolden des Holunderstrauchs in Teig knusprig ausgebacken und als sogenannte Hollerkücherl goutiert.
Auch Bäume können eine ergiebige Quelle für die Zutaten der Waldküche sein. Die eingangs erwähnte Köchin Barbara Untermarzoner verwendet außer Zirbennüssen, Lärchen- und Fichtensprossen unter anderem auch Fichtenzapfen für ihre Hotelküche. Sie dienen als harzig-nussiger Geschmacksbooster in der Pfanne und verfeinern dort das Aroma des gebratenen Saiblings. Die Bandbreite der Kulinarik ist enorm. So sind einige Bäume wie etwa die Weißbirke und die Rotbuche auch Salatlieferanten. Aus ihren Blättern lässt sich im Nu ein grüner Salat zaubern. Und wer bis zum Herbst warten kann, findet in den Früchten der Esskastanie eine süßlich-mehlige Delikatesse. Man muss sie nur zuvor im Ofen rösten.