Auch wenn er kein klassischer Tänzer gewesen war, so gilt Fred Astaire doch als berühmtester Vertreter seiner Zunft. Er hatte in Hollywood einen wesentlichen Anteil daran, das Genre des Tanz- und Musikfilms zu einem Kassenschlager zu machen. Dieser Tage wäre er 125 Jahre alt geworden.
Mit frischem Ruhm ausstaffiert, den er sich mit seiner Rolle des Schriftstellers Guy Holden in der erfolgreichen, 1932 angelaufenen Musical-Komödie „Gay Divorce“ am Broadway erworben hatte, machte sich Fred Astaire frohen Mutes zu Probeaufnahmen auf gen Hollywood. Doch obwohl er schon seit 1917 auf diversen Revue-Bühnen am Broadway oder auch in London seine leichtfüßigen Performances mit dem Stepptanz als seinem persönlichen Markenzeichen vor einem begeisterten Publikum hingelegt hatte, wartete in der Traumfabrik eine böse Überraschung auf ihn. Der Hollywood-Agent, der ihn beurteilte, hielt in Astaires Personalakte fest: „Kann nicht singen. Kann nicht spielen. Neigt zur Glatze. Kann ein bisschen tanzen.“
RKO Pictures erkannte sein Star-Potenzial
Ein Stimmwunder war Fred Astaire fraglos nicht, was ihm auch selbst durchaus bewusst war. Dennoch absolvierte er seine Gesangsparts stets ohne Stimm-Doubles. Äußerlich standen dem damaligen Schönheitsideal große Ohren und Hände, eine breite Stirn, wenige Haare und ein spitzes Kinn entgegen.
Das selbstbewusste Auftreten auf der Bühne und das Hineinschlüpfen in verschiedene Rollen hatte Astaire hingegen längst gelernt. Von seinem tänzerischen Talent ganz zu schweigen. Zusätzlich hatte er sich einige Jahre zuvor mit Hilfe eines Freundes, des britischen Schriftstellers und Komponisten Noël Coward, auch das Klavierspielen selbst beigebracht.
Ihm jegliches schauspielerische Talent abzusprechen, kann also getrost als Fehlurteil eingestuft werden. Zumal das Konzept des brandneuen Genres Musikfilm, der auch als Filmmusical oder Musicalfilm bezeichnet wurde, zunächst einmal lediglich darin bestand, die Prinzipien der damals mega-angesagten Revue-Shows auf die Kinoleinwand zu übertragen. Von daher war Fred Astaire eigentlich sogar die Idealbesetzung für den Hollywood-Musikfilm, der zwischen den 1930er- und 1950er-Jahren boomte und neben historisch-biografischen Streifen zum Kassenschlager wurde. Ausgerechnet RKO Pictures, das kleinste der damals als „Big Five“ titulierten sogenannten Major-Studios in Hollywood, erkannte 1933 das Star-Potenzial Astaires und nahm ihn unter Vertrag.
Sein Leinwanddebüt gab Astaire noch im gleichen Jahr – allerdings bei MGM, wohin ihn RKO für das Filmmusical „Ich tanze nur für Dich“ ausgeliehen hatte. Obwohl Astaire eigentlich nur eine Nebenrolle an der Seite von Joan Crawford und Clark Gable übernehmen durfte, mit dem er künftig als eleganter Dressman in Frack, Zylinder oder weißer Krawatte um den Rang des bestangezogenen Schauspielers in Hollywood-Streifen konkurrieren sollte, trug sein tänzerischer Revue-Teil doch erheblich zum kommerziellen Erfolg des Films bei. „Dancing Lady“, so der Originaltitel, war der Auftakt für Astaires große Hollywood-Karriere, die erst 1981 mit dem Horrorfilm „Zurück bleibt die Angst“ endete. Die Mehrzahl seiner rund 40 Kinofilme gehörte zum Musikfilm-Genre, das er grundlegend mit seiner Tanzkunst und seinen choreographischen Ideen prägte.
Fünfter Platz unter Amerikas Filmlegenden
Erst gegen Ende der 1950er-Jahre verabschiedete er sich komplett von der Tanzerei. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Genre ohnehin stark an Popularität verloren und Astaire wollte sich neuen schauspielerischen Herausforderungen stellen. Seine erste dramatische Rolle übernahm er 1959 als Autorennfahrer im Science-Fiction-Opus „Das letzte Ufer“. Zuvor wirkte er 1974 am Actionstreifen „Flammendes Inferno“ mit , was ihm mit der Verkörperung der Figur des vermeintlichen Wertpapierhändlers Harlee Claiborne sogar eine Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller einbrachte.
Auch dem Medium Fernsehen schenkte er ab den 1960er-Jahren immer stärkere Aufmerksamkeit. Auf deutschen Mattscheiben war er vor allem in der Rolle des Vaters von Meisterdieb Al Mundy in der Serie „Ihr Auftritt Al Mundy“ präsent. Als Anerkennung für seine Verdienste um den Musik- und Tanzfilm wurde ihm 1950 der Ehren-Oscar verliehen. 1981 verlieh ihm das American Film Institute zudem einen Lifetime Achievement Award. 1999 setzte es ihn posthum im Ranking der 25 größten männlichen Legenden der amerikanischen Filmgeschichte auf den bemerkenswerten und für viele sicherlich unerwarteten fünften Platz.
Schon 1947 hatte er die Fred Astaire Dancing Studios Corporation als Basis für eine ganze Kette von Tanzstudios gegründet. Auch als Schallplattenproduzent versuchte Fred Astaire sein Glück. Doch die aus den Choreo Records hervorgegangenen AVA Records blieben nur eine kurze Episode zwischen 1961 und 1965. Wobei Ava der Name seiner Tochter war, die ebenso wie sein Sohn Fred aus seiner 1933 geschlossenen Ehe mit der knapp zehn Jahre jüngeren New Yorker Promi-Lady Phyllis Baker Potter hervorgegangen war, die den Sohn Peter aus einer früheren Liaison ins Familienleben mit eingebracht hatte. Bis zu ihrem frühen Tod 1954 lebte sie mit Fred Astaire in einer schönen Villa in Beverly Hills. Astaires Privatleben blieb zeitlebens frei von jeglichen Skandalen. Alleine seine zweite Heirat 1980 im Alter von 81 Jahren mit der mehr als 40 Jahre jüngeren Robyn Smith, die als Profi-Jockey natürlich die Leidenschaft Astaires zu Pferden und Rennbahnen teilt, sorgte für etwas öffentliches Aufsehen.
Schon mit vier Jahren Ballettunterricht
Unter dem Namen Frederick Austerlitz hatte der spätere Hollywood-Star am 10. Mai 1899 in Omaha im Bundesstaat Nebraska das Licht der Welt erblickt. Die Eltern hatten für ihren Sohn und die etwas ältere Tochter Adele ganz gezielt eine Laufbahn im Showgeschäft ins Auge gefasst. Schon im Alter von vier Jahren wurde Frederick bei einer örtlichen Ballettschule angemeldet und trar schon wenig später gemeinsam mit seiner Schwester in Provinztheatern auf. 1904 zog die Mutter mit ihren beiden Kindern nach New York, um sie dort in den Studios von zwei renommierten Tanz- und Ballett-Lehrern, Claude Alvienne und Ned Wayburn, weiter drillen zu lassen. Schon im Alter von sieben Jahren soll Frederick im Duett mit seiner Schwester auf New Yorker Bühnen gestanden haben, wobei die beiden Kinder in den folgenden Jahren die harte Ochsentour durch die florierende Vaudeville-Szene auf sich nehmen mussten.
Mit etwas Glück konnte von dort der Sprung zum Broadway gelingen. Was das Geschwisterpaar 1917 mit der Musical-Revue „Over the top“ tatsächlich schaffte. Mit 78 Aufführungen wurde das Stück ein Riesenerfolg und bescherte den beiden tanzenden Jung-Profis in den folgenden Jahren weitere gefeierte Musical-Engagements am Broadway. Beispielsweise in „Lady be good“ 1923, „Smiles“ 1930 oder „The band wagon“ 1931. Aber auch Gastspiele der jeweiligen Ensembles in London. Bereits 1915 standen beide gemeinsam in dem Stummfilm „Fanchon the cricket“ vor der Kamera. Wann genau sich die Geschwister den Künstlernamen „Astaire“ – angeblich in Anlehnung an einen nahen Verwandten – zugelegt haben, ist unbekannt. Gesichert ist allerdings, dass sich die Schwester Adele nach der Eheschließung mit einem britischen Adligen 1932 aus dem Künstlerleben verabschiedete und Fred plötzlich ohne seine langjährige Tanzpartnerin dastand.
Ausgerechnet zum Start der erhofften Hollywood-Karriere musste sich Astaire somit eine Kollegin im Filmgeschäft suchen. Schon in seiner zweiten Kinoproduktion mit dem Titel „Carioca“ 1933, im englischen Original „Flying down to Rio“, spielte sein künftiger weiblicher Gegenpart namens Ginger Rogers in einer Nebenrolle mit. Das bis heute wohl bekannteste tanzende und singende Traumpaar der Filmgeschichte, das zwischen 1933 und 1938 gemeinsam neun Musikkomödien drehte, ließ die Kinokassen klingeln und machte RKO zu einem der wichtigsten Filmstudios.
Astaire starb im Alter von 88 Jahren an Folgen einer Lungenentzündung
Die Hinwendung Ginger Rogers’ zu ernsthafteren Genres und der Abschied Fred Astaires von RKO 1939 fielen in etwa zeitlich zusammen. Astaire wollte keine feste vertragliche Bindung an ein einzelnes Hollywood-Studio mehr eingehen, um sich fortan seine Engagements frei auswählen zu können. Sein Auftritt im Musikfilm „Blau ist der Himmel“/„Blue Skies“ an der Seite von Bing Crosby im Jahr 1946 wurde vor allem dank seiner legendären Darbietung des Songs „Puttin’ on the Ritz“ unvergesslich. Eigentlich wollte er sich mit diesem Streifen in den Ruhestand verabschieden. Obwohl er sich schließlich 1948 zu einem Comeback im Filmmusical „Osterspaziergang“ an der Seite von Judy Garland hatte überreden ließ, die neben Rita Hayworth oder auch Audrey Hepburn in „Ein süßer Fratz“/„Funny Face“ 1957 zu seinen bekanntesten Hollywood-Partnerinnen zählte, sollte „Blue Skies“ doch den Beginn des sukzessiven Rückzugs Astaires vom Tanzfilm einläuten.
Am 22. Juni 1987 verstarb die Tanzikone im Alter von 88 Jahren in Los Angeles an den Folgen einer Lungenentzündung.