Schon als Kind passte Andrea Glomba auf die Kaulquappen im Teich auf. Heute betreibt die 45-Jährige mit ihrem Lebensgefährten einen Gnadenhof. Dabei hilft die ehemalige Rennreiterin auch so manchem Greifvogel aus der Patsche.

Eigentlich wollte Andrea Glomba an ihrem letzten Urlaubstag ausschlafen. Doch daraus wurde nichts. Um 7.30 Uhr, erzählt sie, habe die Stadt St. Ingbert angerufen. Dort hatte man einen Greifvogel entdeckt, der nur noch auf dem Boden saß. Die Expertin wusste sofort: Das ist kein normales Verhalten. Also fuhr sie hin, packte die Eule vorsichtig ins Auto und brachte sie zu einer Wildvogel-Auffangstation. Glomba vermutet, dass das relativ junge Tier lediglich zu wenig gefressen hatte und deshalb relativ schnell wieder aufgepäppelt werden kann. Neben Rathausmitarbeitern rufen bei der 45-Jährigen auch Privatpersonen, Polizisten und Feuerwehrleute an, wenn sie ein hilfloses Tier finden. Ein Gerichtsvollzieher, der eine Wohnung räumte, hat sich ebenfalls schon gemeldet. Und die für die Bahn zuständige Bundespolizei: Ein Greifvogel hatte sich an Weihnachten 2021 in einer Lok-Kupplung verheddert. Glomba unterbrach das Festtagsessen und eilte zu Hilfe. Der mit Öl verschmierte Mäusebussard hatte nur eine leichte Gehirnerschütterung und konnte gerettet werden – ebenso wie die beiden jungen Nymphensittiche, die vor einigen Jahren im Karton vor der Haustür abgestellt wurden. Einige ihrer Schützlinge haben schon viel durchgemacht: Sie wurden ausgesetzt, misshandelt oder vernachlässigt. Nun genießen sie ein sorgenfreies und möglichst artgerechtes Leben – zum Beispiel im idyllischen Teich, auf der saftigen Weide oder in der großen Vogelvoliere.
Mäusebussard mit Gehirnerschütterung

Das zwei Hektar große Freigelände hinter dem Wohnhaus im Riegelsberger Ortsteil Walpershofen ist nicht nur Auffangstation, sondern auch Gnadenhof. Glomba betreibt ihn gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten – ehrenamtlich, in der Freizeit. Sie ist Postbotin, ihr Freund hat ebenfalls einen Vollzeitjob. Die beiden verwöhnen ihre Tiere mit Streicheleinheiten und aufmunternden Worten. Und natürlich kommt das Füttern nicht zu kurz. Vor einem kleinen Rundgang steckt Andrea Glomba schnell noch zwei Karotten ein. Sie sind vorgesehen für Sid, eine Biberratte, die irgendwo auf dem Gelände unterwegs ist. Am Teich werden wir von einem Ganter begrüßt. Er sollte eigentlich geschlachtet werden, nachdem er zwei Geschlechtsgenossen getötet hatte. In seinem neuen Domizil verhält er sich friedlich. „Jetzt schauen wir, dass wir noch ein Mädchen für ihn finden“, sagt Glomba. Eine der Enten, mit denen sich die männliche Gans den kleinen Weiher teilt, hat einen abstehenden Spreizflügel. „Das ist nur ein Schönheitsfehler“, sagt die Tierfreundin. Bei ihr muss niemand gut aussehen, sie akzeptiert jeden so, wie er ist. Das gilt auch für die etwas zerzausten Hühner. Sie wurden vom Vorbesitzer im Käfig gehalten. Jetzt genießen sie es, an der frischen Luft und auf Naturboden herumzuflattern. Auf dem Rückweg nimmt Glomba ein Hühnerei mit, das sie gefunden hat. „Für den Nudelsalat“, sagt sie. Oder für die Krähen. Manchmal bekommen die Eier auch die Hunde. Oder sie überlässt sie dem Fuchs, der um das mit Elektrozäunen gesicherte Gelände herumstreunt. Wo sich Tiere wohlfühlen, da wollen sie sich vermehren. Bei den Hühnern und den Vögeln ist die Geburtenkontrolle einfach, man sammelt die Eier ein. Bei den anderen Tierarten muss der Tierarzt ran. „Was kastriert werden kann, wird kastriert“, versichert Glomba.
Zu fast allen Tieren gibt es eine Geschichte

Einige Tiere bedanken sich für die Fürsorge, indem sie sich nützlich machen. „Das sind unsere Rasenmäher“, sagt die Saarländerin mit Blick auf die zutraulichen Zwergschafe. Ist ein Teil der Wiese abgegrast, wird der Zaun versetzt und der nächste Bereich ist an der Reihe. Da auch Brombeerhecken auf der Speisekarte der Schafe stehen, droht keine Verbuschung. Zu fast allen Tieren kann Andrea Glomba eine Geschichte erzählen. Die Fische zum Beispiel stammen aus einem Teich, der zugeschüttert werden sollte. Obwohl er nur noch wenig Wasser enthielt, brauchte die Riegelsbergerin fünf Stunden, bis alle Tiere gerettet waren. Neue Bewohner werden sich demnächst zu den Vögeln in der selbst gebauten Voliere gesellen. Glomba übernimmt 22 Zebrafinken, die eine andere Tierschützerin wegen einer Allergie abgeben muss. Nachts seien ihre Vögel meist ruhig, erklärt die Fachfrau. Nur ein Nymphensittich wache manchmal auf und pfeife dann die Melodie der Fernsehserie „The Addams Family“. Doch die Nachbarn beschweren sich nicht. Sie sind froh, dass nebenan eine Tierexpertin wohnt, die sie um Rat fragen oder um Hilfe bitten können. So wie damals, als sie im Haus eine wilde Schlange entdeckten. „Es war dann aber doch nur eine harmlose Ringelnatter“, erinnert sich Glomba schmunzelnd.
Gegen Ende der Runde bekommen noch die acht Hunde ihre Leckerli. Zur munteren Meute gehört auch Bobby. Er lebt bei Glomba, weil sein Vorbesitzer mit ihm nicht klarkam: Bobby hatte andere Hunde und Menschen gebissen. Gemeinsam mit seinen Kollegen macht er sich über die leckeren Häppchen her. Nur der kleine Ricky hält sich zurück. Mehr als das Fressen interessieren ihn die fremden Menschen, die das Frauchen im Schlepptau hat. Neugierig springt er an den Besuchern hoch und lässt sich streicheln. Von Biberratte Sid findet sich während des Rundgangs keine Spur. Ebenso wenig wie von den Wasserschildkröten, die sich während ihrer Winterstarre auf dem Gelände verstecken. Die Landschildkröte Felix hingegen überwintert im Kühlschrank. Die konstanten Temperaturen dort sichern ihm einen erholsamen Schlaf.
Fast alles wird aus eigener Tasche bezahlt
Manche Beherbergungsanfragen muss Andrea Glomba ablehnen. Esel und Alpakas zum Beispiel kann sie nicht aufnehmen. Dafür fehlt der Platz. Außerdem würden die Futterkosten ihr Budget übersteigen. Der Gnadenhof macht nicht nur viel Arbeit, die Betreuung der Bewohner ist auch teuer. Die Tierfreundin und ihr Lebensgefährte zahlen fast alles aus eigener Tasche, Geld- und Futterspenden sind deshalb willkommen. Zum Leben auf einem Gandenhof gehört natürlich auch das Sterben. Vor zwei Wochen mussten sich die beiden von einem alten Nymphensittich verabschieden. Als er nur noch auf dem Boden saß, wusste seine Besitzerin, dass es bald zu Ende geht. Glomba ist es wichtig, dass ihre Schützlinge in ihrer gewohnten Umgebung sterben dürfen. Natürlich fällt es ihr bei einem Hund, der sie in der Wohnung begleitet, schwerer loszulassen als bei einem der 80 Wellensittiche. Traurig ist sie aber auch beim Tod eines Vogels: „Es ist immer schade, wenn ein Tier stirbt.“

Schon als Kind achtete Glomba darauf, dass der Tümpel, in dem die Kaulquappen schwammen, nicht austrocknete. Mit acht Jahren bekam sie einen Hamster geschenkt. Doch bald faszinierten das Mädchen größere Tiere. „Pferde waren schon immer mein Traum“, erzählt die Tierfreundin. Mit ihnen wollte sie sich nicht nur in ihrer Freizeit beschäftigen. Deshalb machte sie eine Ausbildung zur Pferdewirtin, Schwerpunkt Rennreiten. „Ich war klein, leicht und mutig“, erzählt Glomba. Bis 2015 ging sie in rund 1.000 Rennen an den Start, über 100-mal überquerte sie die Ziellinie als Siegerin. Wie alle Rennreiter ließ sie ihre Kollegen vor dem ersten Einsatz auf neuen Stiefel und Hosen herumtrampeln. „Sonst macht es das Pferd beim Rennen“, befürchten die etwas abergläubischen Sportler. Ganz ohne Blessuren ging es dann aber doch nicht ab. Während ihrer Karriere hatte Glomba einen Schlüsselbeinbruch, einen Armbruch und einen Leberriss. „Außerdem mehrere Rippen- und Zehenbrüche.“ Nach einer unliebsamen Bekanntschaft mit einem Zementpfosten brach sie sich den Mittelfußknochen. An Rennen sei in der nächsten Zeit nicht zu denken, erklärten die Ärzte im Krankenhaus. Glomba versuchte trotzdem, den lädierten Fuß in den Stiefel zu quetschen. Als dies gelang, ging sie an den Start und gewann das Rennen. „In Rekordzeit“, erinnert sich die ehemalige Rennreiterin. Auch nach ihrer aktiven Laufbahn reitet sie noch zwei- bis dreimal in der Woche mit einem Ex-Galopper aus. Außerdem bastelt sie gerne, zum Beispiel Schmuck aus Tierhaar. Und einmal im Jahr fährt das Paar mit dem Wohnwagen in Urlaub – die Hunde kommen mit. „Um die Tiere zu Hause kümmern sich dann Freunde“, sagt Andrea Glomba.