Nicht erst seit dem grausamen Anschlag in Moskau schätzen Behörden und Experten die Terrorgefahr auch für die Olympischen Spiele in Paris und die vorausgehende Fußball-Europameisterschaft in zehn deutschen Städten als sehr hoch ein. Großaufgebote von Sicherheitskräften sollen den Schutz von Aktiven, Zuschauern und Fans gewährleisten.
Ein unbeschwerter Sommer im Zeichen von zwei spektakulären Sport-Großereignissen dürfte sich anders anfühlen. Bei den Olympischen Spielen in Paris und davor bei der Fußball-EM in Deutschland wird von Anfang an immer auch die Angst mitspielen. Schon seit Monaten, erst recht aber seit dem schrecklichen Anschlag in Moskau im März 2024 mit rund 140 Todesopfern, schätzen die zuständigen Behörden und die meisten Experten die Gefahr von Terrorattacken auf die beiden Welt-Events als sehr hoch ein.

Frankreichs Premierminister Gabriel Attal beschrieb zu Monatsbeginn die Lage für die „Grande Nation“ rund drei Monate vor Beginn der Sommerspiele ungeschönt. „Die terroristische Bedrohung ist sehr real und sie ist sehr stark“, erklärte der Regierungschef. Sein Innenminister Gérald Darmanin gab eine ähnliche Einschätzung zu Protokoll: „Unser Land ist besonders bedroht, vor allem bei außergewöhnlichen Ereignissen wie Olympia, weil wir universelle Werte verteidigen.“
Olympische Spiele in Paris – so verzaubernd die Vorstellung seit dem Zuschlag für die französische Hauptstadt erscheinen mag, so sehr bedeutet die Austragung des größten Sportereignisses der Welt neben der Fußball-WM in einer der berühmtesten und beliebtesten Städte auf dem Globus angesichts einer Millionenschar von Besuchern einen sicherheitstechnischen Albtraum. Die Organisatoren müssen nicht nur die zahlreichen Wettkampfstätten oder das Olympische Dorf sichern, sondern während der Spiele nochmals verstärkt auch die vielen Wahrzeichen und andere touristische Attraktionen.

Seit Ende März höchste Alarmstufe
Eine Herausforderung von bislang unbekannten Ausmaßen müssen Organisatoren und Sicherheitsinstitutionen schon zu Beginn der Show bewältigen. Anders als bei vorherigen Spielen findet die Eröffnungsfeier nicht als farben- und stimmungsfroher Einmarsch der teilnehmenden Mannschaften in ein Stadion statt, sondern als eine Parade mit mehr als 100 Großbooten auf der Seine entlang mehrerer Sehenswürdigkeiten wie etwa dem Eiffelturm. Der Besuch der Open-Air-Zeremonie durch viele Staats- und Regierungschefs macht die Aufgabe keineswegs leichter.
Ihre Pläne für die Eröffnungsfeier haben die Olympia-Macher nach Moskau allerdings angepasst. Nachdem ursprünglich über eine Million Zuschauer mit Eintrittskarten direkt an der Seine oder kostenlos im oberen Uferbereich die Fahrt der Flottille verfolgen können sollten, sind auf beiden Seiten des Flusses insgesamt nur noch 300.000 Personen zugelassen – ausschließlich mit Passierscheinen nach vorheriger Anmeldung und Überprüfung des jeweiligen Vorstrafenregisters.
Für einen störungsfreien Verlauf der Spiele betreibt Frankreich einen gigantischen Aufwand. 45.000 Polizisten und Gendarmen, 18.000 bis 20.000 Soldaten und noch einmal so viele Beschäftigte von privaten Sicherheitsfirmen sollen für Sicherheit sorgen – gut sieben Ordnungshüter pro Teilnehmer aus dem Kreis der 12.000 Aktiven. Von den abkommandierten Militärkräften sind alleine 3.000 Soldaten für die Überwachung des Luftraumes zuständig. Darüber hinaus bat die französische Regierung schon kurz vor Ostern 46 befreundete Länder wie Deutschland und Polen für den Zeitraum der Spiele um die Entsendung von insgesamt 2.000 weiteren Einsatzkräften.
Mit Blick auf Olympia rief Frankreich als Reaktion auf das Massaker von mutmaßlich islamischen Terroristen schon Ende März landesweit die höchste Alarmstufe für seine Bevölkerung aus. Dadurch zeigen die Sicherheitskräfte auch schon im Alltag Präsenz in der Öffentlichkeit und patrouillieren zudem vor möglichen Terrorzielen wie Regierungsgebäuden, Einrichtungen der Verkehrsinfrastruktur und Schulen.
Die spürbar gewachsene Nervosität ist nachvollziehbar. Die hohe Anzahl prominenter Sportler, die riesigen Menschenmassen in den Arenen und Straßen der Stadt sowie ein weltweites Milliardenpublikum vor den TV-Bildschirmen machen Olympische Spiele als Fest der Völkerverständigung zu einer einzigartigen Zielscheibe für verblendete Fanatiker. Unvergessen sind die von Extremisten verübten Olympia-Attentate von 1972 in München (elf Tote) und 1996 in Atlanta (zwei Tote).

Paris befindet sich außerdem schon seit Jahren grundsätzlich im Fadenkreuz islamistischer Terroristen wie vor allem beim Bataclan-Anschlag 2015 mit 130 Todesopfern. „Es besteht kein Zweifel“, sagte Inlandsgeheimdienst-Chefin Celine Berthon kürzlich während einer Parlamentsanhörung, „dass Terroristen, je näher die Spiele kommen, versuchen werden, die Gelegenheit zu nutzen, die Olympia ihnen bietet.“
Entsprechend verwandelt sich die viel besungene „Stadt der Liebe“ für die Sommerspiele in eine Hochsicherheitszone im Ausnahmezustand. Ob Eiffelturm, Place de la Concorde oder Grand Palais – die Pariser Wahrzeichen und ihre angegliederten Wettkampfstätten sind im Sommer nur zu Fuß, mit einer gültigen Eintrittskarte und einem Anwohnerausweis erreichbar. Die angrenzenden Metro-Stationen bleiben geschlossen und die entsprechenden Buslinien verkehren nicht.
Ein neuralgischer Punkt ist auch die IT-Struktur der Spiele. „Natürlich ist Olympia auch ein Ziel von Cyber-Terroristen“, stellte Vincent Strubel von Frankreichs Agentur für Netzsicherheit klar. Die Angriffspunkte für Sabotagen von Servern etwa alleine durch eine Flut von E-Mails sind vielfältig und reichen von der Ergebnisregistrierung bei Wettkämpfen über das Ticketsystem bis hin zur öffentlichen Transport-Infrastruktur.
„Sicherheit hat oberste Priorität“
Die Terrorgefahr trübt außer dem Olympia-Countdown auch die Vorfreude auf die Fußball-EM wenige Wochen vorher in Deutschland. Sportspezifisch fürchten die deutschen Behörden aber außer Islamisten und anderen Extremisten vor allem auch Hooligans und andere Gewaltverbrecher. Umfassender und wirksamer Schutz ist bei 24 Mannschaften, geschätzt zwölf Millionen EM-Touristen und zehn Schauplätzen ohne Lücken kaum vorstellbar.
„Die Sicherheit“, erklärte die zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einem Zeitungsinterview bereits vor Ostern, „die Sicherheit hat für uns bei der EM oberste Priorität. Wir haben die aktuellen Bedrohungen im Blick.“ Man werde sich noch stärker wappnen, sagte die Ministerin weiter. „Bund und Länder setzten alles daran, islamistische Terrorpläne früh zu erkennen und zu unterbinden“. Faesers Haus bestätigte einem Sprecher zufolge auch schon die Einleitung von „erhöhten Maßnahmen“. Dabei gilt der IT-Sicherheit ein weiteres Hauptaugenmerk.

Andere Gefahren sollen bereits an Deutschlands Außengrenzen abgewehrt werden. „Wir werden während des Turniers an allen deutschen Grenzen vor- übergehende Grenzkontrollen vornehmen, um mögliche Gewalttäter – ob Islamisten, andere Extremisten oder Hooligans – an der Einreise zu hindern“, kündigte Faeser begrenzte Beeinträchtigungen im Reiseverkehr an.
Faesers Beamte bei der Polizei stellen sich für das erste große Fußball-Spektakel in Deutschland seit dem WM-Turnier 2006 außerdem besonders auf Gefahren aus der Luft ein – durch Drohnen. „Eines der größten Probleme“, meinte Polizeigewerkschafts-Chef Andreas Roßkopf bereits öffentlich, „werden Drohnen sein. Zwar sind die Sicherheitsbehörden auch technisch auf die Drohnen-Abwehr vorbereitet, doch auch Terroristen würden aufrüsten.“
Zur Verhinderung von Anschlägen wie auch Unfällen setzt sich die Polizei laut Roßkopf noch für eine Entlastung des Luftraumes ein: Man wolle „ein „umfassendes, flächendeckendes Flugverbot für Drohnen in ganz Deutschland vor, während und kurz nach der Europameisterschaft“.