Obwohl die Folgen der globalen Erwärmung seit Jahren bekannt sind, ändert der Mensch an seinen Verhaltensweisen nur wenig. Der Klimawandel wird ihn eine Menge kosten. Mehr als Klimaschutz es je getan hätte.

Der „Stern-Report“ malte bereits 2006 ökonomische Schreckensbilder in den Himmel: Ein Fünftel des globalen Bruttoinlandsproduktes sollte der Klimawandel, aus damaliger Perspektive, die Volkswirtschaft kosten. Hat dies als Warnschuss etwas bewirkt? Die Antwort ist schlicht: Bisher wurde weltweit zu wenig getan, um wirtschaftlichen und weiteren Schäden durch die Erderwärmung Einhalt zu gebieten. Das gilt insbesondere für Deutschland.
Im „Faktenpapier 2023“ rückt auch Südwestdeutschland in den Teleskopblick von Instituten, die eher im Norden der Republik angesiedelt sind. Deutsches Klima-Konsortium, Deutsche Meteorologische Gesellschaft und andere brachten kurz vor dem Jahreswechsel „Basisfakten zum Klimawandel, die in der Wissenschaft unumstritten sind“, auf den Punkt.
Zwischen 280 und 900 Milliarden Euro
„Geht der Klimawandel ungebremst weiter, wird mit einer starken Risikozunahme in Bezug auf Trockenheit und deren Folgen gerechnet“, heißt es da. Konkret: „Eine globale Erwärmung um weitere drei Grad Celsius würde zum Beispiel für Teile Südwestdeutschlands gegenüber dem Zeitraum 1971 bis 2000 eine Verdoppelung der Zeiten unter Dürre bedeuten.“ Zunehmende Konflikte bei der Wassernutzung zwischen den Verbrauchergruppen – gemeint sind Industrie, Landwirtschaft, Ökologie sowie Bevölkerung – seien absehbar und würden sich mit anhaltender Erwärmung und in der Folge erhöhter Verdunstung verschärfen.
Was bedeutet „ungebremster Klimawandel“? Zu wenig tun, nicht haltmachen, kein Tempolimit akzeptieren? „Alle Entscheidungen – auch eine Entscheidung, nichts zu tun, ist ja eine Entscheidung –, die dazu führen, dass die Senkung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre nicht innerhalb des Korridors erfolgt, wie er von der Wissenschaft in Szenarien berechnet wurde“, übersetzt Marie-Luise Beck das Bild. Sie ist Geschäftsführerin des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) im Wissenschaftsforum, einer Interessenvertretung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Universitäten der deutschen Klima- und Klimafolgenforschung.
„Meines Wissens die einzige Studie, die Aussagen in diesem Umfang trifft“, sagt die DKK-Chefin über das Projekt „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“ von 2023. Die analytische Grundlage wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beauftragt und vom unabhängigen Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) mit Partnern breitgefächert durchgeführt.
Die Analytiker blicken mit Abstand auf Ereignisse in den Jahren 2018 bis 2021 und schließen aus einer Vorher-Nachher-Perspektive auf volkswirtschaftliche Folgekosten klimawandelbedingter und -verschärfter Katastrophen. Auch immaterielle Schäden klimawandelbedingter Extremwetterereignisse, die uns in Zukunft erwarten könnten, behandelt das Projekt, das Anpassungsstrategien ermöglichen soll.
Stichwort „Jahrhundert-Hochwasser“: Der Klimawandel erhöhte die Wahrscheinlichkeit und die Stärke der Flut im Ahrtal sowie der Erft im Juli 2021. So kam es zum Extremwetterereignis mit den bis dahin größten Schäden in der deutschen Geschichte. Die monetären Kosten: 40,5 Milliarden Euro. Statistisch gesehen ein Präzedenzfall für ein „alle Jahre wieder“ von Klimawandelfolgekosten in dieser Höhe. Denn dem Projekt „Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland“ zufolge könnte ein solches Ausmaß von Flutschäden immer häufiger auftreten. Bis zur Mitte des Jahrhunderts rein rechnerisch sogar fast jedes Jahr.
Je nachdem, wie intensiv der Klimawandel sich entwickelt, werden die gesamtwirtschaftlichen Kosten, die aufgrund des Klimawandels auf Deutschland zukommen, laut IÖW- und Partner-Studie „allein monetär zwischen 280 und 900 Milliarden Euro“ betragen. Ein Grund: Die zu erwartenden jährlichen Folgekosten könnten bis zum Jahr 2050 immer stärker ansteigen und sich schließlich auf bis zu 900 Milliarden Euro summieren.
Eine Untergrenze: Nicht mit eingerechnet seien etwa abnehmende Lebensqualität oder der Verlust von Artenvielfalt durch das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten. Die Analyse verweist auf „zahlreiche Klimawirkungen in den Handlungsfeldern Fischerei, Küsten- und Meeresschutz sowie Wasserhaushalt/Wasserwirtschaft und Öko-Systemleistungen“, die nicht abgebildet werden konnten. Es sei daher zu erwarten, dass die Gesamtkosten noch wesentlich höher ausfallen. „Es konnten aber auch nicht alle materiellen Schäden in ihren Folgekosten erfasst werden, da bislang nur ausgewählte Klimawirkungen quantifiziert und damit in die Modellierung eingebunden werden können“, betont die Leiterin der Studie auf Nachfrage. Alexandra Dehnhardt weiter: „Hier besteht noch großer Forschungsbedarf.“
Die Umweltökonomin betont: „Auf Grundlage der Modellierungen in der Studie sind Aussagen über die Wirkung einzelner Klimaschutzmaßnahmen auf die Folgekosten des Klimawandels nicht möglich. So erlauben die Modellierungen auch keine Aussagen über die Wirkungen eines Tempolimits.“
Weltweit niedrigerer Lebensstandard
Bezahlen wir Untätigkeit beim Klimaschutz mit Menschenleben? Dazu Dehnhardt: „Die Ex-post-Analysen, also die Ermittlung der Kosten vergangener Extremereignisse, deren Auftreten mit dem Klimawandel wahrscheinlicher wird, legen nahe, dass Extremwetterereignisse für eine Vielzahl von Todesfällen verantwortlich sind. So liegen die ermittelten Todesfälle durch Hitze und Dürre seit dem Jahr 2000 den Ergebnissen zufolge bei circa 30.500“.
Die Fragen über das Handeln und Nicht-Handeln im Klimaschutz werden vielerorts diskutiert und in der Forschung thematisiert. Szenario-Berechnungen wissenschaftlicher Institute sollen Orientierung und Entscheidungshilfen liefern, jedoch nicht als Prognosen verstanden werden. Sparpotenzial ist da. Das Umweltbundesamt (UBA) hat im August 2023 in seiner Schrift über „Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen“ diese nicht nur methodisch aufgefächert, sondern auch betont, „wie teuer unterlassener Umweltschutz“ sei. Das UBA empfahl deshalb auch Umweltkostenschätzungen.

Besonders warm anziehen müsste sich die deutsche Wirtschaft in einem Szenario, in dem die Temperatur bis 2099 um drei Grad Celsius steigt. „In einer solchen Welt würde die deutsche Wirtschaft durch den Klimawandel bis 2070 klimabedingte Verluste in Höhe von 730 Milliarden Euro und 470.000 weniger Arbeitsplätze im Vergleich zu einer Welt ohne Klimaschäden erleiden“, heißt es im „Deloitte Sustainability and Climate: The Cost of climate inaction“-Report, der den Blick speziell auf Deutschland richtet.
Die Weltwirtschaft könnte im Jahr 2070 einen Rückgang des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 7,6 Prozent erleiden. Dies gilt, sollten die Zahlen real werden, die das Deloitte Center for Sustainable Progress (DCSP) via „Deloitte’s Global Turning Point Report“ in den Raum gestellt hat.
Von 178 Billionen US-Dollar, die der Klimawandel die Weltwirtschaft in den nächsten 50 Jahren kosten könnte, spricht dieser globale Bericht, der regionale Berichte in einem Weltreport zusammenführt. Und weiter: „Wenn die globale Erwärmung gegen Ende des Jahrhunderts etwa drei Grad Celsius erreicht, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben, die am stärksten gefährdet sind, und zu Produktivitäts- und Beschäftigungsverlusten, Nahrungsmittel- und Wasserknappheit, einer Verschlechterung der Gesundheit und des Wohlbefindens und zu einem insgesamt niedrigeren Lebensstandard weltweit führen.“