Der vergangene Spieltag lief komplett gegen Union. Die Berliner stecken wieder mittendrin im Abstiegskampf, das Fehlen eines Leistungsträgers wegen einer Sperre ist umso schwerwiegender.
Der angebliche Kult ist bei Union Berlin sogar in der Clubhymne verankert. „Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen? Eisern Union, Eisern Union!“, heißt es im Liedtext von Sängerin Nina Hagen. Doch die Kommerzialisierung ist natürlich auch beim Fußball-Bundesligisten aus Köpenick längst geschäftsprägend – und das vergangene Heimspiel war ein Beleg dafür. Für Hauptsponsor „Paramount+“ lief das Team gegen Spitzenreiter Bayer Leverkusen in weißen Sondertrikots auf, statt des Firmenlogos prangte das berühmte Sternenflotten-Delta aus der US-Serie „Star Trek“ auf der Brust der Spieler. Damit wollte der Streamingdienst die sechste und finale Staffel der Science-Fiction-Fernsehserie bewerben, und auch der Club rührte im Vorfeld über die sozialen Medien mächtig die Werbetrommel: „Außerirdisch gut und streng limitiert – das Star-Trek-Trikot!“ Doch die Reaktionen darauf waren meist negativ.
Diskussionen um Star-Trek-Sondertrikot
„Habe langsam etwas Angst, dass Union sich immer mehr verkauft“, kommentierte ein User. Ein anderer meinte: „Unter dem Deckmantel von einem guten Zweck und limitierten Trikot versucht man, uns für blöd zu verkaufen.“ Und ein weiterer schlug gar vor: „So langsam können wir die Zeile ‚Wer lässt sich nicht vom Westen kaufen?‘ auch streichen.“ Dass vor dem Spiel gegen Leverkusen auch noch die Einlaufkinder ein anderes Trikot verpasst bekamen, auf dem für den Paramount-Kinderfilm „Paw Patrol“ geworben wurde, passte für viele Anhänger ins Bild. „Heimspiele in Weiß – nur für den Werbescheiß?“ – so lautete eins von vielen kritischen Bannern, die in der Fankurve gezeigt wurden. Trainer Nenad Bjelica sah das Thema weniger kritisch, er nahm es sogar mit Humor. „Vielleicht müssen wir extraterrestrisch spielen, um Leverkusen zu schlagen“, sagte er vor dem ungleichen Kräftemessen mit dem Bundesliga-Spitzenreiter: „Wie die ‚Star Trek‘-Schauspieler. Ich traue meiner Mannschaft das schon zu.“
Doch am Ende stand eine verdiente 0:1-Heimniederlage gegen den designierten Meister. Kein großes Drama, mit Punkten gegen das Starensemble von Trainer Xabi Alonso hatten im Vorfeld ohnehin nur die größten Optimisten gerechnet. Doch da im Tabellenkeller sowohl der 1. FC Köln als auch der FSV Mainz 05 am vergangenen Spieltag gewannen, ist der Druck auf die Eisernen wieder etwas gewachsen. Nur noch sechs Punkte beträgt der Vorsprung auf den Relegationsrang 16, sieben sind es bis zum ersten Abstiegsplatz. „Wir schauen immer intensiv auf die Tabelle. Das ist unsere Aufgabe“, sagte Bjelica, der sich von Tabellenplatz 13 und der insgesamt guten Rückrunde mit stabilen Auftritten nicht blenden lässt: „Wir haben auch nach dem Sieg gegen Werder Bremen gesagt, dass wir weiter fokussiert arbeiten und Punkte holen müssen. So wird es bis zum Schluss sein.“
Von enormer Bedeutung wird das Auswärtsspiel beim FC Augsburg am 12. April. Die Augsburger kassierten durch das 1:3 am vergangenen Wochenende nach fünf ungeschlagenen Spielen eine Niederlage, liegen im Rennen um die Europacup-Plätze aber weiter aussichtsreich. Das liegt vor allem an Kapitän Ermedin Demirovic, der bereits 15 Saisontreffer auf seinem Konto hat. „Bei uns ist es anders, bei uns ist nicht klar Europa. Wir versuchen, von Spiel zu Spiel zu gewinnen. Was am Ende dabei herumkommt, schauen wir“, so Demirovic. Genauso klangen auch die Unioner in den vergangenen Spielzeiten, in denen sie sich dreimal für das internationale Geschäft qualifiziert hatten. Auch Demirovic gab zu, dass seine Aussagen beim Blick auf die Tabelle „ein wenig dumm“ klingen würden.
Union ist für Augsburg so etwas wie ein Lieblingsgegner, die Eisernen tun sich gegen den FCA oft sehr schwer. Ein Sieg wäre diesmal aber elementar wichtig, denn im Heimspiel wartet auf Union der FC Bayern München. Der Rekordmeister ist zwar sportlich mächtig angeschlagen und versprüht in der Bundesliga längst nicht mehr die Aura der Unbesiegbarkeit vergangener Jahre, wie das sensationelle 2:3 bei Aufsteiger 1. FC Heidenheim deutlich zeigte. Doch die Münchener werden dennoch keine leichte Beute sein. Sich also nur auf die Heimstärke und das Punkte-Polster zu verlassen, wäre womöglich fatal. „Es wird enger“, sagte auch Kapitän Christopher Trimmel: „Aber wir wussten, dass man sich gegen so gute Mannschaften wie Leverkusen nicht unbedingt etwas ausrechnen kann. Wir müssen uns mit anderen Gegnern messen, wo wir mehr Chancen haben, Punkte zu sammeln.“ So wie gegen Augsburg.
„Niederlage geht auf meine Kappe“
Im Duell mit den bayerischen Schwaben fehlen wird aber Robin Gosens. Der Linksverteidiger sah gegen Leverkusen wegen wiederholten Foulspiels beim Stand von 0:0 die Gelb-Rote-Karte und leitete damit die Niederlage ein – und das wusste er selbst am besten. „Sorry Unioner“, schrieb der 29-Jährige auf Instagram: „Niederlage geht auf meine Kappe.“ Widersprechen wollte ihm aus dem Team niemand, aber Vorwürfe gab es auch keine. „Das war eine verdiente und unglückliche Rote Karte“, sagte Coach Bjelica: „Er weiß genau, dass er einen Fehler gemacht hat. Aber er bekommt die Unterstützung von mir.“ Unmittelbar im Anschluss an den Freistoß nach Gosens Foul folgte das Handspiel von Trimmel, das zum spielentscheidenden Elfmeter für Leverkusen führte. „Die Rote Karte hat unser Spiel kaputtgemacht“, sagte Offensivspieler Brenden Aaronson, doch auch von ihm gab es keine persönliche Kritik am Teamkollegen: „Robin war die ganze Saison überragend. Solche Fehler können passieren.“
Aber eher nicht, wenn man wie Gosens noch den Sprung auf den EM-Zug machen möchte. Der Nationalspieler war für die ersten Länderspiele des EM-Jahres von Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht nominiert worden, nur mit außergewöhnlichen Leistungen kann es der frühere Italien-Legionär noch in den Kader für die Heim-Europameisterschaft im Sommer schaffen. „Solange die Tür noch nicht final zu ist und der finale Kader bekannt ist, werde ich mein Leben wieder auf ein Neues auf dem Platz lassen“, hatte Gosens nach seiner Ausbootung gesagt. Schließlich sei die Heim-EM sein „absoluter Lebenstraum“, und dafür wolle er – solange nichts final entschieden ist – „weiter ackern und Gas geben“. Hat er es gegen Leverkusen damit vielleicht übertrieben? Sein Einsteigen gegen den schnellen Leverkusener Nathan Tella war wirklich etwas übermotiviert. Ein persönliches Gespräch wollte Trainer Bjelica mit dem Führungsspieler deswegen aber nicht führen. „Was soll ich zu einem Spieler sagen, der 29 Jahre alt ist und letztes Jahr im Champions-League-Finale gespielt hat?“, fragte der Kroate rhetorisch: „Er hat selbst niedergeschlagen in der Kabine gesessen, wir müssen ihn jetzt unterstützen.“
Dies wird Michael Parensen nicht mehr tun. Der Technische Direktor hat Union überraschend mit sofortiger Wirkung verlassen. Der Ex-Profi, der seine Spielerkarriere 2020 beendete und danach auf der Union-Geschäftsstelle mehrere Stationen durchlief, galt eigentlich als möglicher Nachfolger für Geschäftsführer Oliver Ruhnert. Doch es gebe „zum jetzigen Zeitpunkt nicht die gleichen Ideen zur Fortsetzung unseres Weges“, wurde Präsident Dirk Zingler in einer Pressemitteilung zitiert.