Seit wir vor acht Jahren schon einmal über seine sportlichen Aktivitäten berichtet haben, hat sich bei Jörg Aumann einiges getan. Er wurde nicht nur zum Oberbürgermeister der Kreisstadt Neunkirchen gewählt, sondern auch sportlich ist einiges passiert.

Jörg Aumann, seit 2019 Oberbürgermeister der Kreisstadt Neunkirchen, gilt als der sportlichste OB des Saarlandes. Das sei gesagt, ohne seinen Kollegen an dieser Stelle zu nahe zu treten, denn die Bilanz des 54-Jährigen spricht tatsächlich für sich. Dass er nicht nur eines, sondern gleich zwei sportliche Steckenpferde hat, ist kein Geheimnis. Da gibt es zum einen das Rennrad, mit dem Aumann nun seit mehr als 20 Jahren in Deutschland, Frankreich und der Welt unterwegs ist. Zusammen mit dem Laufen als seinem zweiten Spezialgebiet – vornehmlich betreibt er den Langstreckenlauf – ist in den letzten Jahren eine beachtliche Kilometerzahl zusammengekommen, die andere in dieser Zeit vielleicht noch nicht einmal mit dem Auto gefahren sind, geschweige denn wie Jörg Aumann durch eigene Körperkraft zurückgelegt haben.
Bei Facebook schrieb er vor einigen Monaten, dass er gerade eine ganz besondere Marke geknackt hat: 100.000 Kilometer habe er seit dem Jahr 2005 mittlerweile fahrradfahrend und laufend hinter sich gelassen. Dank akribischer Aufzeichnung durch Fitnesstracker und Rekonstruktion seiner früheren Touren kommt er auf diese beachtliche Zahl. Er schließt seinen Facebook-Post mit den Worten: „Siebenstellig werde ich wohl nicht mehr schaffen, aber die ersten 100.000 Kilometer sollen – so ich gesund bleibe – nicht die einzigen sein…“
Zum Vergleich: Die Erde mit ihrem Umfang von 40.000 Kilometern hätte er damit gleich zweieinhalb Mal umrundet. Was man auf dieser Strecke so alles sieht, denkt und was der Sport mit einem macht, davon erzählt Jörg Aumann in unserem Gespräch, das unter der Prämisse steht, dass es in unserem Interview schwerpunktmäßig um ihn als Sportler und nicht als Politiker gehen soll. Und während andere vielleicht versuchen würden, dennoch ihre Agenda zu platzieren oder doch die ein oder andere Spitze einzubauen, bleibt Jörg Aumann genau beim Thema. In unserem einstündigen Interview wird es tatsächlich an keiner einzigen Stelle politisch. Es bleibt sportlich und das ist gar kein Problem: Denn auch mit seiner Begeisterung und seinen Gedanken rund um den Sport kann Jörg Aumann die Zeit ohne Probleme füllen, weil er sich eben auch als Ausdauersportler ein durchaus markantes Profil erarbeitet hat.
Training für den ersten Marathon mit fast 40 Jahren
Obwohl Bewegung und Fitness – in Aumanns Fall zunächst in Form von Fußball – schon immer Teil seines Lebens waren, entdeckte er den Ausdauersport tatsächlich eher spät. Mit Mitte 30, es war im Jahr 2005, hielt der aktive Radsport Einzug in sein Leben, als er noch in Saarwellingen wohnte und in Saarbrücken arbeitete. Er probierte das Radfahren auch über längere Strecken aus und stellte fest, dass Ausdauer für ihn kein Problem war und entdeckte gleichzeitig die positiven Effekte auf Körper und Geist. Losfahren, abschalten, den Kopf frei bekommen, das Auto stehen lassen und gleichzeitig etwas für die Gesundheit tun. So wurden seine Touren immer größer, die Begeisterung und der sportliche Ansporn auch. Ob Touren vor der Haustür, Fahrten nach Frankreich (der Mont Ventoux beispielsweise fehlt natürlich nicht in seiner bisherigen Liste) oder im Urlaub, das Rennradfahren allein oder in Gesellschaft nahm und nimmt einen großen Stellenwert in Aumanns Leben ein.
Zur Radfahrleidenschaft gesellte sich wenige Jahre später auch das Laufen. Sein Ehrgeiz wurde geweckt, erzählt er, als er an einem Volkslauf teilnahm und dabei eher mittelprächtig abschnitt. Die Erfahrungen mit dem Radsport hatten ihm aber gezeigt, dass es durchaus besser gehen kann. Deshalb steckte er sich gleich ein nicht wirklich kleines Ziel und trainierte mit fast 40 Jahren für seinen ersten Marathon. Diesen beendete er im Jahr 2009 in Frankfurt in knapp dreieinhalb Stunden. Der Grundstein für eine neue Begeisterung war gelegt. Und bei den mehr als zehn Marathons, die Jörg Aumann mittlerweile absolviert hat, hatte er ein besonderes Ziel schon früh vor Augen. Bereits 2016 erzählte er im Gespräch mit FORUM von seinem Vorhaben, die „Major Six“, also die „großen Sechs“ der Marathons zu laufen und diese außerdem in jeweils unter drei Stunden zu beenden. Gemeint sind damit die sechs wichtigsten und bekanntesten Marathons der Welt in Tokio, Boston, London, Berlin, Chicago und New York. 42,195 Kilometer in unter drei Stunden laufen, das ist für viele unvorstellbar. Dass es für Jörg Aumann aber ein erreichbares Ziel darstellte, das hatte sich schnell gezeigt. Als wir ihn vor acht Jahren trafen, war die Hälfte seines Vorhabens mit drei der großen Marathons bereits geschafft. Die Marathons von New York, Berlin und Boston war er damals bereits in weniger als drei Stunden gelaufen. Und – Spoiler voraus – auch beim Marathon in Chicago konnte er sein Ziel kurz nach unserem Interview damals erreichen. Die beiden fehlenden Rennen, Tokio und London, ist er seitdem ebenfalls gelaufen. Nur mit dem anvisierten Ziel von weniger als drei Stunden hat es nicht mehr funktioniert, berichtet Jörg Aumann heute. Wie vielen anderen machte Corona auch ihm einen Strich durch die Rechnung, als er für den letzten der sechs Marathons trainierte. Während in Chicago noch alles nach Plan lief und auch Tokio im Jahr 2018 mit 3:07:30 und einem vorangegangenen Muskelfaserriss eigentlich so gut wie im Rahmen war, war schon bei den Vorbereitungen zum London Marathon „der Wurm drin“, beschreibt Aumann die Zeit damals. Nicht nur, dass der anvisierte Marathon 2020 und 2021 wegen der Corona-Pandemie zunächst nicht wie geplant stattfinden konnte, auch eine Corona-Infektion im Mai 2022 sorgte dafür, dass sowohl die Vorbereitung als auch der Marathon im Oktober desselben Jahres für Aumann unter keinem guten Stern standen. Das Formtief, das er auf seine eigentlich mild verlaufene Infektion zurückführt, und drei unverschuldete Stürze während des Marathons sorgten dafür, dass er seine Wunschzeit weit verfehlte und erst nach drei Stunden und 57 Minuten ins Ziel kam. „Ich war einerseits tief beschämt, andererseits aber auch im Frieden mit mir selbst“, schreibt er dazu online in seinem Blog, einer Art Tagebuch in dem er über viele Jahre hinweg seine Touren und sportlichen Erlebnisse dokumentiert hat.
„Genussläufe“ stehen für ihn im Vordergrund

Ein Blick in Jörg Aumanns Blog lohnt sich. Die Einträge zeichnen ein lebendiges Bild von seinen vielen Touren und Erlebnissen. Hier geht es nicht nur um Zahlen, Daten und Fakten, sondern auch um das nicht minder interessante „Drumherum“ wie etwa die geographischen Gegebenheiten, das Wetter, die Mitsportler und nicht zuletzt auch um Aumanns Gedanken und persönliche Eindrücke. Interessant ist das allemal, besonders für Sporttreibende, aber auch für alle anderen. Wer sich darüber hinaus eher für besagte Zahlen interessiert, kann sich auf der Plattform Strava Jörg Aumanns Touren auf der Landkarte und die dazugehörigen Daten anschauen, denn auch dort listet er seine Touren mit besagter Akribie für sich selbst und auch als Tourenideen für andere auf. Bei unserem Treffen zeigt er eine Karte, auf der alle Touren digital eingezeichnet sind. Wenig überraschend, dass besonders die Saarlandkarte voll mit vielen, vielen gefahrenen Strecken ist, obwohl es ihn natürlich auch in andere Gegenden verschlagen hat.
Heute jagt der sportliche OB mittlerweile keinen Zeiten mehr hinterher, wie er erzählt. Für ihn stehen beim Laufen „Genussläufe“ im Vordergrund, schließlich sei der Weg das Ziel. Das heißt natürlich nicht, dass Jörg Aumann nicht trotzdem mit Leidenschaft dabei ist, wenn es darum geht, eine Lanze für die Bewegung allgemein zu brechen oder voll Begeisterung von seinen Touren zu erzählen. Der Ausdauersport habe sein Leben verändert, schreibt er passend dazu bei Facebook, und zwar zum Guten. Auf Menschen, deren sportliche Ambitionen womöglich weniger ausgeprägt sind, können Sportler mit diesem Pensum einschüchternd wirken. Anders sieht das aber bei Jörg Aumann aus. Wenn man ihn trifft, wird schnell klar, dass er den Sport nicht als Mittel der Extreme sieht und das auch von niemandem verlangt. Ob es nun der Ausdauersport oder einfach nur eine Runde Spazierengehen um den Block sei, sagt Jörg Aumann, jeder solle das tun, was eben geht. Hauptsache, der Mensch komme in Bewegung, denn für die Bewegungslosigkeit sei er einfach nicht gemacht.