Zum 53. Mal gibt es in diesem Jahr das internationale Filmfestival „Sehsüchte“ in Potsdam, das Filme von Studierenden zeigt. Von einer neuen Generation von Filmschaffenden in einer Filmkultur im Umbruch.
Der Grundstein für das Festival wurde bereits 1972 gelegt. Damals veranstaltete die Hochschule für Film und Fernsehen der DDR erstmals die „FDJ-Studententage“ und zeigte eigene Werke, später auch Arbeiten aus dem „befreundeten“ Ausland. Die Studententage entwickelten sich zum größten studentischen Filmfest des Ostblocks. 1995 übernahmen Studierende der Medienwissenschaft das Festival und tauften es in „Sehsüchte“ um. Das gesamte Festivalteam besteht aus Studierenden des jeweiligen Jahrgangs der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und formiert sich zu jeder Ausgabe neu.
Viel Stoff zum Diskutieren
In diesem Jahr nun zeigt das Festival vom 25. bis 28. April im Hauptprogramm 69 Filme sowie in den Spezialreihen 37 Beiträge. Ausgewählt wurden diese aus über 1.080 Einreichungen aus 89 Ländern. „Gezeigt werden nur Filme, die 2023 oder 2024 von Studierenden fertiggestellt beziehungsweise im ersten Jahr nach dem Studium produziert wurden“, erklärt Tinett Käher, die mit sechs Studierenden das Hauptprogramm zusammengestellt hat. „Das waren 46 Stunden Spielfilm, 25 Stunden Dokumentarfilme und vier Stunden Animationsfilme, insgesamt über 75 Stunden Filmmaterial.“ Also viel Stoff zum Diskutieren und Austauschen darüber, welcher Film es letztendlich in die Auswahl schafft. Mitunter könne dann auch ein „Spalterfilm“ dabei sein, bei dem die eine Hälfte dagegen, die andere dafür sei, ihn zu zeigen. „Wir wollen ja schließlich auch das Publikum mitdiskutieren lassen.“ Zu fast allen Filmen des Festivals wird es ein „Q&A“ („Fragen und Antworten“) geben, bei dem Filmschaffende sich den Fragen der Zuschauenden stellen.
Acht Jurys aus Expertinnen und Experten der internationalen Filmbranche haben die besten Werke aus den Bereichen Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Kinderfilm gekürt. Die Preise werden am 27. April im Potsdamer Filmmuseum vergeben.
Bei der Auswahl der Beiträge für „Future“, das Programm für Sechs- bis Zwölfjährige, gab es eine Kinderjury. Die war sich nach der Sichtung einig: „Spannende Filme, die viele wichtige Themen behandeln – Umwelt, Armut, Natur- und Tierschutz.“ Die Vorstellungen sind kostenlos, die Filme aus acht Ländern werden zum Teil auf Deutsch eingesprochen.
In der Reihe „360°“ sind Virtual-Reality-Filme des Wettbewerbs zu sehen, fünf Filme aus fünf Ländern zu verschiedenen Themen.
Eine weitere Reihe ist die Retrospektive. „Durch die Abschlussfilme der Studierenden ist das Archiv der Film-Uni groß geworden“, erzählt Viva Alagic vom Masterstudiengang Kulturerbe. „Es gibt ein Restaurierungsprogramm, in dem die Filme sehr kostenaufwendig digitalisiert werden. Aus den neu restaurierten Filmen von 2023 haben wir drei Filme ausgesucht, die zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren entstanden sind.“
Mit dabei auch ein Schwarz-Weiß-Kurzfilm mit Winfried Glatzeder als Student in seiner allerersten Rolle. Anschließend ist er dann in „Till Eulenspiegel“, einer Filmsatire der DEFA von 1975 zu sehen. „Wir haben ihn und Regisseur Rainer Simon eingeladen und beide werden dabei sein“, freut sich Viva Alagic.
Zum Festival gehört auch die Reihe „Schreibsüchte“ – sie ist dem Drehbuchnachwuchs vorbehalten. Aus 23 eingereichten Drehbüchern wurde eines für den Drehbuchpreis ausgewählt. In der Jury vertreten war auch der Schauspieler Hassan Akkouch, der selbst schreibt und an Filmen und Serien mitarbeitet. „Viele Stoffe, die wir gelesen haben, haben etwas Besonderes. Wir halten es für wichtig, dass sich Autoren und Autorinnen nicht von den Themen abbringen lassen, die sie antreiben. Und dass sie sich immer weiter Fragen stellen. Gerade bei Studierenden hoffe ich, dass sie da mutig sind.“ Beim Pitch können Autorinnen und Autoren von morgen ihre Drehbuchideen schon vor der Fertigstellung präsentieren. Wer gewinnt, erhält eine dramaturgische Beratung.
Neue Kategorie „Fokus Sound“
Erstmals bei „Sehsüchte“ vertreten ist die Kategorie „Fokus Sound“, die die Kunst der akustischen Gestaltung im Film erkundet. Von 40 eingereichten Filmen wurden 18 ausgesucht, die in drei Filmblöcken zu je 90 Minuten im Filmmuseum vorgestellt werden. Bunt und klangvoll sei das Programm, findet Philemon Montaser vom Auswahlteam. „Es ist ja schwierig, Dokumentarfilme mit Spielfilmen zu vergleichen. Uns war wichtig, dass das Zusammenspiel aus Filmmusik und Sounddesign gut funktioniert und harmoniert.“ Er freut sich schon auf die Filmgespräche, denn Musik und Sound können ja auch etwas ganz Subjektives sein, zu dem es verschiedene Meinungen gibt. Dann würde der Austausch ein besonders spannender sein, so Montasa.
Und dann gibt es im Festivalprogramm noch die Reihe „Exhibition“, dabei wird Medienkunst präsentiert, die moderne Technologien auf kreative Weise nutzt und sich innovativen Erzählformen widmet. Im „Showcase“ zeigt eine internationale Partneruniversität ihre erfolgreichsten Filme. Und natürlich gehört zu einem Filmfestival auch ein Eventprogramm, mit Livemusik, Partys, interessanten Workshops, Masterclasses und Panels. Die meisten Veranstaltungen finden im Potsdamer Kunst- und Kulturquartier Schiffbauergasse statt – im Waschhaus und dem in diesem Jahr neu hinzugekommenen T-Werk. Eine weitere wichtige Spielstätte ist Deutschlands ältestes Filmmuseum im historischen Zentrum von Potsdam, in dem das Festival eröffnet wird und in dem auch die Preise verliehen werden.