Die Kriege und Krisen in der Ukraine, in Nahost und Ostasien hängen zusammen
Das 61-Milliarden-Dollar-Hilfspaket der Amerikaner für Kiew könnte die Dynamik des Ukraine-Krieges drehen – zumindest vorläufig. Die Ukraine war aufgrund von fehlender Luftabwehr und abgebrannten Munitionsbeständen den massiven russischen Angriffen zuletzt fast schutzlos ausgeliefert. Die vom US-Kongress gebilligte Finanzspritze kann nun die Widerstandskraft des Landes entscheidend erhöhen.
Der Ukraine-Krieg vor den Toren der Europäischen Union ist jedoch kein rein regionaler Waffengang. Er ist mit zwei weiteren Krisenzonen verbunden: mit dem Konflikt zwischen Israel und dem Iran sowie mit den zunehmenden Spannungen in Ostasien rund um Chinas wachsenden Machtansprach. Die Kriege und Krisen stehen in Wechselwirkung.
So wird Russland im Ukraine-Krieg von einer Achse der Autokraten gestützt, die vom Iran über die Volksrepublik bis nach Nordkorea reicht. Nach Angaben westlicher Sicherheitskreise hat Russland 1.500 Kampfdrohnen sowie mehrere Hundert ballistische Raketen iranischer Bauart gegen die Ukraine eingesetzt. Die Kamikaze-Drohnen können in Schwärmen angreifen und sollen die Luftverteidigungssysteme der Ukraine verschleißen.
Der Iran erhält im Gegenzug militärisches Know-how und Rüstungsgüter aus Moskau. Teheran hatte im November von Russland SU-35 Kampfjets und Mi-28H Kampfhubschrauber gekauft. Eine erste Lieferung soll angeblich bevorstehen, was jedoch durch iranische Medien zunächst dementiert wurde.
Große Sorge bereitet dem Westen Chinas Unterstützung für Russland. Offiziell erklärt sich die Volksrepublik zwar als neutral. De facto hat Peking aber die russische Invasion in die Ukraine nie verurteilt und spricht vielmehr von einer „felsenfesten Beziehung“ zu Moskau.
Tatsache ist: Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat sich der wirtschaftliche Austausch und die strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern vertieft. Die Volksrepublik bezieht vor allem billiges Öl aus Russland. Die Amerikaner und Europäer befürchten, dass China im großen Stil Dual-Use-Güter an Russland verschickt – also Waren, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können, zum Beispiel Halbleiter. Peking sei der Hauptlieferant von Komponenten der russischen Rüstungsindustrie, warnte US-Außenminister Antony Blinken.
China hat zweifellos ein Interesse daran, dass der Westen seine Energien durch die Unterstützung der Ukraine erschöpft. Sollte Kremlchef Wladimir Putin mit seinem Einmarsch in die Ukraine durchkommen, sähe Peking darin eine Blaupause für eine „friedliche Wiedervereinigung“ mit dem demokratischen Inselstaat Taiwan. Seit Jahren reklamiert die Volksrepublik die rohstoffreichen Gewässer des Südchinesischen Meers immer aggressiver für sich. Das Militärbündnis zwischen den USA, Australien und Großbritannien im Pazifik (AUKUS) wird als feindliche Allianz deklariert.
Auch Nordkorea flankiert Putins Krieg gegen die Ukraine. Nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes schickt Diktator Kim Jong-un Munition und Kurzstreckenraketen nach Russland und bekommt dafür Öl.
Die Achse der Autokraten zwischen Russland, dem Iran, China und Nordkorea ist nicht nur ein Zweckbündnis zur Verfolgung eigener Interessen. Dahinter steckt ein ideologisches Bündnis zur Neuordnung der Welt. Der gemeinsame Feind ist der Westen rund um die Führungsmacht Amerika. Es ist eine breite Ablehnungs-Front gegen Demokratie, Marktwirtschaft, Regeln des Völkerrechts sowie Menschenrechte.
Russland sieht sich in der Ukraine im Krieg mit den Vereinigten Staaten und der Nato. Das Mullah-Regime kämpft im Nahen Osten gegen den „großen Satan“ (USA) und den „kleinen Satan“ (Israel). China betrachtet Amerika und die Nato als Eindringlinge in die selbst beanspruchte Machtsphäre Indo-Pazifik. Nordkorea wittert eine weltweite Verschwörung gegen sich, die angeblich vom XXL-Drahtzieher Washington orchestriert wird.
Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler wertet die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten als Übergangsphase zu einer neuen Weltordnung mit mehreren Machtzentren. Die Zeit der USA als Ordnungsmacht gehe ihrem Ende entgegen. Wenn Europa in dieser geopolitischen Transformation nicht nur Zaungast sein will, muss es sich mental, wirtschaftlich und militärisch neu aufstellen. Die Zeit drängt.