Mit einem Teil-Erfolg im Rücken tritt Union Berlin gegen Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen an. Die Eisernen wollen den Favoriten ärgern – und setzen dabei vor allem auf die Topform ihres Torhüters.
Als Torhüter Jakob Busk 2016 zu Union Berlin wechselte, waren die Köpenicker noch ein Zweitligist mit nur gedämpften Bundesliga-Ambitionen. Seine Mitspieler hießen damals unter anderem Fabian Schönheim, Sebastian Polter und Toni Leistner. Und dafür hatte der Däne seinen Heimatverein FC Kopenhagen verlassen? Unmittelbar nach seiner Ankunft habe er sich „nicht vorstellen können, dass Berlin mein Zuhause werden könnte“, gab Busk zu. Und doch wurde es genau das. Hier wurde er Stammspieler, und hier war er zunächst großer Rückhalt, musste dann aber auf die Bank oder gar Tribüne. „Ich hatte sportlich viele Höhen und Tiefen, aber auch das große Glück mit diesem Verein alles erleben zu dürfen“, sagte er: „Der Aufstieg in die Bundesliga bis hin zur Teilnahme an der Champions League war unfassbar.“ Doch am Saisonende ist das Kapitel Union für den Keeper beendet.
Klaglos die Reserverolle angenommen
In seinen acht Jahren bei den Eisernen kommt der oft von Verletzungen geplagte Busk zwar nur auf 57 Pflichtspieleinsätze, dennoch geht er als eine kleine Vereins-Ikone. Klaglos nahm er die Reservistenrolle hinter Stammspielern wie Andreas Luthe oder Frederik Rönnow an, nie war von ihm ein Wort der Missgunst zu hören. Im Training zeigte er stets vollen Einsatz und erhöhte damit den Druck auf die jeweilige Nummer eins, was die Coaches immer zu schätzen wussten. Wie beliebt der Däne war, zeigt auch sein Status als Mitglied des Mannschaftsrats seit 2020. „Die Zeit bei Union war für Jakob nicht immer einfach, dennoch hat er sich nie zufrieden- oder aufgegeben“, sagte Geschäftsführer Oliver Ruhnert: „Er hat täglich hart gearbeitet, viel dazu beigetragen, neue Spieler schnell in den Verein zu integrieren und damit einen sehr wichtigen Beitrag zum Erfolg der letzten Jahre geleistet.“ Und das, obwohl Busk zuletzt am 7. April 2018, also noch vor Unions Aufstieg in die Fußball-Bundesliga, das Union-Tor gehütet hat. Sollte der Club am letzten Saisonspiel am 18. Mai gegen den SC Freiburg bereits den Klassenerhalt sicher haben, könnte Busk von Trainer Nenad Bjelica zum Abschied womöglich noch ein paar Spielminuten geschenkt bekommen.
Die Chancen darauf sind durch das 0:0 am vergangenen Wochenende bei Eintracht Frankfurt ein klein wenig gestiegen. Der Punktgewinn kam zwar insgesamt glücklich zustande, doch dafür wollten sich die Eisernen hinterher nicht entschuldigen. Ein überragender Torhüter Rönnow, eine Monster-Grätsche von Danilho Doekhi, eine gute Organisation und auch etwas Glück reichten, um etwas Zählbares von der Reise zum Europapokal-Aspiranten mit nach Hause zu nehmen. „In der ersten Halbzeit hatten wir Frankfurt gut unter Kontrolle. Leider haben wir bei unseren Kontern keine Effektivität gezeigt. Dann hat Frankfurt sehr gedrückt“, sagte Trainer Bjelica, der betonte: „Dieser Punkt ist für uns Gold wert.“ Zum einen für die Tabelle, in der Union sieben Spiele vor Saisonschluss neun Zähler Vorsprung auf den Relegationsrang hat. Zum anderen aber vor allem für den Kopf, denn die nächste Aufgabe ist die aktuell schwerste im deutschen Profifußball: Bayer Leverkusen gastiert an diesem Samstag in der Alten Försterei.
Der Werksclub eilt mit Riesenschritten seinem ersten Meistertitel entgegen. Doch selbst mit einem Sieg am 28. Spieltag in Berlin kann sich das Team von Trainer Xabi Alonso noch nicht vorzeitig zum Deutschen Meister küren. Die Unioner haben aber auch gar nicht vor, den Zauber-Fußballern um Nationalspieler Florian Wirtz nur Geleitschutz zu geben und am Ende zur bevorstehenden Meisterschaft zu gratulieren. „Wir würden sie natürlich sehr, sehr gerne ärgern“, sagte Linksverteidiger Robin Gosens: „Nicht, weil wir unbedingt Bayern einen Gefallen tun wollen, sondern vor allem uns selbst.“ Wie schwer das aber wird, haben die Köpenicker im Hinspiel erlebt. Mit einer 0:4-Packung hatten sie damals die Heimreise antreten müssen. Nun habe man „wieder das Vergnügen“, so Gosens, „da hoffe ich, dass das ein bisschen anders aussieht“. Ein Vorteil könnte sein, dass die Leverkusener unter der Woche im DFB-Pokal gegen Zweitligist Fortuna Düsseldorf gefordert waren, während sich Union komplett auf das Ligaspiel vorbereiten konnte. Zudem dürften die letzten nur knapp gewonnenen Spiele wie gegen die TSG Hoffenheim, als Bayer mit zwei späten Toren die erste Pflichtspielniederlage der Saison gerade so verhindern konnte, Kraft gekostet haben. Körperlich wie psychisch.
„Es wäre schön, wenn wir in der Alten Försterei für ein Highlight sorgen könnten in der Hinsicht“, sagte Gosens. In den vergangenen Spielzeiten, als der 29-Jährige noch in Italien sein Geld verdiente, war Union vor allem zu Hause die ein oder andere Überraschung gegen Topteams wie Borussia Dortmund, RB Leipzig oder auch Bayern München gelungen. Doch in dieser Saison ist alles anders, das Selbstverständnis ist nicht mehr dasselbe. Der monatelange Kampf gegen den Abstieg zerrt an den Nerven, die Rettung im Mai wäre für alle Beteiligten eine Riesenbefreiung. Abwehrchef Kevin Vogt meinte daher nach dem torlosen Remis bei der Eintracht: „Grundsätzlich kann man mit einem Punkt in Frankfurt schon zufrieden sein.“ Sein Trainer wusste auch genau, welche Faktoren zum Teilerfolg beigetragen haben: „Wir hatten einen guten Torwart und eine gute Abwehr.“
„Ein guter Torwart und eine gute Abwehr“
In der Tat überragte Rönnow bei der Rückkehr an alter Wirkungsstätte, der dänische Nationaltorhüter ist zweifelsohne in Topform. Wie er in der 66. Minute den Schuss von Dina Ebimbe entschärfte – Weltklasse! Auch ansonsten war Rönnow an diesem Tag für die Frankfurter unüberwindbar, seine von Sicherheit nur so strotzende Ausstrahlung schien sich auch positiv auf die Vorderleute auszuwirken. „Freddy hat eine unfassbar gute Form. Er hält uns immer wieder im Spiel“, sagte Mittelfeldspieler Rani Khedira. Rönnow ist ein Schlüsselfaktor, warum sich Union seit dem Trainerwechsel von Urs Fischer zu Bjelica stabilisieren konnte. Der Lohn: die Vertragsverlängerung im vergangenen Januar. Union wollte den 31-Jährigen unbedingt halten, nachdem Gerüchte über ein Interesse des italienischen Erstligisten Lazio Rom aufgekommen waren und Rönnow sich in einer ersten Reaktion dem Angebot gegenüber nicht abgeneigt gezeigt hatte.
Doch Rönnow bleibt auch in der kommenden Saison ein Eiserner und geht vermutlich als klare Nummer eins in die Sommer-Vorbereitung. 2021 war er zu den Rot-Weißen gewechselt, für die er seitdem mehr als 80 Pflichtspiele bestritt. Hier fühlt er sich heimisch. „Die Atmosphäre bei Union ist wirklich großartig, das zeigt sich gerade auch jetzt, da wir gemeinsam eine sehr schwierige Phase zu bestehen haben“, sagte Rönnow. Er trägt mit seinen Paraden maßgeblich dazu bei, dass der ganz große Druck im Saisonendspurt nicht zu spüren ist. Mit dem Klassenerhalt würde es sich für ihn bei der Europameisterschaft im Sommer auch einfacher spielen – und es wäre ein weiteres Bewerbungsschreiben für den Kampf um die Nummer eins im dänischen Tor. Doch sein teaminterner Konkurrent Kasper Schmeichel, Sohn der dänischen Torhüterlegende Peter, hat in seiner Heimat noch einen größeren Status. Bei den März-Länderspielen machten Rönnow (gegen Färöer) und der aktuell für den RSC Anderlecht spielende Schmeichel (gegen die Schweiz) eine Art Job-Sharing, beide durften je einmal über 90 Minuten das Tor hüten. Keiner kassierte einen Gegentreffer.