Hertha BSC erreicht einen Sieg in Paderborn. Das geht etwas unter, denn die öffentlichen Diskussionen werden längst von der Entwicklung der Mannschaft und der Zukunft des Trainers bestimmt.
Nach der Aufregung um Pal Dardai und seinen frühzeitigen Abgang bei der Pressekonferenz vor der Partie in Paderborn tat der 3:2-Sieg von Hertha BSC dort erst mal gut und beruhigte die Gemüter zumindest vorübergehend. Rein sportlich gesehen, schafften es die Schützlinge des Ungarn dabei, einen Dreier einzufahren, ohne dabei wirklich zu überzeugen. Mehr als eine Stunde war von den Berlinern vielmehr sogar kaum etwas zu sehen, sie wurden aber durch die Fehler der Gastgeber, die schon vor dem Spiel fünfmal sieglos geblieben waren, letztlich zum Toreschießen eingeladen. Das konnten die Berliner dann einmal mehr jedoch umsetzen und als Pluspunkt an diesem Freitagabend für sich verbuchen. Bevor sie jedoch nach einer guten Viertelstunde in Rückstand gerieten, hatten sie bereits zweimal Glück: Erst wurde ein Eigentor von Jonjoe Kenny wegen einer vorangegangenen Abseitsstellung wieder einkassiert, dazu traf der SC einmal nur die Latte. Dann aber zielte Obermair per Freistoß genau zum 1:0 – doch schon im Gegenzug lieferten die Hausherren den Nachweis, weshalb es momentan nicht bei ihnen läuft. Nach einem Fehlpass brauchte Aymen Barkok die Vorarbeit von Palko Dardai nur noch zum 1:1 einzuschieben. Die Paderborner stürmten jedoch unverdrossen weiter und brachten es so auf 11:3 Torschüsse zur Halbzeit, ohne allerdings daraus mehr Kapital zu schlagen. Auch nach dem Wechsel musste Kenny erst Kopf und Kragen riskieren, um eine missglückte Rettungsaktion von Mitspieler Barkok zu entschärfen, ehe Hertha BSC sich mit zwei allerdings harmlosen Abschlüssen von Palko Dardai und Fabian Reese mal offensiv zeigte. Das Tor fiel dann wiederum auf der anderen Seite, weil Paderborns Musliu nach einem Eckball freistehend zum 2:1 einköpfen konnte. Die anschließenden Bemühungen der Hauptstädter, doch noch etwas Zählbares aus Ostwestfalen mitzubringen, sollten aber lange Zeit bis auf einen Abschluss von Derry Scherhant ungefährlich bleiben. Dann aber konnte Kenny bei einer Umschaltsituation ausgerechnet den eingewechselten Bilal Hussein bedienen – und der schwedische Mittelfeldspieler, der bislang die Erwartungen an der Spree nicht erfüllen konnte, erzielte seinen ersten Treffer für die Blau-Weißen zum 2:2-Ausgleich. Und es kam noch besser: einen weiteren, sehenswerten Konter nutzte Haris Tabakovic zum Siegtreffer in der letzten Minute der regulären Spielzeit. Der bosnische Nationalspieler baute sein Konto dadurch auf 18 Tore aus und liegt so weiter mit Düsseldorfs Tzolis an der Spitze der Rangliste.
Angespanntes Medien-Verhältnis
Doch auch vor dem nun anstehenden Heimspiel am Freitagabend gegen den FC Hansa Rostock bleibt die Thematik um Pal Dardai, die Presse und Hertha BSC diffizil und dürfte die Diskussionen in den kommenden Wochen weiter beherrschen. Das Ganze begann vor der Länderspielpause, nach dem 5:2-Heimsieg gegen Schalke 04 hatte Herthas Trainer noch eher allgemein ausgeteilt („Überall steht, der Trainer hat kein Konzept – wenn einer kein Konzept sieht, dann tut es mir leid, dann soll er nicht mehr hierherkommen“), was als Frust über die aufkommende kritische Berichterstattung nach dem verpatzten Start ins Jahr 2024 mit drei Niederlagen zu bewerten war. Bei allem Verständnis für den Trainer trug die Aussage in den Medien nicht zur Entspannung bei – wie verhärtet die Fronten mittlerweile sind, offenbarte dann die groteske Szene auf der PK vor dem Spiel gegen den SC Paderborn. Hier wurde deutlich, dass speziell die Berichterstattung des „Kicker“ dem Trainer ein Dorn im Auge war – jedenfalls ließ Dardai dessen Vertreter zunächst mit seiner ersten (neutralen) Frage zur anstehenden Aufgabe abblitzen: „Du hast geschrieben, dass Hertha BSC kein Konzept hat – solange Du das so siehst, bitte die nächste Frage, danke schön.“ Als der Journalist später einen zweiten Anlauf nahm, stand der 47-Jährige auf und verließ das Podium – die dort zurückgebliebene Sprecherin Vera Krings und Fußballer Fabian Reese ignorierten das Verhalten und führten die Veranstaltung so professionell wie möglich zu Ende. Allen Beobachtern war in diesem Moment allerdings klar, dass Dardai gerade gefährlich tief in den Ast gesägt hatte, auf dem er sitzt. Als Reaktion auf das Verhalten des Trainers soll es dann auch eine durchaus kontroverse bis lautstarke Zusammenkunft mit Geschäftsführer Thomas E. Herrich und Andreas „Zecke“ Neundorf (Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich) gegeben haben.
Während die Verantwortlichen seinen öffentlichen Abgang missbilligten, soll Dardai über mangelnde Rückendeckung durch den Verein geklagt haben. „Wir haben das intern aufgearbeitet und besprochen“, erklärte später der ebenfalls an dem Gespräch beteiligte Sportdirektor Benjamin Weber, ohne genauer zu werden. Dennoch blieb Dardai auch auf Nachfrage des TV-Senders „Sky“ vor dem Spiel in Paderborn bei seinem Standpunkt („Das ist Pal, so bin ich und so bleibe ich“) und störte sich erneut an dem Begriff „konzeptlos“, den er als „beleidigend“ empfinde. Zur Seite gesprungen war ihm da bereits Coach Lukas Kwasniok, der auf der spielvorbereitenden Pressekonferenz des SC Paderborn auf Nachfrage um Verständnis für seinen Kollegen warb – sowie er es parallel auch seinem Team gegenüber als „respektlos“ bezeichnete, wenn „eine Saison am 27. Spieltag als gelaufen“ bezeichnet werde. Während sich der Kicker wiederum zur Causa Dardai erklärend äußerte, dass in dem Beitrag lediglich der „wenig aktive Spielansatz“ und die „Ideenarmut bei Ballbesitz“ als Problem benannt sind, waren jedoch auch bereits andere Berichte publik geworden. Die sprachen von einer Kontaktaufnahme der Verantwortlichen mit Thomas Stamm, der aktuell noch Coach der Drittligareserve des SC Freiburg ist. So scheint das derzeit problematische Dreiecksverhältnis zwischen Trainer, Verantwortlichen und Medien noch nicht einmal auf dem Siedepunkt angelangt. An der Personalie Pal Dardai droht außerdem wieder die alte Lagerbildung im blau-weißen Umfeld zutage zu treten, die der Verein bereits im Griff zu haben schien. Der viel zu frühe Tod des Präsidenten Kay Bernstein – der zwar auf der einen Seite der Streitparteien beheimatet war, andererseits wie kein Zweiter als Vorantreiber der internen Einigkeit auftrat – könnte so noch einmal schmerzhafter als ohnehin für Hertha BSC werden.