Das Festival Perspectives präsentiert deutsch-französische Bühnenkunst unterschiedlicher Genres. Die Interimsausgabe findet vom 16. bis zum 25. Mai statt. Ein selektiver Ausblick auf das Programm.
Gute Nachrichten: Die Interimsausgabe wird ein Festival, wie wir es kennen – ohne Abstriche. Zwölf Gastspiele, eine ausgewogene Mischung aus Zirkus, Theater, Tanz, Musik, Kino, außerdem ein Workshop und eine Ausstellung. Obendrein: Eine neue Festivalchefin ist mit Kira Kirsch gefunden.
Ein schöner Sparten-Mix
Die saarländische Landesregierung, die Landeshauptstadt Saarbrücken, das Département Moselle und die Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit sind seit langem Träger des Kulturfestes der Großregion. Mit Sylvie Hamard hatte man mehr als 15 Jahre eine versierte und verlässliche Festivalleiterin an Bord. Nach ihr verließen ebenso Martha Kaiser und Marion Touze das Festival. Célia Galiny und Frieda Maas, auch zum Festival-Team zählend, präsentierten kürzlich die Interimsausgabe 2024.
Man setzt mehrfach auf Bewährtes. Ensembles, die bereits das Publikum in Vorjahren begeistert hatten, beispielsweise „Berlin“, „Sinking Sideways“, „Compagnie Bakélite“ und „Familie Flöz“ zeigen demnächst ihre neue Produktion.
Das aktuelle Stück von „Familie Flöz“, der internationalen Theatercompany mit Sitz in Berlin, heißt „Hokuspokus“. Wie im Zeitraffer erleben wir auf der Bühne die Geschichte eines Paares mit allen Höhen und Tiefen, die das Leben bietet. Die Compagnie gastierte bisher in 43 Ländern der Welt, was auch daran liegt, dass ihre Stücke keiner Worte bedürfen, um verstanden zu werden. Die Charaktere sind durch Masken festgelegt, wodurch archetypische Figuren lebendig werden. Die formale Festlegung setzt eine Wiedererkennung beim Zuschauer in Gang, die das Lachen über menschliche Verhaltensweisen geradezu befreiend herausfordert. Das Theater ohne Worte wird hocus pocus fidibus im Saarländischen Staatstheater achtzig Minuten alle anwesenden Menschen – ab zehn Jahre – verzaubern.
Die Gruppe Cirquons Flex kommt von der Insel La Réunion. Mit einer Flugzeit von mehr als zehn Stunden liegt die Insel im Indischen Ozean weit weg von Deutschland. Wir erhalten mit drei unterschiedlichen Angeboten die Möglichkeit, mehr über den fernen Ort und die Arbeit der Künstler von Cirquons Flex zu erfahren. Anfang April feierte ihr Stück „Radio Maniok“ in der Normandie Premiere. Als Deutschlandpremiere wird das Stück das Festival Perspectives im Zelt auf dem Tbilisser Platz eröffnen. Acht Zirkuskünstler setzen wortgewaltig – in französischer und kreolischer Sprache mit deutscher Übertitelung – zwei Stunden ein geschichtliches Ereignis ihrer Heimat künstlerisch um. La Réunion unterlag im Zweiten Weltkrieg einer Blockade. Das Radio war die einzige Verbindung nach draußen. Maniok, eine Pflanze mit essbarer Wurzel, das einzige Nahrungsmittel. Über die Entstehung des Stücks „Radio Maniok“ berichten drei Kurzfilme, die im Kino Achteinhalb zu sehen sein werden. Im Anschluss findet ein Publikumsgespräch statt. Im Nauwieser Neunzehn verdeutlicht die Ausstellung „Années Terribles“ das Thema Nahrungsmittelautonomie beziehungsweise Versorgungsabhängigkeit.
Ein weiteres Zirkusstück, wenngleich gänzlich anderer Art, erleben die Zuschauer mit „Armour“. Drei Akrobatikkünstler erforschen ihre Erotik und Männlichkeit. Das Publikum wird an drei Seiten um das Geschehen platziert. Der Spielort, erstmals vom Festival Perspectives erkoren, ist die Kirche St. Jakob in Alt-Saarbrücken. Dort wird uns auch Édouard Peurichard in „Le repos du guerrier“ begegnen und an seiner künstlerischen Spurensuche teilhaben lassen: „Was bedeutet es eigentlich ein Zirkuskünstler zu sein?“ Sein Solo, ebenso wie „Armour“ sind Deutschlandpremieren.
„(E)motion lab #5“, das Ergebnis eines einwöchigen kostenpflichtigen Workshops, der sich an professionelle oder noch in der Ausbildung befindliche Künstler bis 30 Jahre richtet, wird in der Saarbrücker „Acting and Arts Schauspielschule“ bei freiem Eintritt mit Reservierung gezeigt. Möglicherweise ist die Anmeldung, beziehungsweise Bewerbung, zum Zeitpunkt der Drucklegung noch geöffnet: www.plateforme-plattform.org
Philippe Decouflé, französischer Choreograf, Tänzer, Pantomime und Theaterregisseur, bringt mit der Compagnie DCA das Rocktheater „Stéréo“ auf die Bühne des Le Carreau in Forbach – sieben Akteure, Akrobaten und Tänzer in extravaganten Kostümen mit Live-Musik. In Saargemünd im Scène de l‘Hôtel de Ville persifliert „L‘Amicale“ eine politische Talkshow – eine gesellschaftskritische Satire über die Macht von Geschichten.
Die kostenfrei zugängliche Vorstellung ist eine wichtige Position im Festival-Programm. Das Stück für die ganze Familie heißt in diesem Jahr: „La Boule“. Kim Marro und Liam Lelarge werden sich im Innenhof der Stadtgalerie Saarbrücken ineinander und umeinander wickeln, verschränken und verhaken – menschlich kugeln.