Ein wichtiger Anti-Kriegsfilm zur richtigen Zeit. „Civil War“ ist ein erschreckend reales Menetekel über die Unvereinigten Staaten von Amerika. Ein virtuos inszeniertes Roadmovie auf dem Highway zur Hölle. Seit 18. April im Kino.

Ein berechtigter Gedanke, den sie da äußert: „Ich dachte, die Fotos, die ich all die Jahre an Kriegsschauplätzen in aller Welt gemacht habe, wären Warnung genug gewesen, damit so etwas nie wieder geschieht.“ Das sagt die Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) desillusioniert zu ihrem Kollegen Sammy (Stephen McKinley Henderson). Die beiden sind zusammen mit Joel (Wagner Moura) und der jungen, nassforschen Jessie (Carle Spaeny) mit dem Auto von New York unterwegs nach Washington D.C. Dort will Joel den amerikanischen Präsidenten (Nick Offerman) interviewen. Und ihn fragen, wie es so weit kommen konnte, dass Amerika seit Monaten von einem blutigen Bürgerkrieg zerrissen wird. Marodierende Freischärler einer unheiligen Allianz von Streitkräften aus Texas und Kalifornien streifen mordend und brandschatzend durchs Land. Der US-Präsident setzt sich mit einer Armee aus loyalen Soldaten nicht weniger brutal zur Wehr. Er hat sogar Luftangriffe gegen aufständische US-Bürger befohlen. Ein dystopisches Szenario – das angesichts der aktuellen Lage in den USA, wo schon viel zu lange Trump und seine Anhänger versuchen, die Demokratie auszuhöhlen, beim Zuschauer sehr reale Ängste schürt.
Reale Ängste als Filmszenario

Erschreckend an „Civil War“ (seit dem 18. April im Kino) sind nicht nur die hyperrealistischen Kampfszenen, die bestialischen Morde und das sinnlose Abschlachten der politischen Gegner, sondern vor allem die absolute Sinnlosigkeit dieses amerikanischen Alptraums. Der britische Filmemacher Alex Garland („Ex Machina“, „Auslöschung“) bricht den Irrsinn in einzelnen, eher ruhigen Schlüsselszenen herunter. Bevor der Film zum geradezu apokalyptischen Showdown mit dem Sturm auf das Weiße Haus ansetzt. Zum Beispiel als unsere Kriegsreporter auf ihrer Fahrt durch das verlassene Ödland USA, wo am Straßenrand viele zerschossene Panzer und ausgebombte Hubschrauber liegen, in einen Hinterhalt geraten. Verfeindete Scharfschützen wollen sich gegenseitig töten. Auf die Frage, wer eigentlich wer ist und warum man aufeinander schießt, bekommen sie zur Antwort: „Wir schießen auf die, weil die auf uns schießen.“

Auch als Zuschauer kann man kaum zwischen den Rebellen und Patrioten unterscheiden. Kriegs-Nihilismus pur. Oder als ein Soldat (Jesse Plemons) mit roter herzförmiger Sonnenbrille die vier unbewaffneten Journalisten und zwei ihrer Kollegen, die auf dem Trip nach D.C. dazugekommen sind, zur Rede stellt. Er will wissen: „Was für eine Art von Amerikaner seid ihr?“ Wer eine falsche Antwort gibt, den mäht er wortlos mit dem Maschinengewehr nieder.
Das Beeindruckende an „Civil War“ ist auch, dass Alex Garland das vergiftete und absolut tödliche Klima sehr oft mit fast dokumentarischen Mitteln – à la Cinéma vérité – protokolliert. Er erklärt nicht, er hält sich nicht mit Hintergrundinformationen auf, sondern zeigt, was bereits am Laufen ist – mit physischer Wucht und emotionaler Abgeklärtheit. Garland will seinen Film auch nicht als Horrorszenario verstanden wissen, das allein auf die USA gemünzt wäre. Er sieht seinen Film eher als Parabel auf die Gräueltaten des Krieges, die überall dort stattfinden, wo die Unmenschlichkeit das Mittel zum Zweck ist. Damit nimmt er auch in Kauf, das sein Film mitunter sehr kontrovers aufgenommen wurde. Man warf ihm sogar vor, er würde die schrecklichen Bilder benutzen, um die Sensationsgier der Zuschauer zu befriedigen. Genau das könnte man allerdings auch dem „embedded journalism“ vorwerfen – die Art medialer Kriegsberichterstattung, die der US-Sender CNN seit dem ersten Golfkrieg salonfähig gemacht hat. Ein weiterer Vorwurf lautet, Garland würde ausgerechnet in diesem Jahr, in dem die Amerikaner ihren Präsidenten wählen, zugunsten von Biden polarisieren. Was natürlich viel zu kurz greift. Denn dazu ist Garlands Bürgerkriegs-Vision viel zu komplex. Er lässt uns Zuschauer nämlich ebenso mit Adrenalin vollgepumpt und ratlos zurück wie die Protagonisten, die (noch) mit dem Leben davonkommen.
Emotionen mit wenigen Worten

In „Civil War“ kann auch Kirsten Dunst endlich wieder einmal zeigen, was sie für eine Leinwandpräsenz hat. Zuletzt konnte man das zwar schon in Jane Campions Western „The Power of the Dog“ erahnen, in dem sie als verwitwete Gasthausbesitzerin Rose viel Herz zeigen durfte. Und dafür auch als beste Nebendarstellerin für einen Oscar nominiert war. Als Kriegsfotografie-Veteranin Lee zeigt sie diesmal beeindruckend viele Facetten ihrer Persönlichkeit. Härte, Mitgefühl, Angst und Wut – und zwar weniger mit Worten, sondern nur mit Blicken. Oder wie Alex Garland es ausdrückt: „Ich wollte für Lee unbedingt eine Schauspielerin haben, der man ansieht, dass sie schon ein gutes Stück gelebt hat. Und ich bin sehr glücklich, dass ich dafür Kirsten Dunst gewinnen konnte.“