Als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Vorsitzender der Bundes-SPD und Bundesminister hatte er zwischen 1975 und 2005 wichtige Ämter inne. Der 76-Jährige ist seit 2005 Vorsitzender des Bundes Deutscher Radfahrer und berät mit seiner Firma RSBK deutsche Unternehmen.
Als ehemaliger Verteidigungsminister verfolgt Rudolf Scharping die Arbeit des heutigen Amtschefs Boris Pistorius mit besonderem Interesse. „Er ist ein starker Politiker, mit einem großen Herzen für die Menschen, die er führt“, sagte Scharping im Vorjahr über ihn bei t-online. Die jahrzehntelangen Versäumnisse und die fehlenden Modernisierungen, etwa bei Digitalisierung und Cybersicherheit, seien aber in zwei Jahren nicht aufzuholen: „Die Fähigkeiten der Bundeswehr müssen langfristig, verlässlich und konsequent aufgebaut werden.“ Scharping fordert mehr Anstrengungen bei der Personalgewinnung und mehr europäische Abstimmung bei Prävention, Krisenmanagement und klassischer territorialer Verteidigung. „Ich bin überzeugt, dass diese Potenziale jetzt gehoben werden können“. Daher lobt Scharping die angekündigte Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels in den jährlichen Haushalten und das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Verteidigung als „zeitgemäße und richtige Schritte“.
Die Demokratie stabilisieren
Mit einem Blick auf die aktuelle deutsche Politik bemängelt Scharping das „Fehlen von Zukunftsinvestitionen, etwa in Bildung, Digitalisierung, Innovation oder Infrastruktur“, was zu Lasten von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit gehen könne. Das Hauptaugenmerk müsse darauf liegen, „die Demokratie zu stabilisieren und europaweit ein rechtspopulistisches oder rechtsextremes Desaster zu verhindern“, betont er gegenüber FORUM. Seine insgesamt optimistische Grundhaltung lasse er sich aber nicht nehmen.
Seit seinem Ausstieg aus der Politik berät Rudolf Scharping mit seiner 2003 gegründeten Frankfurter Beratungsfirma „Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation AG“ (RSBK) vor allem deutsche Firmen in den Bereichen Gesundheit, Kreislaufwirtschaft und berufliche Bildung. Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf vielversprechenden Start-Ups: „Hier wollen wir jungen Unternehmen helfen, ihre innovativen Ideen umzusetzen“, sagt Scharping. Derzeit arbeite er gerade mit einem Heidelberger Start-Up zusammen, das mithilfe von KI eine berührungslose Gerätesteuerung per Geste entwickelt hat. Bereits seit 2007 hat sich die RSBK mit ihrem chinesischen Ableger „Rudolf Scharping Consulting“ auf die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen spezialisiert, die heute gut die Hälfte der Geschäftsaktivitäten ausmachen. Hier werden vor allem Kunden aus den Bereichen Automobil, Maschinenbau, Chemie, Gesundheit oder Stadtplanung beraten.
Scharping, der schon mehr als 150 Dienstreisen nach China unternommen hat, bezeichnet die derzeitigen deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen als intensiv: „Sie sind gut und werden das auch bleiben“, selbst wenn die Probleme beim Schutz geistigen Eigentums, bei ungleichen Wettbewerbsbedingungen und ungleichem Marktzugang noch gelöst werden müssten mit einer gemeinsamen europäischen Strategie. Er selbst spreche diese Probleme ebenso wie Defizite bei Menschenrechten und Demokratie in verschiedenen Medien und Foren regelmäßig an, weist Scharping gelegentliche Vorwürfe zurück, chinesische Fehlentwicklungen nicht entschieden genug zu thematisieren. Er warnt davor, das Riesenreich China mit seinem komplexen System mit europäischen Maßstäben zu bewerten. Aufgrund der milliardenschweren Investitionen deutscher Unternehmen und der vielfältigen wirtschaftlichen Verflechtungen dürfe der Gesprächsfaden zwischen beiden Staaten nicht abreißen, zumal die weltweiten Herausforderungen wie Frieden oder Klimawandel nur im gemeinsamen Dialog gelöst werden könnten. Diesem Dialog dient auch die von der RSBK jährlich veranstaltete deutsch-chinesische Wirtschaftskonferenz, an der sich regelmäßig chinesische und deutsche Unternehmensvertreter und hochrangige Politiker beteiligen.
Leidenschaft fürs Rennrad
Auch wenn Scharping heute keine Parteiämter mehr innehat, hat er sich nicht aus der Politik zurückgezogen. Er nimmt regelmäßig an Veranstaltungen von SPD-Ortsvereinen teil oder diskutiert mit Leuten aus verschiedenen Parteien über aktuelle politische Themen, bei denen es meist um die künftige Entwicklung Deutschlands oder internationale Fragen geht.
Weiterhin gilt Scharpings Leidenschaft dem Radsport, dem er nun bereits seit fast 19 Jahren als Präsident des Bundesverbandes dient. „Diese Arbeit setze ich mit meinem sehr guten Team mit großer Begeisterung und Stolz auf viele Erfolge fort“, verrät Scharping. Die früheren großen Radtouren mit 3.000 Fahrtkilometern pro Jahr schaffe er aber heute nicht mehr. Auch Fußball und Tennis habe er aus Zeit- und Altersgründen aufgeben müssen. Dennoch treibe er täglich Sport, entweder laufe oder schwimme er oder mache Gymnastik. Ansonsten verbringt er gerne die knapp bemessene Freizeit mit seiner großen Familie, zu der drei Töchter und sechs Enkel zwischen acht und 20 Jahren gehören.