Im Kreis Neunkirchen tritt Landrat Sören Meng für eine zweite Amtszeit an. Der SPD-Politiker setzt Schwerpunkte in Bildung, Tourismus und sieht die Gesundheitsversorgung als große Herausforderung im Kreis.
Herr Meng, was ein Landrat macht, ist vielen Menschen nicht immer so ganz klar. Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen Ihrer ersten Amtszeit?
Die ersten Jahre waren geprägt durch das Bundesprojekt „Land(auf)Schwung“. Nachdem wir dadurch 2,6 Millionen Euro für den Landkreis bekommen haben, konnten wir verschiedene Projekte aus zahlreichen Bereichen umsetzen. Dank der Fördergelder konnten wir unter anderem ein Start-up-Center bei unserer Wirtschaftsförderungsgesellschaft umsetzen. Dazu haben wir unsere Beschäftigungsgesellschaft als Bundesprojekt weiterhin verstetigt. Das ist mir ein wichtigstes Thema. Damit können wir Langzeitarbeitslose fördern und vor allem auch beschäftigen. Auch konnten wir eine Regionalmarke für den Landkreis etablieren. Der zweite Punkt und aus meiner Sicht ein großer Erfolg ist das Thema Bildung. Ich hatte ja gesagt, ich trete an, um die Bildung zu verbessern. Wir haben mittlerweile die meisten Ganztagsangebote im Saarland, wir haben eine neue Ganztagsschule geschaffen, die Alex Deutsch Schule in Wellesweiler, wir haben teilgebundene Ganztagsschulen geschaffen in Illingen und Eppelborn, wir haben Berufsbildungszentren grundlegend modernisiert und als besonderes Highlight bauen wir jetzt in der Mitte von Neunkirchen für 30 Millionen Euro eine neue Schule mit einem teilgebundenen Konzept. Wir haben in der Bildung so viel investiert wie in den letzten Jahrzehnten nicht mehr. Das ist natürlich immer eine Gemeinschaftsleistung.
Im Bereich der Jugendhilfe haben wir die Fallzahlen pro Mitarbeiter gesenkt, um den Kindern und Familien passgenaue Hilfen anbieten zu können. Die Jugendhilfe ist in der Folge nicht mehr in dem Maße gestiegen wie früher, ein Zeichen dafür, dass es effizienter geworden ist. Wenn sich ein Mitarbeiter um 50 Kinder und Familien kümmert statt um 80, kann er viel wirkungsvoller Dinge bewegen.
Ein eher „weiches“ Thema für den Landkreis ist Tourismus. Was macht das große Dauerprojekt in Reden?
Der Erlebnisort Reden ist für mich ein großes Thema. Hier unterstützt uns das Land in großem Maße. Wir haben einen Zweckverband gemeinsam mit Schiffweiler gegründet und wenn jetzt in diesem Jahr die Straße ausgebaut wird, werden wir auch wieder Gastronomie haben, was für mich die Grundlage ist für alles, was dort oben passiert. Gemeinsam mit allen Akteuren des Standortes wurde 2022 ein Entwicklungskonzept erarbeitet, das wollen wir umsetzen. Wir müssen jetzt noch Itzenplitz (Weiher) anbinden, was zeigt: Dieser Erlebnisort hat ein riesiges Potenzial. Wir haben mehr Premiumwanderwege als vor Jahren, wir haben gemeinsam mit den Gemeinden das Thema Radfahren vorangebracht und das Freizeitzentrum Finkenrech weiterentwickelt.
Die Beziehungen von Landkreis, Kreisstadt und Kommunen sind ja nicht immer ganz stressfrei. Wie hat sich das aus Ihrer Sicht entwickelt?
Die Corona-Krise hat uns da ein Stück weit zusammengeschweißt. Das Verhältnis Landkreis zur Kreisstadt Neunkirchen ist besonders gut und es wird auch von den anderen Gemeinden anerkannt, welche besondere Rolle die Kreisstadt gerade im sozialen Bereich spielt. Ich habe nicht den Eindruck, dass es hier eine besondere Konkurrenzsituation gibt. Wir versuchen natürlich, wo wir es können, die Zusammenarbeit zu stärken. Ich habe eben den Tourismus genannt, es gibt noch ganz viele Bereiche, wo wir in kommunaler Zusammenarbeit gut kooperieren. Stichwort Digitalisierung: Da waren wir bei der Beschaffung der Endgeräte für Schulen als Landkreis behilflich. Wir haben mittlerweile alle Schulen digitalisiert. Es ist eine Zusammenarbeit mit gegenseitigem Respekt.
Beim Thema Geld ist es dann nicht mehr ganz so freundlich?
Natürlich, wenn das Thema Kreisumlage auf den Tisch kommt, ist es schwierig, da habe ich auch Verständnis. Das ist in dieser Form auch nicht mehr zeitgemäß, wenn man dem Armen noch in die Tasche greift. Und ich weiß ja, wie nötig die Städte und Gemeinden das Geld brauchen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Und dann kommt der Landkreis und greift das Geld ab, weil er es für seine Pflichtaufgaben braucht. Das ist natürlich nicht gut. Aber auch diese Diskussion ist mit Respekt geführt worden, es ist anerkannt worden, dass der Landkreis mit Augenmaß agiert und keine Dinge macht, die nicht zweckmäßig sind. Der Bund müsste endlich für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen, das wäre ein wichtiger Schritt, der die kommunale Familie entlasten würde.
Reformen werden ja schon lange diskutiert, warum gibt es da noch keine Ergebnisse?
Weil es auch immer Gewinner und Verlierer gibt. Das ist eine lange Diskussion, die wir auch im Landkreistag gemeinsam begleiten. Wir hoffen, dass durch eine neue Begutachtung gemeinsam eine Lösung gefunden wird. Hier könnte der Bund beispielsweise durch eine Übernahme der kommunalen Altschulden für Entlastung sorgen und darüber hinaus gewährleisten, dass bei Übertragung zusätzlicher oder der Ausweitung bestehender Aufgaben auch zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.
Die Diskussion über eine Zusammenlegung von Kreisen flammt immer mal wieder auf. Hat sich das durch die Erfahrungen während der Pandemie geändert?
Vor ein paar Jahren gab es eine intensive Diskussion über die Landkreise, dann hat eine Untersuchung gezeigt, dass die Landkreise eine sehr effiziente Ebene sind. Corona hat das dann genau bestätigt und gezeigt, dass es gut und von Vorteil ist, dass wir auch genau diese Größe, diesen Zuschnitt haben. Die Landkreise haben die Pandemie mit ihren Kreisgesundheitsämtern gut gewuppt. Es gab ja auch da die Diskussion darüber, ob man die Gesundheitsämter nicht zentralisieren kann. Aber es hat sich gezeigt, dass wir mit Einheiten in dieser Größe auch in Krisen sehr gut agieren können.
Der Umgang mit Krisen wird offenbar immer wichtiger, ob das in Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine ist oder im Zusammenhang mit Klimawandelfolgen. Krisenmanagement als Alltagsgeschäft?
Ja, das wird immer wichtiger. Wir sind seit 2019 dabei, den Katastrophenschutz zu optimieren. Wir organisieren derzeit in Kooperation mit den Gemeinden dezentrale Einheiten mit Lagermöglichkeiten oder Unterstellmöglichkeiten für Fahrzeuge. Wir kooperieren dabei auch mit unseren Nachbarkreisen, um uns noch effizienter aufzustellen. Man braucht Katastrophenschutz ja nicht jedes Mal neu zu erfinden, aber wir sind dabei, das neu aufzustellen und effizienter zu machen. Ich habe eine Stabsstelle eingerichtet und das Personal verstärkt. In diesen Zeiten ist wichtiger denn je, Krisenbewältigung zu üben. Dazu gehört auch, für Alarmbereitschaft zu sorgen. Die Glatteiswarnung vor wenigen Wochen wurde zwar von manchen infrage gestellt, aber die Handywarnung hat gewirkt. Im Landkreis Neunkirchen ist nichts Schlimmeres passiert, weil wir vorbereitet waren und warnten. Wir müssen den Bürger, die Bürgerin im Fall eines Falles mitnehmen, ohne in eine Panik zu verfallen. Wir merken ja auch, wie empfindsam Bürgerinnen und Bürger geworden sind, wenn es darum geht, wie viel darf der Staat bestimmen und wie viel nicht. Hier gilt es das staatliche Handeln nachvollziehbar zu machen.
Sie treten für eine zweite Amtszeit an. Was sind dann die Hauptaufgaben beziehungsweise Ihre Wunschprojekte?
Die weitere Stärkung des Tourismus scheint vielleicht ein eher weiches Thema, aber dort liegt noch ein großes Potenzial mit Wertschöpfung vor Ort. Ansonsten ist ein großes Thema, das mich umtreibt, die ärztliche Versorgung. Wir sind ein relativ „alter“ Landkreis, die demografische Entwicklung spielt eine Rolle. Es geht darum, sicherzustellen, dass die Menschen bis ins hohe Alter medizinisch gut versorgt sind. Wir brauchen alle Neunkircher Krankenhäuser. Sie müssen erhalten bleiben und gestärkt werden. Es geht auch gemeinsam mit den Städten und Gemeinden um kommunale Versorgungszentren, die wir bislang nicht haben. Damit sich hier ein Arzt niederlässt, müssen wir eine Infrastruktur bieten, die das attraktiv macht. Ein Thema sind auch die Bereitschaftsdienste, die bei uns wegfallen sollen, was sehr bitter wäre. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das bleibt, muss aber auch zur Kenntnis nehmen, wie es um die Überalterung der Hausärzte steht. Die kinderärztliche Versorgung ist ein Thema, und, was viel zu wenig beachtet wird: die Geriatrie. Das halte ich für ein ganz, ganz wichtiges Thema. Darüber kann ich als Landrat natürlich nicht bestimmen, aber ich kann es begleiten. Bei den Kommunalen Versorgungszentren können wir das mit den Gemeinden entscheiden, aber auch das kostet natürlich Geld. Das muss man dann auch klar sagen, wenn man solche Projekte in Aussicht stellt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Wirtschaft im Kreis, hier soll künftig unsere Wirtschaftsförderungsgesellschaft die Firmen noch stärker begleiten.
Das Saarland ist einwohnermäßig entgegen früheren Prognosen, die eine schrumpfende Bevölkerung vorausgesagt haben, gewachsen. Was bedeutet das für die weiteren Planungen?
Die Zahlen, die mal angenommen waren, stimmen nicht mehr, auch durch die Migration. Beispielsweise waren für unsere Kreisstadt Neunkirchen andere Entwicklungen vorausgesagt. Das hat für uns zunächst zur Folge, dass die Schulentwicklungsplanung vor großen Herausforderungen steht. Wenn die Entwicklung auch mit den Geburtenzahlen so weitergeht, werden wir an allen Schulstandorten investieren müssen, um Schülerinnen und Schüler adäquat unterrichten zu können. Ein großes Thema sind auch die fehlenden Kita-Plätze. Wir haben zwar einiges geschafft zusammen mit den Trägern und den Gemeinden, aber das reicht nicht. Es fehlt andererseits aber auch an Fachkräften. Deshalb freut es mich, dass wir neben der katholischen Schule für Erzieherinnen und Erzieher auch ein staatliches Angebot nach Neunkirchen bekommen. Die Aufgaben sind klar: Wir brauchen weiter Kitaplätze, wir brauchen Plätze in Schulen und eine adäquate Ausstattung für die Schülerinnen und Schüler. Im Moment haben wir die Kreisschulen auf einem Topniveau, aber wenn wir das halten wollen, müssen wir weiter investieren.
Das kostet alles Geld, um das die kommunale Ebene immer wieder kämpfen muss. Wie also soll das gelingen?
Es ist die Frage, welche Schwerpunkte eine Gesellschaft setzt. Ich könnte mir noch weitergehende Maßnahmen vorstellen, etwa in den Schulen das Schulessen kostenfrei anzubieten, also keine Elternbeiträge zu erheben. Wir erleben leider, dass manche Kinder in der Schule das einzige ordentliche Essen bekommen. Wenn es nicht bezahlt werden kann und die Eltern keinen Antrag auf staatliche Unterstützung stellen, was macht man denn dann? Oder nehmen Sie die Übernahme von Klassenfahrten: Das ist eine große Bürokratie. Mein Team von Bildung und Teilhabe engagiert sich sehr, aber es ist ein erheblicher Aufwand. Wenn es nach mir ginge, würde ich das Kindergeld einkommensabhängig gewähren. Mit dem gesparten Geld der Besserverdiener könnten dann andere Dinge, wie das Schulessen oder Lernmittel finanziert werden. Auch die derzeitige Diskussion über die Höhe von Bürgergeld finde ich bedenklich. Wir haben immer noch eine große Armut in unserer Gesellschaft und so lange es Tafeln gibt, stimmt etwas nicht. Auch müssten unsere Beschäftigungsgesellschaften eine größere Rolle spielen, denn Beschäftigung ist wichtig für das Selbstwertgefühl von Menschen. Daher besser die Arbeit staatlich subventionieren, als die Arbeitslosigkeit.
Sie gehen nun mit einem Amtsbonus in die Wahl, also etwas gelassener?
Ich habe mehr Termine, aber ich bin in erster Linie Amtsperson und werde die nächsten Wochen nichts anderes machen als bisher. Ich bleibe mir treu und die Wählerinnen und Wähler haben das letzte Wort. Es geht natürlich bei der Direktwahl um mich als Person, es geht aber auch um die Region, um die Zukunft. Da kann ich nicht gelassen sein. Ansonsten gehe ich mit dem Amt demütig um. Ich bin zuversichtlich, aber nicht gelassen.
Manche sehen aufgrund der Vielzahl der Wahlen am 9. Juni so etwas wie eine „kleine Landtagswahl“. Beeinflusst das die Wahlen?
Man muss sich die regionalen Besonderheiten ansehen. In unserem Kreis gibt es auch Direktwahlen in Schiffweiler und in Merchweiler. In Merchweiler tritt der Amtsinhaber noch mal an, in Schiffweiler werden die Karten neu gemischt. Wahlergebnisse auf kommunaler Ebene haben immer etwas mit dem Engagement vor Ort zu tun und ob die Kandidatinnen und Kandidaten auch in der Region verankert sind. Hier spielt meiner Meinung nach die Bundespolitik eine eher untergeordnete Rolle.