Mit 61 ist Schluss? Für Willi Klesen noch lange nicht! Der Saarländer stellte erst kürzlich einen Weltrekord im Sechs-Tage-Lauf auf. Ein Blick in seine Vita.
Man blickt in ein fröhliches, erleichtertes Gesicht, wenn man Willi Klesen dieser Tage antrifft. So auch heute. Mit Blick auf den neuesten errungenen Pokal erzählt Klesen von seinem beeindruckenden Karriereweg.
Wie bei fast jedem erfolgreichem Sportler beginnt die Karriere von Klesen als Jugendlicher. „Schon im Jugendalter waren längere Läufe immer meine Leidenschaft“, erinnert sich der mittlerweile 61-Jährige. Andere Laufarten, wie beispielsweise der Sprint, haben ihn nie wirklich gereizt oder an sein Limit gebracht. Im Jahre 1998 fasste Klesen das Ziel ins Auge, sportlich auf ein anderes Niveau zu kommen. „Ich habe mich körperlich nicht wohl gefühlt, hatte zu viel Gewicht. Deswegen beschloss ich, jeden Tag 20 Kilometer laufen zu gehen.“ Und dieses Vorhaben hat er auch in die Tat umgesetzt. Die körperlichen Kräfte, die er durch das tägliche Training bekam, stellte er im Jahre 2001 unter Beweis. Im Alter von 39 Jahren lief Klesen seinen ersten Marathon in Merzig. In einer Zeit von 3:13 schloss er sein erstes großes Lauf-Event ab. 2005 erkämpfte er sich dann seinen ersten Triumph: Er wurde Saarlandmeister in seiner Klasse. In den darauffolgenden Jahren absolvierte er weitere Marathons, bis er im Alter von 47 Jahren seinen letzten in Saarbrücken lief.
Für Klesen begann im Alter von 50 Jahren eine neue Lebensphase. Bedingt durch seinen Bergmannsberuf wurde er in diesem jungen Alter bereits pensioniert. „Nach der Rente habe ich nach einer neuen Aufgabe gesucht. Ich wollte etwas Neues erreichen“, erinnert er sich zurück. Gesagt, getan: Er begann sich für den extremen Laufsport zu interessieren. Lief immer weitere Strecken. Den vorläufigen Höhepunkt seines neuen Hobbys feierte er im Jahr 2016. Hier war Klesen an seinem ersten Zwei-Tage-Lauf am Start. Der Lauf erstreckte sich über 130 Kilometer. „Am ersten Tag des Zwei-Tage-Laufs habe ich mich mit meinem Teampartner verlaufen. Wir waren auf dem komplett falschen Weg“, so Klesen. Aber er hat sich aus dieser kniffligen Situation herausgearbeitet. Wo andere zu diesem Zeitpunkt aufgegeben hätten, hat er weiter gemacht. Mehr noch. Er hat sich am zweiten Tag des Laufs in die Spitzengruppe gekämpft. Es ist nicht vermessen zu sagen, dass dieser Moment als Knackpunkt in seiner Karriere zu zählen ist.
Denn danach ging es steil bergauf. Bei einem Super-Trail im Jahre 2018 wurde Klesen in der Gesamtwertung Zweiter. Nach dem Rennen wartete bereits ein neuer Meilenstein: „Nach dem Super-Trail fragte mich der Veranstalter, ob ich mir vorstellen könnte, an der ‚Langen Nacht von Biel‘ teilzunehmen“, so Klesen. Dabei handelt es sich um ein internationales Top-Rennen in der Schweiz. „Da habe ich natürlich nicht lange gezögert.“ Dort konnte er sein Können gegen die internationale Konkurrenz unter Beweis stellen. Und das tat Klesen auch. Er schloss die „Lange Nacht von Biel“ als dritter in seiner Altersklasse ab. Der in Limbach Geborene sagt auch heute noch stolz: „Auch in einem internationalen Rennen ein solch gutes Ergebnis auf die Laufstrecke gebracht zu haben, ist schon etwas ganz Besonderes und war ein weiterer Ansporn.“ Die Faszination für den Laufsport veranlasste Klesen 2019 dazu, in eine Laufmannschaft einzutreten. Dem sogenannten „LG Ultralauf“, dem größten deutschen Verein im Ultralaufen, schloss er sich an, um an deutschen Meisterschaften teilnehmen zu können.
Nach jahrelangen, immer besser werdenden Läufen stellte der März dieses Jahres einen Höhepunkt in Klesens Karriere dar. In seiner allerersten Sechs-Tage-Lauf-Weltmeisterschaft, in Italien, wurde der Saarländer auf Anhieb Weltmeister. „Innerhalb dieses Sechs-Tage-Laufs habe ich ungefähr elf Stunden geschlafen“, resümiert der sympathische Extremsportler.
„Es ist ein riesiger Aufwand“
Aber was sind seine Erfolgsgeheimnisse? „Zum einen ist dort meine Familie zu nennen, die mich bei allem, was ich mache, immer unterstützt“, berichtet Klesen. Mit seiner Frau, mit der er vierzig Jahre verheiratet ist, hat der Weltmeister eine Vereinbarung getroffen. „Meine Ehefrau und ich haben gemeinsam beschlossen, dass ich drei derartig extreme Läufe im Jahr bestreite. Es ist ein riesiger Aufwand, an einem solchen Lauf teilzunehmen. Wenn ich mich aber auf drei Läufe pro Jahr konzentriere, habe ich mehr Zeit für meine Familie“, so der 61- Jährige.
Der letzte Lauf, den er im vergangenen Jahr bestritten hatte, war der Team-Weltpokal in Ungarn. Ganz nebenbei hat Klesen dabei einen Weltrekord aufgestellt. In drei Tagen ist er unfassbare 404 Kilometer gelaufen: so weit wie kein anderer in seiner Altersklasse. „Das macht mich schon extrem stolz, einen Weltrekord erreicht zu haben“, resümiert er stolz. In diesen Tagen im September wurde sein nahezu unendlich scheinender Wille unter Beweis gestellt. Nach insgesamt nur rund sieben Stunden Schlaf stand Klesen am vierten Tag des Events vor einer schweren Entscheidung. „Ich habe eine Verletzung gespürt, die so schlimm war, dass ich nach Absprachen mit den Ärzten nicht mehr weiterlaufen konnte“, erinnert er sich. Da Klesen aber ein absoluter Teamplayer und ein Mentalitätsmonster ist, entschied er sich, die restliche Zeit des Rennens zu gehen. „Ich bin zwei Tage am Stück gegangen ohne eine einzige Schlafpause“, gibt der Saarländer an. Sein unermüdlicher Einsatz für sein Team wurde – neben ein paar Blasen an den Füßen – belohnt: Er wurde mit seiner Mannschaft Dritter in der Weltmeisterschaft. Eine weitere Trophäe in seinem Schrank.
Neben den ganzen positiven und schönen Erfahrungen, die Klesen mit dem Laufsport bereits gemacht hat, gibt es für ihn auch klare Kritikpunkte. Beispielsweise findet er es schade, dass vom Deutschen Leichtathletikverband keinerlei Interesse an ihm und seinen zweifellos hoch anzurechnenden Erfolgen besteht. „Nach meinen Erfolgen, speziell meinem Weltmeistertitel, habe ich noch nicht einmal einen Glückwunsch per Mail vom Verband bekommen. Ich habe das Gefühl, dass sich der Verband nicht für meine, unsere Erfolge interessiert. Hier würde ich mir mehr Wertschätzung für das Geleistete wünschen“, kritisiert er deutlich. Des Weiteren findet er es schade, dass die mediale Aufmerksamkeit nicht so hoch ist wie bei anderen Sportarten. Im Gegenzug hat er aber ein wenig Verständnis für die Medienhäuser: „Es ist klar, dass es sich kein TV-Sender erlauben kann, sechs Tage am Stück ein Rennen zu übertragen.“
Egal ob mit wenig oder viel Aufmerksamkeit. Klesen ist ein Ausnahmesportler, der seinen Körper bestens kennt, der über Limits hinaus geht und keine Grenzen wahrnimmt. Kurz gesagt ist er ein Vorbild für jeden einzelnen Sportler. Denn er hat gezeigt, was mit Wille, Durchhaltevermögen und unbändigem Kampfgeist möglich ist.