Die BR Volleys machen es spannend: Für seinen 14. Meistertitel benötigt der große Favorit die volle Länge der Finalserie gegen Erzrivale VfB Friedrichshafen.
Als das Banner mit seinem Konterfei unter die Hallendecke des Volleyball-Tempels Max-Schmeling-Halle gezogen wurde, musste der „Kommissar“ mit den Tränen kämpfen. Die feierliche Zeremonie zur Aufnahme in die „Hall of Fame“ der BR Volleys ließ Georg Klein nicht kalt – ganz im Gegenteil. „Dieser Moment ist unbeschreiblich und toppt fast den letzten Meistertitel“, sagte der einstige Mittelblocker, der heute bei der Berliner Polizei arbeitet: „Ich habe einige Spielhallen in Deutschland und Europa erleben dürfen, aber du findest nichts Vergleichbares. Es ist einzigartig, was wir hier in Berlin haben.“ Zu jenem Zeitpunkt, wenige Stunden vor dem Auftakt der diesjährigen Finalserie in der Volleyball-Bundesliga, war die Stimmung noch glänzend bei den Berlinern. Gemeinsam mit Klein schwelgten die Fans in Erinnerungen vergangener Tage und waren zuversichtlich, dass auch die Gegenwart glorreich sein wird.
Kommissar kämpfte mit den Tränen
Doch die Gäste des VfB Friedrichshafen entpuppten sich zunächst als Party-Crasher, ihr 3:2-Sieg im ersten Finalspiel stellte alle Prognosen auf den Kopf. Statt mit einem erwartbaren Auftaktsieg zu Hause den Grundstein für den achten Meistertitel in Folge zu legen, musste der Favorit gegen den Erzrivalen plötzlich einem Rückstand hinterherlaufen. Dass dieser dann im ersten Auswärtsspiel durch ein 1:3 noch mal anwuchs, machte die Mission Titelverteidigung ungleich schwerer. Jeder weitere Ausrutscher hätte in der Best-of-Five-Serie sofort die niederschmetternde, weil völlig unerwartete Niederlage für den Hauptrundengewinner bedeutet. Doch von Panik war beim großen Favoriten nichts zu spüren. „Es hat sich nichts geändert. Wir müssen nach wie vor drei Spiele gewinnen“, sagte Zuspieler Johannes Tille nach dem 0:2-Rückstand betont gelassen. Angreifer Tim Peters kündigte an: „Wir werden unser Herz auf dem Feld lassen.“ Und auch Volleys-Geschäftsführer Kaweh Niroomand gab nicht auf: „Am Ende wird das Team Meister, das mehr Widerstandskraft zeigt.“
Und die zeigten dann die Berliner. Obwohl auch drei Spiele danach hart umkämpft und die Sätze mitunter denkbar knapp verliefen, drehten die Volleys die Finalserie zu ihren Gunsten. Erst ein 3:1 zu Hause, dann auswärts ein 3:2 und schließlich das befreiende 3:0 vor 8.553 Zuschauern in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle am vergangenen Sonntag. Schon einmal war es dem Hauptstadtclub gelungen, einen 0:2-Rückstand im Finale noch wettzumachen. Im Jahr 2022 hieß der Gegner ebenfalls VfB Friedrichshafen, damals war es noch ein Novum in der Bundesliga-Geschichte gewesen. So eine Aufholjagd gelinge nur, „wenn man in den entscheidenden Momenten kämpft und zusammenhält“, meinte der australische Mittelblocker Nehemiah Mote. Auch für ihn war das diesjährige Finale unnötig spannend: „Das hätte leicht zugunsten unserer Gegner ausfallen können, der Unterschied zwischen den Mannschaften war minimal.“
Der dramatische Sieg schmeckt auch aus einem anderen Grund so süß. Mit dem 14. Meistertitel hat sich der Club zum alleinigen Rekordchampion gekürt, im anderen Fall hätten sich die Friedrichshafener (13 Titel) dieses Synonym verdient. Ihr Hunger auf den ersten Meistertitel seit 2015 war riesengroß, zumal die Berliner Dominanz für die Spannung in der Liga fast schon lähmend ist. Doch vor allem im fünften und letzten Spiel gab die Klasse des Berliner Kaders den Ausschlag. Die starken Leistungen im Finale ändern für VfB-Cheftrainer Mark Lebedew nichts, der im März verkündete Abschied zum Saisonende steht. Der Traditionsclub wolle seine „sportliche Führung und Ausrichtung neu strukturieren“, wie es in einer Mitteilung hieß. Lebedew zeigte mit seinem Coaching zum Saisonende, dass dies ein Fehler sein könnte. Ein triumphaler Abschied blieb ihm, der als Coach der BR Volleys von 2012 bis 2014 selbst dreimal Deutscher Meister geworden war, aber verwehrt. Dabei hatte der Australier vor dem Showdown mit den Berlinern betont: „Sie sind nicht unschlagbar.“
Friedrichshafen überraschte
Knackpunkt der Serie war zweifelsohne das dritte Spiel. Ein wichtiges Zeichen hatte der Kapitän schon vor dem Anpfiff gesetzt: Trotz einer im zweiten Spiel erlittenen Sprunggelenksverletzung stand Ruben Schott wieder im Kader – wenn auch sichtlich nicht in bester Verfassung. Doch allein dessen Präsenz und Erfahrung half den Berlinern. Einen Sahne-Tag erwischte vor allem Nationalspieler Tobias Krick. Der Mittelblocker erzielte nicht nur elf Punkte – fünf davon durch erfolgreiche Blocks – sondern zog seine Mitspieler auch mit seiner kämpferischen Einstellung mit. „Wenn ein Tobias Krick mehrfach quer zum Hallenboden in der Luft liegt, dann weißt du, dass Wille, Einsatz und Leidenschaft stimmen“, schwärmte Manager Niroomand über den 25-Jährigen. Krick war etwas überraschend für Timo Tammemaa in die Startformation gekommen – eine sehr gute Entscheidung von Trainer Joel Banks. Der Niederländer hoffte, dass mit dem ersten Punkt der Knoten endgültig gelöst sei: „Aus der Rückendeckung durch das Publikum konnten wir sehr viel Energie ziehen.“ Die hatte es auch gebraucht. Krick bestätigte, dass der Fehlstart am Selbstvertrauen der Spieler genagt habe: „Die letzten Tage waren echt schwierig. Wir sind nicht so selbstbewusst gewesen, nach den zwei Niederlagen.“
VfB-Trainer Lebedew gab unumwunden zu, dass die Berliner in Spiel drei „einfach besser gespielt“ hätten. Er setzte auf den Lerneffekt bei seinen Spielern, die einen ähnlichen Lösungsansatz suchten. „Wir werden gucken, was wir genau falsch gemacht haben, und werden versuchen, es beim nächsten Spiel besser umzusetzen“, sagte der erfahrene Marcus Böhme. Der 38-Jährige war sich sicher, dass sich bei Friedrichshafen nach dem ersten Rückschlag in der Finalserie keine Verunsicherung breitmachen werde: „Ich glaube, wir sollten uns nicht verunsichern lassen, nur weil Berlin zu Hause mal ein Spiel gewonnen hat.“ Von Verunsicherung war beim Team vom Bodensee auch nichts zu spüren, doch in wichtigen Szenen hatten sie danach oft entweder kein Glück oder die Angriffe der nun stärker werdenden Berliner waren zu gut zu Ende gespielt.
Dass die Friedrichshafener den Berlinern so viel Paroli bieten konnten, überraschte. Die Vorrunden schloss das Team vom Bodensee nur als Dritter ab, im Halbfinale benötigte es fünf Duelle, um sich am Ende hauchdünn gegen die Grizzlys Giesen mit 3:2 durchzusetzen. Die Berliner hatten dagegen in ihrem Halbfinale gegen die SVG Lüneburg keine Probleme und fertigten den Außenseiter mit 3:0 ab. Dadurch hatten sie sich ein paar extra freie Tage zur Regenration verdient – vielleicht war auch das ein Grund des Stotter-Starts. Den Berlinern fehlte es in den ersten beiden Spielen gegen Friedrichshafen sichtlich an Rhythmus, viele vermeidbare Fehler bei der Annahme und im Aufschlag unterstrichen dies. Doch am Ende setzte sich die größere Qualität im Kader durch. Bei Friedrichshafen hätten sich in den Finalspielen „immer mal einzelne Spieler besonders hervorgetan“, sagte Volleys-Manager Niroomand und nannte Michal Superlak und Tim Peter als Beispiele. „Bei uns ist die Last gleichmäßiger auf die ganze Mannschaft verteilt.“ Das hat den Vorteil der Ausgeglichenheit, das Spiel ist für den Gegner zudem weniger ausrechenbar.