Unternehmen erachten Erneuerbare Energien mehr und mehr als Standortvorteil, sagt der Gründer und Geschäftsführer von Epico Klima Innovation, Bernd Weber. Der Thinktank hat Standortvorteile im Land untersucht. Der Norden ist demnach gut aufgestellt.
Herr Weber, für Northvolt ist es wichtig, in direkter Nähe zu Windparks ein neues Werk zu bauen – warum?
Die Verfügbarkeit von grünem Strom hat sicher eine große Rolle gespielt, aber es wird nicht das einzige Kriterium gewesen sein. Es geht auch um Infrastruktur, Fachkräfte, die Subvention durch Bund und Land. Es gibt also nicht den einen entscheidenden Standortfaktor, sondern einen Mix aus vielen. Aber wir sehen, dass es für Investitionsentscheidungen in Unternehmen immer wichtiger wird, dass ein Zugang zu erneuerbaren Energien existiert. Es ist wichtig, weil sich viele Unternehmen dekarbonisieren wollen und müssen. Bei Northvolt ist es nun der Fall, dass der Windpark sozusagen vor der Haustür steht, weil vor allem in Norddeutschland die Windenergie breit verfügbar ist. Auf der anderen Seite könnte man sagen, ist doch egal, wo die erneuerbare Energie produziert wird, Hauptsache, sie kommt im Unternehmen an. Das sehen wir im Falle von Dillinger Saarstahl, wo ein Windpark vor Rügen einen Teil des notwendigen Stromes zur Stahlherstellung liefert. Dafür braucht es aber einen Ausbau der Netze. Und hier wird das Bild düsterer, der Netzausbau hinkt hinterher. 85 Prozent der Vorhaben des Bundesbedarfsplangesetzes dafür hängen noch in Planungs- und Genehmigungsverfahren fest. Daher ist es aktuell hilfreich, einen Zugang zu Produzenten von erneuerbaren Energien zu haben. Und es wird umso wichtiger, die Netze auszubauen, um die Energie dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird, und die Standortnachteile in Sachen Energieverfügbarkeit damit wieder auszugleichen.
Warum steht die Windkraft bei vielen Unternehmen hoch im Kurs, auch im Süden Deutschlands?
Sie bietet mehr Volllaststunden als die Solarenergie, das ist die Maßeinheit, mit der man den Nutzungsgrad einer Anlage angibt. Windenergieanlagen sind also deutlich besser ausgelastet bei der Produktion. Im Süden sehen wir vor allem einen hohen Anteil an Solarenergie, weniger Windenergie. Klar, denn dort weht vergleichsweise weniger Wind als im Norden. Deren Volllaststunden sind trotzdem geringer als diejenigen der Windräder. Zusätzlich aber sind die Netze nicht genügend ausgebaut, um den Strom aus dem windreichen Norden in den windärmeren Süden zu transportieren. Das bedeutet, dass es im Süden einen Standortnachteil in Sachen Windenergie gibt – es fehlen Volllaststunden, in Bayern kommen noch die Abstandsregelungen hinzu, die den Zubau von Windenergie stark behindert haben. Wir wissen aus unserer Studie, dass wir diese Erneuerbaren flächendeckend dringend brauchen. Die Unterschiede sind in Deutschland aber sehr groß. Knapp 80 Prozent der Unternehmen im Norden Deutschlands bewerten die Versorgungslage mit klimaneutraler Energie als sehr gut; im Westen, wozu ich jetzt auch das Saarland rechne, sind es noch etwas mehr als 40 Prozent, im Süden nur noch 30 Prozent. Deswegen lohnt es sich, genau regional zu schauen.
Um den Strom von Nord nach Süd zu transportieren, nimmt Deutschland derzeit den Umweg über Polens Energienetze. Wo befinden sich noch weitere Flaschenhälse?
Der Netzausbau ist einer von mehreren Flaschenhälsen; dann der flächendeckende Ausbau der Windenergie, auch im Westen Deutschlands gibt es noch Optimierungspotenzial und grundsätzlich geht es darum, alle Erneuerbaren auszubauen, weil wir immer mehr Energie brauchen werden; drittens die Speicherung und Nutzung. Sie sprechen Polen an: Unser Engpass ist ein outgesourctes Problem, das in Polen die Netzentgelte treibt und zu Problemen führt. Daher denken manche derzeit über unterschiedliche Strompreiszonen in Deutschland nach, die die physische Realität mangelnder Netze widerspiegeln. Speicher werden immer wichtiger für die Versorgungssicherheit und die Flexibilität werden, hier tun wir noch nicht genug. Je mehr erneuerbare Energien wir haben, desto mehr müssen wir speichern, um Strom dann zur Verfügung zu haben, wenn wir ihn brauchen: durch Speicher oder indem er dann verbraucht wird, wenn er günstig ist, also ein Überangebot an Strom besteht. Die Anreize sind regulatorisch hier noch nicht ausgereift, das heißt hier gibt es dringenden Handlungsbedarf.
Bleiben wir beim Thema regionale Strompreise: Dies adressiert ein aktuelles Problem mangelnder Netze, das wir allerdings durch Netzausbau zu beheben versuchen. Ist dies also ein kurzfristiges Thema, das durch den Ausbau wegfällt?
Ökonomisch gesehen sind kleinere Strompreiszonen effizienter. Sie spiegeln die lokalen Gegebenheiten wider: Verfügbarkeit von Strom, Produktion, Verbrauch, Netzinfrastruktur. Dies ist keine neue Idee, wir sehen das in den skandinavischen Staaten schon länger. Sie bieten zum Beispiel Anreize für die Verlagerung von Produktion von Unternehmen, für Stromproduzenten oder für einen zeitlich optimalen Verbrauch von Strom. Das kann durchaus Sinn machen. Wenn man politisch zu dem Punkt kommt, man will dies aus Gründen der gleichwertigen Lebensverhältnisse in allen Landesteilen nicht, dann müsste man sich andere Lösungen für Anreize für die optimale lokale Ansiedlung und optimalen zeitlichen Einsatz für Strom schaffen, denn das ist dringend erforderlich. Beispielsweise über variable Netzentgelte, die ja jetzt schon einen erheblichen Teil unserer Stromrechnung ausmachen. Ob es übrigens zu einer Strompreisaufteilung in Deutschland kommt, das entscheiden wir nicht alleine, denn an den europäischen Prozessen dazu sind ja, wie bereits gesagt, auch andere Staaten wie Polen beteiligt. Grundsätzlich muss der Strommarkt aber flexibilisiert werden, sowohl in der Struktur als auch beim Verbrauch. Dieses Thema wird auch in Zukunft aktuell bleiben und sogar größer werden, denn auch mit dem beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau bleibt die Frage der Flexibilisierung des gesamten Systems bestehen.
Prof. Achim Wambach warnt davor, dass Deutschland auch künftig kein günstiger Standort für energieintensive Betriebe sein könnte. Stimmen Sie dem zu?
Ich glaube schon, dass die Energiekosten geringer werden können – wenn wir die Weichen stellen, über die wir gesprochen haben. Wenn wir unser System beispielsweise mit den USA vergleichen, wo die Energie derzeit sehr günstig ist, müssen wir auch mit Blick in die Vergangenheit sagen: Wir waren nie ein Billigenergieland. Insgesamt sind Investitionsentscheidungen, sind die Faktoren für Standorte von Unternehmen in Deutschland vielfältig und eben nicht nur energieabhängig. Bei den Strompreisen müssen wir aber billiger werden, wir müssen grüner werden. Für die meisten Unternehmen ist die Verfügbarkeit von grünem Strom enorm wichtig. Dieser „Renewables Pull“, der Sog der Erneuerbaren auf Unternehmen, ist vorhanden.