Wenn die Tage wärmer werden, beginnt die schönste Zeit an der Côte d’Azur. Mit der Provence im Hinterland und Italien in der Nachbarschaft, romantischer Altstadt und großstädtischem Flair lässt sich in Nizza das südfranzösische Lebensgefühl erleben.

Auf den blauen Stühlen an der Promenade wird wieder Zeitung gelesen, andere genießen den Blick auf das Meer oder halten die Nase in die Sonne. Noch geht es gemütlich zu und Spaziergänger, Skater, Radfahrer und Straßenkünstler kommen sich nicht in die Quere. „Der Frühling ist die schönste Zeit in Nizza, dann ist es noch nicht so voll und heiß wie im Sommer“, sagt Ramona Dresen aus Berlin, die jedes Jahr ein paar Tage in ihrer Lieblingsstadt verbringt.
An Prachtbauten der Belle Époque, Hotels und Parks vorbei erstreckt sich die Palmen gesäumte Küstenpromenade über sieben Kilometer am Meer entlang. Jetzt strahlen die Mimosen und Ginster in leuchtendem Gelb, Magnolien öffnen ihre rosa Blüten und Kamelien sorgen in Rot und Weiß für die Farben des Frühlings. Die wärmenden Sonnenstrahlen und die hellen Tage mit dem besonderen Licht an der Küste wecken die Lebensgeister und lassen Nizza erstrahlen. Dieses Licht zog einst schon viele Künstler an die Côte d’Azur. „Als ich verstanden hatte, dass ich dieses Licht jeden Morgen wieder sehen würde, konnte ich mein Glück nicht fassen“, so Henri Matisse 1917. In diesem Jahr beschloss er, in Nizza zu bleiben.
Oberhalb der Küste in dem eleganten Stadtviertel Cimiez beherbergt eine rotgetünchte große Villa seit 1963 das Musée Matisse. Die Sammlung besitzt zahlreiche Werke aus dem Besitz von Matisse und seiner Familie sowie aus allen Schaffensperioden. Die Terrasse bietet einen schönen Blick auf die Berge und das Hinterland. Der Garten vor dem Museum, mit vielen Olivenbäumen, ist ein beliebter Picknickplatz.

Nur wenige Schritte entfernt befindet sich das Musée national Marc Chagall, der ebenfalls einige Jahre in Nizza verbrachte. Es besitzt mit rund 400 Werken die größte öffentliche Sammlung von Arbeiten des Malers.
Auch Picasso faszinierte das Licht des Südens, das ihn an seine Heimat Spanien erinnerte. Er ließ sich im Nachbarort Antibes nieder, Auguste Renoir in Cagne-sur-Mer zwischen Nizza und Cannes und Jean Cocteau in Menton an der Grenze zu Italien. Sie inspirierte der mediterrane Charme: die bunten Häuser, die engen Gassen, die Märkte, die Weinberge an den Ausläufern der Alpes-Maritimes, die Häfen mit ihren Fischerbooten und natürlich das Meer.
Die Altstadt ist eines der beliebtesten Viertel
Eines der markantesten Gebäude an der Promenade des Anglais ist das berühmte Grandhotel „Le Negresco“ mit seiner auffälligen roten Kuppel, üppigen Kristalllüstern und goldverzierten Vasen in der Eingangshalle. Das 1913 erbaute Hotel galt damals als das beste und luxuriöseste der Côte d’Azur. Heute ist es fast ein Museum. Rund Hunderte von Kunstwerken befinden sich in dem Gebäude, vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Jedes der 125 Zimmer ist anders eingerichtet, mal modern, mal im klassischen Stil. Wer die Bar oder das Café „La Rotonde“ besucht, kann sich einen Eindruck verschaffen. Schon Coco Chanel, Marlene Dietrich, Ernest Hemingway gehörten zu den illustren Gästen des Hauses. In der Nebensaison ist sogar die Übernachtung erschwinglich.

Mit dem Beginn des Wintertourismus in Nizza entstanden auch die eleganten Villen, Grandhotels und Palais im Stil der Belle Époque zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg. Danach wurden auch der Badetourismus sowie der Wintersport populär, denn hier kann man einem Tag Skifahren und anschließend ins Meer springen. Die Winterurlaubsstadt an der Riviera wurde 2021 von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt.
Vom „Le Negresco“ führt die Promenade an einem Park vorbei direkt zur Altstadt. Sie hat den Charme vergangener Zeiten nicht verloren. Obwohl hier und da der Putz abbröckelt, verzaubert sie mit ihrem südlichen Flair. Heute ist die Altstadt eines der beliebtesten Viertel Nizzas. Wer von der Promenade durch die gegenüberliegenden Arkaden geht, erreicht den lang gestreckten Platz Cours Saleya mit dem berühmten Markt von Nizza. In dem vorderen Teil werden Blumen verkauft, im hinteren Obst und Gemüse, die typischen kleinen Oliven aus Nizza und vieles andere. Neben dem Markt verkauft das Traditonshaus Alziari, gegründet 1868, Olivenöl aus eigener Mühle und aus den Oliven der eigenen Bäume nördlich von Nizza.
In den verwinkelten engen Gassen und auf den schönen Plätzen von Vieux Nice fühlt man sich fast nach fast Italien versetzt. Die Geschichte hat Spuren hinterlassen, schließlich gehörte Nizza von 1388 bis 1860 mit kurzen Unterbrechungen zu Italien. In der Frühlingsonne leuchten die Häuser mit ihren sonnengelb, ocker- und terrakottafarbenen Fassaden. Fast an jeder Ecke steht eine kleine Barockkirche oder Kapelle. Vor den Fensterläden trocknet die Wäsche, in Blumenkästen blühen die Geranien. In kleinen Geschäften werden Oliven, Wein und frische Pasta verkauft. Natürlich mangelt es auch nicht an Läden mit touristischen Mitbringseln, vor allem den nach Lavendel, Orange oder Oliven duftenden Seifen aus der Provence. Mittendrin an der Kathedrale Sainte-Réparate, der Schutzheiligen von Nizza, liegt der Platz Rosetti mit Brasserien und Cafés. Hier ist auch die beste Eisdiele der Stadt, „Fennocchio“, mit rund 70 Sorten.
Friedrich Nietzsche ging hier spazieren

Den schönsten Blick über die Dächer von Nizza bietet der Schlossberg, Colline du Château. Ein Schloss gibt es nicht mehr, aber einen schönen Park, ein Wasserfall und viele Aussichtsterrassen. Eine wurde nach dem deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche benannt, der hier während seiner Aufenthalte in Nizza gern spazieren ging. Vom Platz Rosseti führt die gleichnamige Straße in etwa 20 Minuten zu Fuß auf den rund 100 Meter hohen Hügel hinauf, der eine wunderbare Aussicht über die Altstadt auf die sanft geschwungene Bucht Baie des Anges und das tiefblaue Meer eröffnet. Auf der anderen Seite führt ein Weg nach unten zum Hafen mit seinen schicken Jachten, Segel- und Fischerbooten und weiter durch die Rue Bonaparte.
Wer den echten Geschmack Nizzas kosten möchte, sollte an den Restaurants auf das Schild „Cuisine Nissarde, le respect de la tradition“, achten. Es sind zertifizierte Restaurants, die frische Produkte der Region verwenden und traditionelle Rezepte bewahren. Mitten in der Altstadt gelegen, kommen im familiengeführten „Restaurant Acchiardo“ seit 1927 und vier Generationen typische Gerichte auf den Tisch. Dazu zählen Pissaladière, ein Zwiebelkuchen mit Oliven und Sardellen, gefülltes Gemüse, Ratatouille, Pommes aus Kichererbsen, Mangold-Tarte, hausgemachte Ravioli und Gnocchi sowie der Salade niçoise mit Tomaten und Thunfisch.

Hinter der Altstadt erstreckt sich der Garibaldi-Platz mit seinen eleganten Stadthäusern und Brasserien. Endlich ist es wieder Zeit, um draußen Kaffee und einen Aperitif zu trinken. An der Côte d’Azur klettern im Frühling die Temperaturen häufig über 20 Grad, während es in Deutschland noch kalt und wechselhaft ist. Ein paar Schritte weiter liegt einem Masséna, der schönste Platz der Stadt zu Füßen. Umgeben von prächtigen roten Häusern, einem schwarz-weißen Mosaikboden und einem Brunnen in der Mitte könnte es auch eine italienische Piazza sein.
Königin Victoria kam gern hierher
Von Masséna in Richtung Bahnhof erstreckt sich die Shoppingmeile, die Avenue Jean-Médecin. Nizza ist auch ideal, um mit dem Zug die Côte d’Azur zu entdecken. Der Bahnhof ist von Masséna in nur 20 Minuten zu Fuß erreichbar. Antibes, das hoch gelegene Dorf Èze mit wunderbarer Aussicht, die Villa Ephrussi am Cap Ferrat mit einem wunderschönen Park, sind wenige Stationen entfernt und auch Menton an der italienischen Grenze ist mit dem Zug in nur 30 Minuten erreichbar.
Als der Adel die französische Riviera entdeckte, war unter den Besuchern 1882 zum ersten Mal auch die englische Königin Victoria. Sie kam immer wieder, wohnte anfangs in einem Chalet in Menton und bereiste mit dem Zug die Côte d’Azur. Nizza wurde ihre Lieblingsstadt.