Über Tiere, Menschen, Essen und Gesundheit
Zoos sind Generationenorte. Das erste Mal gehen wir dort als Kind hin, 25 bis 30 Jahre später als Eltern und nach weiteren 25 bis 30 Jahren als Großeltern. Wenige schaffen es vielleicht noch als Urgroßeltern; dann sind sie im Zoo aber schon fast eine menschliche Variante der Galapagos-Riesenschildkröte.
Bei mir war vor Kurzem wieder einer dieser Generationenzeitpunkte gekommen. An der Kasse war ich kurz überrascht, wieviel man für den Eintritt von vier Personen hinlegen muss. Man vergleicht in solchen Situationen unüberlegt und reflexartig den Preis mit dem letzten Mal vor 25 Jahren.
Physiologisch kommen Reflexe direkt aus dem Rückenmark, also ohne Umweg übers Gehirn. Ich habe also kurz nachgedacht: Würde ich mir beispielsweise nur alle 25 Jahre ein Eis gönnen, würde ich bei meinem zweiten Eis wahrscheinlich in einen Kälteschock verfallen. Für das Geld eines heutigen Eisbechers haben wir vor 30 Jahren in der Eisdiele einen kleinen Kindergeburtstag finanzieren können. Also im zeitgemäßen Quervergleich zu Kino, Konzert und ähnlichem ist Zoo eher günstig.
Nach dem Eingang war ich überrascht, wie wenig sich auf den ersten Blick verändert hatte. Es war der erste warme Frühlingssonntag und der Besucherandrang war groß. Früher als Kind mit unbeschwertem Blick hatte man nur Augen für die Tierwelt. Als Erwachsener trägt man immer eine imaginäre Brille und einen Rucksack mit vielen Jahrzehnten Lebens- und Berufserfahrungen mit sich. Und als Arzt (wenn man kein Tierarzt ist) nimmt man dann zwangsläufig neben den Tieren auch die Menschen mehr ins Visier. Das ist eine Art Berufskrankheit. Wäre ich Metallbauer, würde ich mich wahrscheinlich mehr für die Stahlkonstruktion der Gehege interessieren.
Mein wertneutraler und spontaner Eindruck war: Hier gibt es relativ viele, insbesondere jüngere Menschen mit kräftigem Körperbau! Wir wissen natürlich, dass Übergewicht generell in den Industrieländern durch oft minderwertige, nach vorwiegend kommerziellen Aspekten hergestellte und verarbeitete Nahrungsmittel und verstärkt durch Bewegungsmangel ein verbreitetes Phänomen ist. Aber wieso sollten im Zoo prozentual mehr Übergewichtige als sonstwo im Alltag, etwa im Supermarkt, sein?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe rein gar nichts gegen Übergewichtige, die persönliche Wertschätzung lässt sich sicher nicht auf der Waage ablesen. Aber Übergewicht kann medizinisch ab einem gewissen Grad und Alter für die Betroffenen unangenehme gesundheitliche Auswirkungen haben. Für Ärzte ist es also im Interesse von Patienten ein Thema.
Warum ist mir das „Phänomen“ im Zoo so ins Auge gesprungen? Zum einen neigt man im Zoo natürlicherweise dazu, Lebewesen gezielter zu beobachten. Zum anderen fällt – wenn Tiere und Menschen so dicht zusammenkommen – zwangsläufig auf, dass das Problem offensichtlich in der Tierwelt deutlich seltener vorkommt. Adipöse Tiere habe ich jedenfalls keine entdeckt.
Meine berufliche Neugier war geweckt und so habe ich mir nicht mehr wie früher die Tiere, sondern die den Gehegen und Zoohäusern angegliederten Futterküchen angeschaut. Und danach zum Vergleich das sogenannte „Futterhaus“, in dem die Besucher sich „stärken“ konnten. Da wurde einiges klarer. Etwas überspitzt formuliert: Würde man tauschen – Ausnahmen wie das Raubtiergehege bestätigen die Regel –, wäre das für viele Menschen gesünder. Man bekäme aber auch gleichzeitig viel Ärger mit den Tierschutzverbänden.
Auch außerhalb der Wildtierwelt des Zoos kann man beobachten, dass der Ernährung des Haustieres – und manchmal auch dessen Erziehung – mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als dem eigenen und familiären Umfeld. In diese „Falle“ ist man schnell getappt, Haustiere können einen gut dressieren.
Zu dem besuchten Zoo einer Landeshauptstadt sei positiv aus meiner Brille des Sportmediziners angemerkt: Die schöne Hanglage bedingt, dass man beim Rundgang – insbesondere mit Kinder- oder ausleihbaren Bollerwagen – eine gesundheitssportlich ordentliche Trainingseinheit absolviert.