Die AfD-Propaganda entzieht sich der klassischen Vorstellung von politischer Kommunikation
In regelmäßigen Abständen wird erklärt, dass es notwendig ist – gerade in Zeiten des Wahlkampfes – Rechtsextremisten wie den AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke in öffentlichen Interviews, im Regelfalle im Fernsehen, zu „stellen“. Dies sei, so das Argument, die ideale Gelegenheit, um die Positionen der rechten Populisten argumentativ auseinanderzunehmen und die Fragwürdigkeit ihrer Forderungen vor den Augen aller offenzulegen. Dementsprechend sei dies die richtige Vorgehensweise, um dafür zu sorgen, dass solche Ideen keine weitere Verbreitung finden, Anhänger sich die Sache noch einmal überlegen oder andere, die mit dem Gedanken an eine Stimmabgabe für die AfD liebäugeln, davon abgebracht werden.
Das ist leider Blödsinn. Ich würde gerne ein anderes Wort wählen, ein wohlgesetztes, eines, das weniger deutlich ausdrückt, was von diesem Argument zu halten ist, aber auch nach längerem Nachdenken ist mir keines eingefallen. Es ist Blödsinn. Warum? Weil man tatsächlich mit einer solchen Vorgehensweise exakt das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen möchte.
Die Propaganda des organisierten Rechtsextremismus in Deutschland – übrigens überall in der Welt, wo er virulent geworden ist – entzieht sich in ihrer Strategie nämlich den klassischen Vorstellungen politischer Kommunikation und Auseinandersetzung, denen die Befürworter der obigen Vorgehensweise noch anhängen. Der politische Gegner ist für diese Menschen niemand, mit dem man sich auseinandersetzt, man beschimpft ihn. Das andere politische Programm ist nichts, dem man argumentativ entgegentritt, man überhäuft es nur mit Halbwahrheiten, Verdrehungen und Lügen, um negative Emotionen zu schüren, am besten sogar Hass.
Hass ist der Treibstoff des Rechtsextremismus, es ist Hass, der die Reihen der eigenen Gefolgsleute eng geschlossen hält und so attraktiv für alle ist, die außer diesem Gefühl nicht mehr viel anzubieten haben. Öffentliche Auftritte, und dazu gehören auch diese Interviews, sind Arenen und der Politiker vom Schlage eines Höcke nicht mehr als ein Gladiator, der in alle Richtungen austeilt und der Effekte erzielt, völlig unabhängig davon, ob er ein Argument vorbringt oder jemand anders es widerlegt. Er ist eine Projektionsfläche für alles, was seine Unterstützer ablehnen, was sie hassen, und er will nicht mehr, als diese Projektion zu stärken und attraktiver zu machen.
Dabei ist jeder argumentatorische „Sieg“ nur ein weiterer Beitrag zu seiner Strategie, sich als „Underdog“, als jemand, der vom „System“ niedergehalten werden soll, zu stilisieren. Es gibt in einer öffentlichen Debatte, selbst in einer, in der jemand wie er permanent argumentatorisch widerlegt wird, daher nur einen Sieger: den Widerlegten.
Kein Interview, keine ernsthafte Argumentation, schadet dem Rechtsextremismus. Man kann einen rechten Populisten nie „stellen“, da Argumente ihm niemals schaden werden. Jede scheinbare Niederlage, jede Richtigstellung ist ein Triumph für ihn, dient als Treibstoff für die eigene Erzählung vom aufrechten Kampf um die gute Sache – auch wenn diese Sache nur aus Hass und Ablehnung besteht. Diese Politiker in eine öffentliche Auseinandersetzung zu laden, dient allein ihnen, sie nützt sonst niemandem. Und wenn es ihnen gar gelingt, medial besser rüberzukommen als die demokratischen Widersacher, ist der Schaden gleich doppelt angerichtet.
Es gibt nur eine Möglichkeit, einer solchen Diskussion einen Nutzen abzugewinnen: wenn die demokratischen Vertreter genauso populistisch auftreten, genauso emotional manipulativ, genauso rücksichtslos und radikal. Vielleicht für eine bessere Position, aber mit der gleichen Vorgehensweise und Rhetorik. Das kann man machen. Es hat aber dann nichts mehr damit zu tun, Argumente auszutauschen und Sachfragen zu diskutieren. Dann hat man nur noch eine Schlammschlacht – und auch die wird man von rechter Seite im Zweifel ebenfalls gewinnen.