Die Kandidatinnen und Kandidaten sind aufgestellt, die Listen abgestimmt. Die Wahlausschüsse haben entschieden, wer zugelassen ist und wer nicht. Damit ist alles bereit für den großen Wahltag im Saarland am 9. Juni.
Der Wahlkampf zeigt erste Konturen. Korrekterweise müsste es heißen: die Wahlkämpfe. Denn dem Saarland steht am 9. Juni ein Mammutwahltag bevor. In vielen Gemeinden und Städten werden sich Wählerinnen und Wähler durch fünf Wahlzettel durcharbeiten können. Es geht um Orts- und Gemeinde- beziehungsweise Stadträte, um Kreistage (und den Regionalverbandstag), um die Europawahl und schließlich in 22 Städten und Gemeinden auch um die Direktwahl des Verwaltungschefs beziehungsweise der -chefin.
Wobei das mit Chefin so eine Sache ist. Die anstehenden Direktwahlen sind deutlich überwiegend Männerduelle. Ausnahmen bestätigen diese Regel. Etwa im Regionalverband Saarbrücken, wo die SPD mit Carolin Lehberger eine Frau für die Nachfolge des ausscheidenden Peter Gillo ins Rennen schickt und die Grünen mit Anne Lahoda antreten. Oder Völklingen, wo sich Amtsinhaberin Christiane Blatt um eine zweite Amtszeit als Oberbürgermeisterin bewirbt.
Bei den Listen für Räte sieht das Bild schon etwas anders aus. Aber bis zu einer echten Geschlechterparität ist es noch ein Stück des Weges. Das hat auch etwas mit den Strukturen zu tun. Die ehrenamtliche Tätigkeit in Räten ist zeitaufwendig und vor allem sind Sitzungstermine nicht unbedingt familienfreundlich, was es insbesondere Müttern nicht gerade erleichtert, sich zu engagieren. Das ist keine neue Erkenntnis, und es gibt auch immer mal wieder Versuche, das zu ändern, was wiederum strukturell nicht so einfach ist. Zu den Ideen gehört etwa kommunale Gremiensitzungen in hybrider Form durchzuführen, also vor Ort und online, was teilweise in Coronazeiten als Ausnahme möglich war. Aber auch da lässt sich über das Für und Wider trefflich diskutieren. Möglicherweise wäre es eine Erleichterung – eine Lösung ist das sicher nicht.
Ziemlich geringer Frauenanteil bei Urwahlen
Immerhin ist die Arbeit in Räten trotz eines nachlassenden Interesses an (partei)politischer Betätigung im Saarland immer noch so attraktiv und reizvoll, dass es den beiden Volksparteien SPD und CDU nicht an Interessierten für die Listen mangelt. Was bei den kleineren Parteien durchaus etwas anders aussieht.
Das große Augenmerk richtet sich naturgemäß vor allem auf die Direktwahlen, immerhin 22 quer durchs Land. Vor Ort ist natürlich jede Wahl spannend, aber mit Blick auf das gesamte Land kristallisieren sich doch einige heraus, die eine gewisse symbolische Bedeutung haben und damit auch ein Stück weit auf die politische Atmosphäre wirken.
Da ist zum einen die Kreisstadt Homburg, wo sowohl in Stadt als auch im Kreis eine neue Spitze gewählt wird (siehe ausführlich in FORUM Ausgabe 14, „Saarland Spezial“). Spannend wird auch die Wahl in der „heimlichen Hauptstadt“ Saarlouis. Nachdem Amtsinhaber Peter Demmer aus Altersgründen nicht mehr antritt, wird es ein offenes Rennen zwischen Marc Speicher (CDU) und Florian Schäfer (SPD) geben. Hier geht übrigens mit Gudrun Bierbrauer-Haupenthal (FDP) auch eine Frau ins Rennen um den in diesem Fall dann Chefinnensessel im Rathaus. Dass der Bewerber der Freien Wähler, Altomaro Locurcio, nicht zugelassen wurde, hat eine erneute Diskussion um die Altersgrenze entfacht.
Locurcio wäre im Fall seiner Wahl bei Amtsantritt bereits 66, das saarländische Gesetz kennt aber eine Altersgrenze von 65. Eine Änderung war vor Jahren schon einmal in der Diskussion, als St. Wendels Langzeit-Bürgermeister Klaus Bouillon ein entsprechendes Alter erreicht hatte. Es blieb aber bei der bestehenden Regelung, es gab kein „Lex Bulli“, Klaus Bouillon machte stattdessen noch ein paar Jahre auf Landesebene als Innenminister weiter Politik. Sein Nachfolger in St. Wendel, Peter Klär, tritt nun für eine zweite Amtszeit an. Nach allgemeiner Einschätzung wäre alles andere als eine Wiederwahl in der CDU-Hochburg eine Sensation. Die würde gern Marc André Müller für die SPD schaffen. Für die Grünen geht Ex-Parteichefin Uta Sullenberger ins Rennen, für die FDP Tobias Decker.
Von politisch-symbolischer Bedeutung ist natürlich immer der Blick auf Saarbrücken, in diesem Fall genauer: auf das Saarbrücker Schloss, Sitz des Regionalverbandes. Dort steht mit dem Ausscheiden aus Altersgründen von Peter Gillo eine Neubesetzung an. Neben Carolin Lehberger (SPD) versucht es Ralph Schmidt (CDU) in einem zweiten Anlauf. Die Grünen (mit Anne Lahoda) und die FDP (mit Roland König) treten ebenfalls an. Auch die Linke zeigt mit Manfred Klasen, dass sie nach dem Absturz bei der Landtagswahl nicht völlig in der Versenkung verschwunden ist. Politisch-strukturell hat die SPD sicherlich eine bessere Ausgangsposition, für die CDU wäre es kein großer Beinbruch, wenn es ihr Kandidat nicht schaffen würde. Aber allen ist noch bewusst, wie die letzte Oberbürgermeisterwahl in der Hauptstadt gelaufen ist, bei der Uwe Conradt einen Überraschungssieg für die CDU erzielen konnte.
Überraschend war vor knapp fünf Jahren auch die Direktwahl von Ulli Meyer (CDU) in St. Ingbert. Dort steht diesmal keine Direktwahl an, der Oberbürgermeister hat jetzt die Halbzeit seiner Amtszeit erreicht. Und St. Ingbert mausert sich immer mehr zu dem, was man dort immer schon als Idee hatte, nämlich eine Art kleines Sillicon Valley im Saarland zu werden. Die Entscheidung, dort den Sitz des CISPA, dem Helmholtz Institut für IT-Sicherheit, anzusiedeln, ist nach seinen Worten eine „Jahrhundertchance“ für die Stadt.
So eine Chance würde man sich sicherlich auch in Völklingen wünschen. Die Stadt kämpft nach wie vor mit den Folgen des großen Strukturwandels, während Saarstahl mitten in der nächsten großen Transformation steht. Aus Sicht von Oberbürgermeisterin Christiane Blatt (SPD) hat sich einiges entwickelt, manches nicht so schnell, wie sie es sich in erster Amtszeit gewünscht hätte, weil für viele Ideen schlicht das Geld fehlt. Daran will sie weiterarbeiten und bewirbt sich folglich für eine zweite Amtszeit.
Die strebt auch der Landrat Sören Meng im Kreis Neunkirchen an. Mit einer ziemlich dynamischen Entwicklung im Landkreis geht Meng mit einem gewissen Amtsbonus in den Wahlkampf. Das mit der dynamischen Entwicklung sieht sein Herausforderer Markus Groß (CDU) allerdings etwas anders.
Interessant wird wohl auch die Wahl in Dillingen. Franz-Josef Berg hört nach 20 Jahren als Chef im Rathaus auf. Dort wird es einen Generationenwechsel geben. CDU und SPD haben mit Christian Finkler und Gerrit Müller jeweils zwei Kandidaten im Alter von Mitte 30 aufgestellt.
Kommunal- und erst recht Direktwahlen werden mit den Themen und vor allem den Persönlichkeiten vor Ort entschieden. Trotzdem finden sie natürlich nicht im luftleeren Raum statt. Sie sind immer auch ein Stück weit Ausdruck der politischen Atmosphäre insgesamt und in gewisser Weise Standortbestimmung für die Parteien im Land. Eine Standortbestimmung hat die AfD schon vorab abgegeben. Sie kann weder in der Landeshauptstadt noch im Regionalverband gewählt werden. Die Partei ist intern mit persönlichen Grabenkämpfen so heillos zerstritten, dass sie jeweils zwei Wahllisten eingereicht hat, was von den Wahlausschüssen als unzulässig abgewiesen wurden.
Ansonsten bleibt es bei den bekannten Ausgangslagen. Zwei Jahre nach der Landtagswahl und damit fast zur Hälfte der Legislaturperiode geht es auch um Ausgangspositionen, bekanntlich ist nach der Wahl auch vor der Wahl. Dass dürfte aber vor allem Politstrategen und Kommentatoren bewegen. Für Wählerinnen und Wähler geht es am 9. Juni erstmal darum, die Weichen für die Entwicklung in ihrem Ort, ihrer Gemeinde oder Stadt und ihrem Kreis zu stellen. Und mit der gleichzeitigen Europawahl schon allein durch Wahlbeteiligung zu zeigen, dass der europäische Gedanke hier eine besondere Dimension hat.