Ein Wohnungsbau-Bündnis fordert ein 23-Milliarden-Programm und deutliche Erleichterungen bei Auflagen und Vorschriften. Selbst wenn einige Wünsche erfüllt würden, würde sich die Wirkung erst Ende des Jahrzehnts zeigen.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) durften sich ganz offiziell über die Einladung zum Wohnungsbautag freuen. Beiden war allerdings im Vorfeld klar: Die Stimmung in der Baubranche ist nicht gut, es fehlen die Aufträge für die Zukunft. In einem neu initiierten Bündnis Wohnungsbau haben sich der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft IG Bau, diverse Verbände der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, aber auch die Bundesverbände der Mauerstein-IndusÂtrie und des Baustoff-Fachhandels zusammengeschlossen. So standen die beiden zuständigen Kabinettsmitglieder mit ihren Grußworten im wahrsten Sinne des Wortes vor versteinerten Mienen der Zuhörer.
Die Forderungen des neuen Wohnungsbau-Bündnisses haben es in sich und es klingt schon beinahe nach einem „Sondervermögen bezahlbarer Wohnungsbau“. Konkret sollen jährlich 23 Milliarden Euro für den Wohnungsbau in den Bundeshaushalt eingebracht werden. Davon sollen allein 15 Milliarden Euro für den Bau von 100.000 neuen Sozialwohnungen jedes Jahr eingeplant werden. Dazu kommen dann noch einmal acht Milliarden Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen. Grundlage für diese Forderungen sind offenbar Berechnungen, die Wissenschaftler des schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstituts ARGE in Kiel in einer Studie errechnet haben.
Bundesbauministerin Klara Geywitz kennt diese Forderungen schon seit ihrem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren. Im Koalitionsvertrag war übrigens ein ehrgeiziges Ziel formuliert. 400.000 neue Wohnungen sollten jedes Jahr gebaut werden, davon 100.000 Sozialbauwohnungen. Das Ziel wurde im vergangenen Jahr laut statistischem Bundesamt bei weitem nicht erreicht.
Trotzdem bleibt die Bundesbauministerin bei ihrer Linie und erteilte auch beim Wohnungsbautag der Forderung nach 23 Milliarden Euro zusätzlicher Förderung für bezahlbaren Wohnraum eine Absage. „Das Geld dafür ist schlicht und ergreifend nicht da“, so die Bundesbauministerin gegenüber FORUM. Doch selbst wenn diese Förderung jetzt kommen würde, hätte das auf den Immobilienmarkt keine direkte Auswirkung, so der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes Wolfgang Schubert-Raab. „Diese Förderung wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber Wohnungsunternehmen müssen planen, und dazu bedarf es noch mehrerer Stellschrauben, um nach der Fertigstellung der neuen Wohnungen auch bezahlbare Mieten darstellen zu können“, so Schubert-Raab gegenüber FORUM.
Kritik an hohen Auflagen und Standards
Geht es nach der Logik der Baubranche, müssten zuerst mal die Zinsen auf 2,5 Prozent runtergehen, momentan liegt der Leitzins der Europäischen Zentralbank bei 4,5 Prozent. „Das ist das eine Problem, das wir haben, aber wir bauen hier in Deutschland weiter im Goldstandard, wenn es zum Beispiel um den Schallschutz geht. Warum muss ich eine 24 Zentimeter dicke Betondecke einziehen, wenn eine 18er-Decke auch reichen würde? Rein statisch reicht auch diese Stärke, ohne dass die Mieter in Gefahr geraten“. Außerdem moniert der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Baugewerbes, dass Umweltauflagen das Bauen in Deutschland um bis zu 35 Prozent in den letzten 20 Jahren verteuert haben. Ein Argument will der Bau-Lobbyist Schubert-Raab nicht gelten lassen. Auf die Bemerkung, dass Unternehmen doch eigentlich recht gut verdienen müssten, wenn sich die Baukosten von 2000 bis 2023 um 150 Prozent verteuert haben, reagiert er energisch: „Das hilft doch aber unseren bauausführenden Unternehmen nicht, wenn die Bauherren ihre Aufträge alle reihenweise absagen, weil sie es sich schlicht und ergreifend nicht mehr leisten können. Damit ist keinem geholfen“.
Für Menschen, die in Deutschland eine Wohnung zur Miete oder ein Eigenheim, egal ob Wohnung oder Häuschen suchen, sind das alles erst mal keine hoffnungsvollen Nachrichten. Die Lage auf dem Immobilienmarkt wird auch in den kommenden Jahren mehr als angespannt bleiben.