Laut einer Studie könnte sich die Wertschöpfung in der deutschen Industrie durch generative Künstliche Intelligenz erhöhen. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch sehr unterschiedlich, sagt der Ingenieurwissenschaftler Prof. Ahmad Osman.
Herr Prof. Osman, in der Studie wird von einer erhöhten Bruttowertschöpfung für die deutsche verarbeitende Industrie gesprochen, in einer Höhe von 56 Milliarden Euro. Was bedeutet das denn genau?
Dahinter steht die Frage: Wofür ist der Einsatz der KI für Unternehmen nützlich? Die KI -Einsätze in Unternehmen in Deutschland sind aus meiner Sicht heutzutage essenziell, damit die Wertigkeit der deutschen Industrie nicht sinkt und auf internationaler Bühne mithalten kann. KI -Einsätze in Unternehmen führen zu einer Vielzahl von Wertschöpfungsbeiträgen. Sie kann automatisierte Routine-Aufgaben übernehmen. So entsteht eine Effizienzsteigerung durch Automatisierung von Aufgaben, die für uns Menschen manchmal repetitiv und langweilig sind. Die Bundesagentur für Arbeit nutzt heute schon KI zur Vermittlung von Arbeitslosen beispielsweise. Auch Unternehmen erfahren eine Produktivitätssteigerung durch von KI optimierte Prozesse und Abläufe. München optimiert seine Müllabfuhr mithilfe von KI: die digitale Ausstattung von Personen, Infrastrukturen und Maschinen erlaubt es, Personaleinsatz und Entsorgung sowie anschließend die Recyclingprozesse zu optimieren. Die Herstellungsindustrie wie die Automobilzulieferindustrie kann durch KI ihre Prozesse optimieren, indem beispielweise die passenden Bauteile „first time right“, das heißt also direkt beim ersten Mal ohne Nacharbeiten produziert werden. Das steigert die Qualität und senkt gleichzeitig die Kosten durch Fehlervermeidung. Wir arbeiten mit der Industrie an solchen Lösungen, zum Beispiel die KI-basierte Automatisierung für die Brennstoffzellenproduktion von Fahrzeugen. Wir reden in unserem Fall von computerbasiertem Sehen in Größenordnungen von zehn bis 20 Mikrometern. KI erlaubt aber auch neue Innovationen, die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen, neuen Materialien, zum Beispiel entwickelt BASF durch generative künstliche Intelligenz neue Materialien mit den gewünschten Eigenschaften.
Die EU hat die Lieferketten-Richtlinie gebilligt, sie wird nun verpflichtend für Unternehmen. Wo kann KI dort unterstützen?
Die Zahlen, die in der vorliegenden Studie erwähnt sind, überraschen mich nicht. KI in der Lieferkette einzusetzen ist eine sinnvolle Idee. Man kann zum Beispiel die Transportlogistik durch die Routenplanung optimieren, die Beschaffungsprozesse automatisieren. Lieferketten sind anfällig für Störungen wie Naturkatastrophen, politische Instabilitäten und so weiter. KI-Systeme analysieren oft auch Echtzeitdaten, um potenzielle Risiken zu erkennen und diesen präventiv oder proaktiv zu begegnen. Und natürlich können gewisse Prognosen, Extrapolationen oder Nachfrageprognosen durch Zugriff auf Verkaufsdaten, Markttrends und externe Faktoren gegeben werden. Das erlaubt natürlich eine bessere Planung der Produktion, optimale Bestandführung und auch Vermeidung von Über- oder Unterbeständen zum Beispiel.
Wie beurteilen Sie das Ökosystem für KI-Startups in Deutschland?
Das deutsche Ökosystem bietet einiges an Vorteilen für die deutsche KI-Startups, unter anderem auch die Forschungslandschaft. Wir haben hier das DFKI und weitere Keyplayer, die weltweit für ihre Leistungen anerkannt sind. Zum Beispiel die Universität in Freiburg hat in den letzten Jahren Schlüssel -Architekturen entworfen. Wir reden über Architekturen, die heute das Rückgrat für viele moderne Einsätze des Deep Learning sind. Man muss auch sagen, dass die öffentliche Hand langsam die Bedeutung von KI für die Zukunft der deutschen Wirtschaft erkennt und aktiv an der Förderung arbeitet. Zum Beispiel durch Existenzgründungen. Wobei wir feststellen, und auch das zeigt die vorliegende Studie, dass vorletztes Jahr das Verhältnis der Investoren etwas konservativer gegenüber Startups war. Ich glaube, da ist die geopolitische Lage Schuld. Allerdings ist die Investition in KI -Unternehmen aus meiner Sicht eines der sichersten Investmentfelder für die Zukunft. Ein weiterer Faktor ist ebenfalls auch die Großindustrie –Unternehmen und Konzerne in Deutschland, die offen für Innovationen sind und Kooperationen auch mit jungen Startups eingehen.
Und was sind aus Ihrer Sicht die Hemmnisse?
Nummer eins ist natürlich der Fachkräftemangel. Man spürt es gewissermaßen täglich, dass Nachwuchs oder qualifizierte KI -Fachkräfte im Markt zu finden sehr schwer ist. Das Angebot ist sehr, sehr knapp und der Wettbewerb ist immens. Zweitens, im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland nicht die Kultur der Risiko-Kapitalfinanzierung. Aber aus meiner Sicht muss man heute nicht mehr regional denken, wenn man ein Startup gründet, sondern sollte auch von Anfang an den Weltmarkt betrachten. Drittens die Bürokratie, auch Start -up Gründungen können relativ komplex und bürokratisch werden, im internationalen Vergleich haben es deutsche Gründerinnen und Gründer etwas schwerer.
Ein weiteres Thema in der Studie ist das Thema Data Sharing. Welche Vorteile bringt es Unternehmen, Daten auszutauschen, wo doch Daten oft als Teil des Geschäftsgeheimnisses betrachtet werden?
Daten sind der Treibstoff der künstlichen Intelligenz. Amazons Alexa wurde in Millionen Stunden trainiert. Die Frage ist, wer hat Zugriff auf solche Datenmengen. Egal wie gut mein Modell ist, ohne ausreichende Datenmengen kann ich keine qualifizierte KI-Performance erzeugen. Data Sharing für KI ist daher essenziell. Vor dem Trend zu Open Source hatte man viele Schwierigkeiten, Benchmarking zu betreiben. Es gab keine verfügbaren Datensätze, die man nutzen konnte, um zu ermitteln, welches Modell besser funktioniert. Bis zum Beispiel die Uni Stanford in den USA den ImageNet Datensatz offengelegt hat. Damit hat die Deep Learning Olympiade gestartet, wo Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, unter anderem Google, in Wettbewerb gegangen sind, um die Modelle mit den besten Genauigkeiten zu entwerfen. Ohne das Konzept von Data Sharing hätte sowas nicht stattgefunden und der aktuelle Trend der KI wäre vermutlich nicht so rasant. Daher ist frei verfügbarer Zugang zu Daten wichtig für die KI-Weiterentwicklung. Strenge Datenschutzgesetze wie in Europa und in Deutschland sensibilisieren allerdings auch Firmen für die Frage, wem eigentlich die Daten gehören. Es braucht Regeln und Normen, hier sind auf EU-Ebene viele Initiativen im Gange. Aber auch die technische Infrastruktur ist zum weiten Teil verbesserungsdürftig, um effizientes und sicheres Data -Sharing heute zu betreiben. Hier sind Initiativen und Verbände gefragt, auch Bürgerinitiativen, um zu sensibilisieren, wie wichtig Daten sind, weil es klar ist, dass man durch normierten und geregelten Zugang auf Data, sprich Data Sharing erhebliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile durch erfolgreichen Einsatz von KI in Deutschland erzeugen kann.