Auch wenn Duke Ellington vor allem als Ikone des Jazz verehrt wird, so hat er als Klavierspieler, Bandleader und Komponist von 2.000 Stücken einen revolutionären Sound geschaffen, der Jazz, Blues und Swing miteinander verschmolzen hat. Dieser Tage wäre er 125 Jahre alt geworden.

Es hätte auch anders laufen können. Der von seinen Mitschülern wegen seines gepflegten Äußeren und seiner geschliffenen Manieren schon früh mit dem Spitznamen „Duke“ (entspricht dem deutschen Herzog, Anm. d. Red.) betitelte Edward Kennedy Ellington hatte sich während des Besuchs der Armstrong High School in der US-Hauptstadt Washington nicht sonderlich für Musik interessiert. Zwar wurden seiner Mutter Bemühungen zugeschrieben, ihm schon im Alter von sieben Jahren das Klavierspielen beizubringen. Doch damit schien sie nicht sonderlich erfolgreich gewesen zu sein. Der „Duke“ zeigte deutlich mehr Interesse an Sport und träumte von einer Karriere als Baseball-Star. Und er war vor allem malerisch und zeichnerisch aktiv. Dabei zeigte er ein solch ungewöhnlich ausgeprägtes Talent, dass ihm sogar ein Stipendium am Pratt Institute für angewandte Kunst in Brooklyn angeboten wurde.
Diese für einen schwarzen Jungen in der damaligen Zeit höchst lukrative Offerte nicht anzunehmen, dürfte ihm vermutlich nicht leichtgefallen sein. Aber die Musik des Ragtime, der Vorläufer des Jazz, der aus Missouri kommend auch die US-Hauptstadt erreicht hatte, hatte den Teenager dermaßen infiziert, dass er das Piano ohne formalen Unterricht wieder für sich entdeckte und öffentliche Auftritte bei Tanzveranstaltungen in Erwägung zog. Daher wurde Ellington doch nicht zu einem Kollegen von Pablo Picasso – mit dem er dann als Musiker häufig verglichen wurde wegen seiner übersprudelnden Schaffenskraft, die sich in mindestens 2.000 nachweislich ihm zugeschriebenen Kompositionen niederschlug. Laut dem deutschen Jazz-Papst Joachim-Ernst Berendt hatte der Duke jedoch „die Malerei nur scheinbar aufgegeben. Er malt nicht in Farben, sondern in Tönen“. Daraus leitete der „Spiegel“ die treffliche Charakterisierung Ellingtons als „Tonmaler des Jazz“ ab.
Für viele ist er die Personifizierung des Jazz
Das Spektrum seines Schaffens beschränkte sich nicht nur auf kurze Songs, sondern schloss auch umfangreichere Arbeiten wie Suiten, sinfonische Werke, sakrale Schöpfungen oder Musik für Bühnenwerke oder Filme mit ein. Zwar gilt Duke Ellington, in dessen Bands über gut fünf Jahrzehnte mehr als 500 der besten Jazzmusiker der Welt mitgewirkt hatten und der das Publikum auf mehr als 100 Tourneen begeisterte, als so etwas wie die Personifizierung des Jazz; Ellington höchstpersönlich stellte dies allerdings infrage: Seiner Meinung nach hatte die Musik, die er mit seiner Band ab den 1940er-Jahren gespielt hatte, überhaupt nichts mehr mit klassischem Jazz zu tun. Vom improvisierenden, anfangs noch stark dem Ragtime verbundenen sogenannten Stride-Pianisten in der frühen, nach 1917 einsetzenden Jazz-Ära hatte er sich stilistisch enorm weiterentwickelt. Dabei werden die 1940er-Jahre meist als Ellingtons kreativste Phase bezeichnet, weil er damals ganz gezielt für die unterschiedlichen Stimmen seines Orchesters komponierte.

Ende der 1920er-Jahre hatte er sein Markenzeichen entwickelt: die sogenannten Jungle Styles, bei denen seine Bläser mithilfe von Dämpfern gepresst-raue Töne erzeugten, die als „Growling“ oder lautmalerisch als „Wah-Wah“ bezeichnet wurden. Darüber gelangte zu einem ganz speziellen Sound. Dieser war so etwas wie eine perfekte Verschmelzung von Jazz, Blues und Swing. Der Swing wurde wegen seiner Tanzbarkeit im Zeitraum von Ende der 1920er- bis Ende der 1940er-Jahre die populärste Stilrichtung des Jazz. Mit seinem 1961 veröffentlichten Album „Piano in the foreground“ dokumentierte Ellington sogar eine souveräne Annäherung an den Free Jazz. Letztlich reichte er damit aber nicht an sein zu einem Meilenstein der Jazzmusik deklariertes Opus aus dem Jahr 1943 mit dem Titel „Black, Brown and Beige“ heran. Bei „Black, Brown and Beige“ handelt es sich um eine aus drei Teilen bestehende Orchester-Suite zur afroamerikanischen Geschichte.
Edward Kennedy Ellington, geboren am 29. April 1899 in Washington, wuchs wohlbehütet in einem bürgerlichen Umfeld auf. Die Eltern zählten zur schwarzen Mittelschicht und hatten sich in einem Viertel für bessergestellte Afroamerikaner niedergelassen. Seinen ersten Job als freiberuflicher Schildermaler gab Ellington um 1917 auf, um eine professionelle Karriere im Musikgeschäft ins Auge zu fassen. Die eher konservative US-Hauptstadt war dafür allerdings nicht gerade der ideale Ort, weshalb Ellington mit seiner ersten Band, bei der er als Klavierspieler zunächst nicht der Chef war, ab 1923 in New York landete. Vier Jahre lang spielten die „Washingtonians“, wie sich die Band zunächst nannte, in einem kleinen Nachtclub. Ellington profilierte sich in dieser Zeit relativ schnell als wesentlicher Songschreiber und stieg dadurch zum Kopf der Band auf. Von Anfang an dirigierte er dabei vom Klaviersitz aus.
Der Durchbruch gelang der Band, die sich ab Februar 1927 den Namen „Duke Ellington and his Orchestra“ zugelegt hatte, Anfang Dezember 1927, als sie von dem legendären Harlemer „Cotton Club“ fest engagiert wurde und ihre Besetzung auf zehn Mann Richtung Big Band ausweiten musste. Die Erkennungsmelodie der Band wurde das im März 1927 auf Schallplatte aufgenommene Stück „East St. Louis Toodle-Oo“, mit dem Duke Ellington erstmals in den US-Charts auftauchte. Allerdings dauerte es bis zum ersten Nummer-1-Hit „Three Little Words“ noch mehr als drei Jahre. Der erste richtige Verkaufsrenner wurde der im Dezember 1930 veröffentlichte Song „Mood Indigo“.
Ab 1933 auch auf Tournee in Europa
Ihre landesweite Popularität verdankte die Band dem Radiosender CBS, der seit Februar 1929 Ellingtons Auftritte im „Cotton Club“ mehrmals wöchentlich übertrug. „Es war das erste Mal, dass überhaupt eine schwarze Band in einer regelmäßigen Radiosendung zu hören war“, schrieb der Ellington-Biograf Terry Teachout. Zusätzlich hatte die Band ein Engagement am Broadway und legte mit ihrem schon 1927 aufgenommenen und in Kritikerkreisen als herausragendes Paradebeispiel für die Jazz-Kunst angeführten Song „Black and Tan Fantasy“ die musikalische Grundlage für einen gleichnamigen Kurzfilm im Jahr 1929.
Nach dem Ende des Engagements im „Cotton Club“ 1931 begann die Big Band, die vom Duke immer als sein wichtigstes Instrument angesehen wurde, mit Tourneen – ab 1933 auch mit Stationen in Europa. Ihr Chef startete das Experimentieren mit längeren Suiten. Beim Kreieren eines neuen Stückes bediente er sich oftmals der Mithilfe seiner ebenfalls hochqualifizierten Kollegen, die seine auf einem Notizzettel meist nur kurz angerissenen Ideen ganz eigenständig in ein komplettes Arrangement verwandeln konnten. Das Stück „Creole Rhapsody“ aus dem Jahr 1931 stellte seine bis dahin ernsteste Komposition dar.
Eine Neuerung war auch die Aufnahme einer Sängerin ins Team. Dank der Stimme von Ivie Anderson wurde der im Februar 1932 erschienene Song „It don’t mean a thing (if I ain’t got that swing)“ zum musikalischen Aushängeschild der Swing-Ära. Titel wie „Solitude“ 1934, „Caravan“ 1937 oder viel später „Satin Doll“ 1953 wurden vom „Spiegel“ als „Gassenhauer“ apostrophiert. Sie wurden aber ebenso zu Klassikern wie „Sophisticated Lady“ 1933, der zweite Nummer-eins-Titel „Cocktails for two“ 1934 oder der von Dukes Bandkollegen Billy Strayhorn komponierte Song „Take the ‚A‘ train“ 1941, der zum neuen Aushängeschild der Band werden sollte. „Jazz ist Musik, Swing ist Geschäft“, war Ellingtons Motto.
Elf Grammys bei 22 Nominierungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Zeit der Big Bands abgelaufen. Ellington konnte seine häufig wechselnde Band-Besetzung notdürftig durch Tantiemen-Einnahmen finanzieren. Auf dem Newport Jazz Festival 1956 feierte das Ellington-Orchester dank eines fulminanten Saxofon-Solos dann ein unerwartetes Comeback. 1957 bekundete die Jazz-Göttin Ella Fitzgerald ihre Bewunderung für den Duke durch die Produktion eines Ellington-Songbooks. 1958 folgte eine weitere Europa-Tournee, ein Jahr später komponierte der Duke den Soundtrack für das Gerichtsdrama „Anatomy of a murder“. 1961 zeichnete er für die Filmmusik des Streifens „Paris Blues“ verantwortlich, was ihm sowohl eine Oscar- als auch eine Grammy-Nominierung einbrachte.
Insgesamt räumte er bei 22 Nominierungen elf Grammys ab. In den frühen 1960er-Jahren arbeitete Ellington mit jüngeren Jazz-Stars wie Charles Mingus oder John Coltrane zusammen. 1965 nahm er das erste seiner drei geistlichen Werke namens „Sacred Concerts“ auf.
Am 24. Mai 1974 verstarb Edward Kennedy „Duke“ Ellington im Alter von 75 Jahren in New York an einer Kombination aus Lungenkrebs und Lungenentzündung. Privat war er nur einmal ab 1918 verheiratet, mit seiner Jugendliebe Edna Thomosin, ein Jahr später wurde sein Sohn Mercer geboren. Nach der Trennung wurden ihm zahllose Affären unterstellt. Auch beim Essen soll er schier unersättlich gewesen sein, weshalb er stets versuchte, seine Leibesfülle durch ein Korsett zu bändigen.