Ein später Ausgleich von Hannover 96 lässt Hertha BSC in der Tabelle stagnieren. Derweil bleibt die Zukunft von Trainer Pal Dardai weiterhin offen.
Pal Dardai muss richtig angefressen gewesen sein– schon zum Halbzeitpfiff schritt er auf das Spielfeld, um seinen Spieler Ibrahim Maza abzupassen sowie lautstark und nicht nur mit einem Satz ins Gebet zu nehmen. Normalerweise hält der Trainer von Hertha BSC eigentlich gerade über Talente wie den 18-jährigen Mittelfeldspieler gern schützend seine Hand, doch zu viel war offenbar zu viel – da blieb sich der Ungar einmal mehr treu. Maza jedenfalls schlich unter der Schimpfkanonade seines Übungsleiters bedröppelt in die Kabine, dort sollen dem Talent sogar die Tränen gekommen sein – zwar hatte der hochveranlagte Youngster im Spiel nach vorne seine Qualitäten immer wieder aufblitzen lassen, doch gegen den Ball ließ er es schleifen. „Er kann da in der Defensive nicht spazieren gehen: Wir sind hier nicht in der U19“, beschrieb der Trainer nach Spielende die Ursache seiner Aufgebrachtheit. Dabei hatte Dardai das Talent auch im zweiten Durchgang spielen lassen, bevor er ihn bei seiner Auswechslung nach gut 70 Minuten mit einem aufmunternden Klaps bedachte. „Man muss wie ein Vater manchmal hart sein, damit er es fürs Leben lernt“, erklärte der 48-Jährige dazu die Öffentlichkeit seiner Schelte. Und auch Mannschaftskollege Fabian Reese (26) pflichtete dem Trainer bei, ohne die Angelegenheit hoch hängen zu wollen: „Ich war auch mal ein jüngerer Spieler, da kriegt man manchmal sein Fett weg. Wir können niemanden in Watte packen, der Trainer denkt sich was dabei.“
Gegen den Ball lief es schlecht
Dabei hatte das Spiel gegen Hannover 96 einen paradoxen Verlauf genommen – so war die Pausenführung für Hertha BSC durchaus schmeichelhaft ausgefallen, da außer zwei Chancen von den Gastgebern offensiv wenig zu sehen war. Immerhin: Eine davon nutzte Marc Kempf nach einer knappen Viertelstunde per Kopf zum 1:0, als die Hannoveraner nach einer Ecke defensiv nicht gut sortiert waren. Dafür erwiesen sie sich in den ersten 45 Minuten als das aktivere Team und hatten besonders bei zwei Lattentreffern Pech im Abschluss. Nach dem Wechsel aber – vielleicht auch aufgrund der deutlichen Kritik von Pal Dardai – verteidigten die Berliner besser und ließen praktisch nichts mehr zu. Allerdings wurde dadurch auch das Spiel nach vorne (noch) harmloser, sodass man dem möglicherweise vorentscheidenden zweiten Treffer nicht nahe kam. Die zunehmende defensive Stabilität wäre dennoch der Garant für den Dreier gewesen, wenn ein Aussetzer der Hausherren dann in der Nachspielzeit nicht fahrlässig das Tor zum 1:1 begünstigt hätte. Zeitpunkt und Entstehung des Treffers ließen die meisten Zuschauer jedenfalls verdutzt zurück: Eine Flanke aus dem Halbfeld fand den im Strafraum frei stehenden Leopold, der die Kugel mit dem Kopf ins lange Eck verlängerte. So blieb Hertha BSC praktisch keine Zeit mehr, den Lapsus noch mal zu reparieren. Statt einer Verbesserung in der Tabelle – mit einem Sieg wäre man an den 96ern vorbeigezogen – büßte man einen Platz ein, was sich ja bekanntlich am Ende immer auch in einer geringeren finanziellen Ausschüttung bemerkbar machen kann. So ließ man allein in den Duellen mit den Niedersachsen (das Hinspiel endete 2:2 nach 2:0-Führung der Berliner) vier buchstäblich wertvolle Punkte liegen. Und was das Thema Geld betrifft, steht Hertha BSC bekanntlich nach wie vor nicht sorglos da.
Schließlich soll gerade aus monetären Gründen der Aufstieg im kommenden Jahr intern bereits als alternativlos bezeichnet worden sein. Daher läuft die Planung für 2024/25 bereits auf vollen Touren – unklar ist zumindest nach außen jedoch noch dabei, wer die Mannschaft denn überhaupt leiten wird. Die Verantwortlichen haben sich strikte Geheimhaltung bezüglich des Themas auferlegt. „Wir haben einen klaren Zeit- und Fahrplan, der bleibt intern“, blockte Sportdirektor Benjamin Weber zu dem Thema in der Woche vor dem Hannover-Spiel und ließ lediglich in diesem Zusammenhang durchblicken, die Angelegenheit mit Trainer Dardai selbst, Thomas Herrich (Geschäftsführer), Zecke Neuendorf (Leiter Lizenzspielerabteilung) und den Gremien zu besprechen.
Pikante Meldung vom Hertha-Sponsor
Die Tatsache, dass man sich trotz laufender Kaderplanung vielleicht noch vom Trainer trennt, wirft aber natürlich Fragen auf. Immerhin war zwar die bereits erste aufgekommene Diskussion über einen Nachfolger – Freiburgs U23-Trainer Thomas Stamm – durch die öffentliche Zurückhaltung bei Hertha BSC abgeebbt, doch wenig überraschend wurden in den Medien weitere Kandidaten ins Spiel gebracht. Cristian Fiél vom 1. FC Nürnberg etwa, der schon vor dieser Saison angeblich als potenzieller Nachfolger Dardais ein Thema gewesen sein soll. Pikant wurde die mediale Diskussion jedoch auch durch eine Meldung, dass Herthas Investor 777 Partner offenbar selbst Kandidaten scoutet. Trotz der Tatsache, dass der Geldgeber mit zwei Vertretern im Aufsichtsrat dazu sicher befugt ist, hat die Nachricht dabei das Potenzial für eine gewisse Sprengkraft. Denn nicht nur, dass im wenig Investoren-geneigten Teil des Umfelds dies als Einmischung interpretiert werden könnte – der zuständige „Global Sports Director“, Johannes Spors, wird dort ohnehin schon äußerst kritisch gesehen. Das fängt bei der Vita des 41-Jährigen an, in der ungeliebte Investorenvereine wie die TSG Hoffenheim und RB Leipzig stehen. Dazu gilt Spors als Gegner von Vereinsikone Pal Dardai auf der Trainerposition und soll sich im November des vergangenen Jahres bereits für einen Wechsel auf der Position stark gemacht haben. Zumindest der jüngst neben Kosta Runjaic (früher unter anderem Darmstadt, zuletzt Legia Warschau / Polen) für die Nachfolge ins Spiel gebrachte Markus Gisdol (früher unter anderem Köln, aktuell Samsunspor / Türkei) hat Kontakte zu Spors, beide haben in Hoffenheim und beim HSV zusammengearbeitet. Der 54-Jährige könnte bei einer Anstellung dazu Spors’ Einfluss im Verein vergrößern – ein Punkt, der bei der strikten Einhaltung des Berliner Wegs mit Pal Dardai aus Sicht des 777-Managers nicht wirklich vorankommen würde. Nach dem nun auch rechnerisch nicht mehr möglichen Erreichen des Relegationsplatzes werden wohl so die sportlichen Herausforderungen wie etwa das erste Gastspiel von Hertha BSC am Sonntag bei der SV Elversberg zugunsten von Personalspekulationen immer weiter in den Hintergrund rücken.