Die EU plant, die Grenzwerte für die Luftschadstoffe anzuziehen. Der Europäische Rat und die Kommission haben bereits zugestimmt, eine endgültige Verabschiedung steht aber noch aus. Doch wie steht es eigentlich um die Luftqualität in unseren Städten, und wie bereitet man sich auf die geplante Verschärfung vor? Ein Blick auf Saarbrücken.

Schnell am Morgen die Wetterprognose auf dem Wetter-Widget des Handys checken. Die App sagt mir mittlerweile viel mehr, als nur die Temperatur und ob es regnen wird, auch die Luftqualität wird ausgewiesen. „Mäßig“ für Saarbrücken heißt es da heute, trotz bestem Wetter. Doch was macht eine gute Luftqualität aus und wie können Städte diese verbessern?
WHO gibt Richtlinien für gute Luft vor
Frau Dr. Ingrid Zell ist Fachbereichsleiterin im Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz im Saarland und verantwortet das Luftüberwachungsnetzwerk IMMESA (Immissionsnetzwerk Saar). Sie kennt sich mit guter Luft aus. Von ihr erfahre ich, dass die EU sogar plant, Grenzwerte für Schadstoffe in unserer Luft zu verschärfen. Die WHO gibt dazu Richtlinien vor, die die EU wahrscheinlich nicht genau umsetzen kann: „Die WHO-Richtlinien sind wirklich sehr ambitioniert. Die dort vorgegebenen zehn Mükrogramm (ein Mükrogramm entspricht einem millionstel Gramm, Anm. d. Red.) pro Kubikmeter als Jahresmittelwert bei Feinstaub entstehen schon durch eine normale Hintergrundbelastung. Beispielsweise bei Wetterphänomenen, wie wenn der Wind Saharastaub einträgt“.
Feinstaub entsteht aber nicht nur durch natürliche Phänomene, sondern auch durch den Straßenverkehr, weil Reifen Abrieb verursachen, durch Heizen oder die Abfallverbrennung. Das Problem ist, wie viele, die es zum Thema gute oder vielmehr dicke Luft gibt, menschengemacht.
Der bisherige Grenzwert für Feinstaub liegt in der EU bei 40 Mükrogramm pro Kubikmeter und soll mit den neuen Richtlinien auf 20 Mükrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel halbiert werden. Diesen Wert darf man an nur 35 Tagen im Jahr überschreiten. „Das passiert jährlich zuverlässig durch das Silvesterfeuerwerk oder bei Großwetterlagen“, erklärt Dr. Zell. Dabei ist Feinstaub auch nicht gleich Feinstaub, sondern man unterscheidet verschiedene Partikelgrößen. Die größeren Zehner untersucht man schon länger. Später kamen die kleineren Partikel (2,5) hinzu. Diese sind gefährlicher, weil sie weiter in der Lunge vordringen und dort größere gesundheitliche Schäden verursachen können als die gröberen Partikel, die teilweise durch die Nase schon gefiltert werden. „Die Grenzwerte entwickeln sich mit der Forschung weiter. Je nachdem, was messbar ist und auch mit den Möglichkeiten, diese erst gar nicht zu immitieren“, erklärt Zell. Punktuelle Belastungen sind aber nur schwer zu vermeiden. Beispielsweise wenn ein Bauer das Feld pflügt. Solche einmaligen Überschreitungen seien mit Blick auf die gesundheitlichen Schäden aber oftmals reversibel, sagt Zell.
Feinstaub ist also ein Problem. Und dann gibt es da noch den Smog, über den man manchmal liest. Dieser besteht größtenteils aus bodennahem Ozon. Dieses Ozon ist vom stratosphärischen Ozon zu unterscheiden, das sich wie eine Schutzschicht um unsere Erde legt und uns vor übermäßiger UV-Strahlung bewahrt. Das bodennahe Ozon hingegen wird assoziiert mit dem Auftreten von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schreibt das Umweltbundesamt. Daher sollen auch hier die Grenzwerte angezogen werden.
Werte im Saarland deutlich gesunken

Bodennahes Ozon braucht Vorläuferstoffe zur Entstehung. Stoffe, die vor allem durch den Verkehr immitiert werden, spielen hier eine entscheidende Rolle. Aber auch flüchtige organische Verbindungen, wie sie bei fossilen Verbrennungsprozessen freigesetzt werden, gehören zu den Vorläufern. „Unter Sonneneinstrahlung bildet sich in den Nachmittagsstunden Ozon und wird dann weitreichend transportiert“, erzählt Zell. Das führe zu einer paradoxen Situation: An den Messstationen weit außerhalb der Stadt werden teilweise viel höhere Ozonwerte gemessen, denn zum Abbau brauche man wiederum die gleichen „Schadstoffe“ aus dem Verkehr, die dann auf dem Land fehlen. Nur langfristig ist die Entstehung von bodennahem Ozon in den Griff zu bekommen.
Erfolge gab es aber in der Vergangenheit bereits in Sachen Luftreinhaltung. Noch in den 80er- und 90er-Jahren waren die Belastungen mit Kohlenstoffmonoxid hoch. Im Saarland „sind wir jetzt sehr weit entfernt von den Grenzwerten“, sagt Zell. Die Belastung habe in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich abgenommen. Eine Verschärfung der Grenzwerte sei eher unproblematisch. Ähnlich sehe es beim Schwefeloxid aus. Die Entschwefelung von Kraftwerken sei hier erfolgreich gewesen. Ein Beispiel wie auch bessere Technik zur Luftreinhaltung beitragen kann.

Eines der größten Probleme in Saarbrücken sind gar nicht der viel beschriebene Feinstaub oder der Smog – also das Ozon – von dem man immer mal hört – sondern die Stickoxide. Diese gelangen an Ort und Stelle durch Verbrennungsprozesse in die Luft, reizen dann Schleimhäute in Atemtrakt und Augen. „Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan“, berichtet die Expertin. Jedoch sei das nicht so schnell geschehen wie erwartet. Schuld daran war der Dieselskandal. Zahlreiche Autos mit Dieselverbrenner haben auf dem Prüfstand niedrigere Werte ausgeschieden als während einer Fahrt unter realen Bedingungen, wenn die Katalysatorentechnik etwas anders arbeitet. „Diese Grenzwerte sind immer noch auf einem relativ hohen Niveau“, warnt sie, fügt aber hinzu, dass es im Saarland derzeit keine Überschreitungen gebe. Zumindest noch, denn auch hier soll der Grenzwert von 40 auf 20 Mükrogramm pro Kubikkilometer gesenkt werden.
Bereits in der Vergangenheit musste die Stadt Saarbrücken hier melden, dass die Grenzwerte nicht eingehalten werden konnten. Die Landeshauptstadt musste mit dem Umweltministerium einen Luftreinhalteplan aufstellen. Es wurden in Bahnhofsnähe – ein Hauptverkehrsknotenpunkt – daraufhin mehr Gas-Busse eingesetzt und Maßnahmen zur Verflüssigung des Verkehrs umgesetzt. Die Grenzwerte konnten wieder eingehalten werden. Ein solcher Luftreinhalteplan muss binnen zwei Jahren aufgestellt und dann möglichst schnell umgesetzt werden.
Aktuell weist der Jahresbericht des Messnetzwerkes IMMESA die Jahresmittelwerte für Stickoxide als relativ hohe Belastung aus: Stickstoffdioxid bewegt sich an den beiden Messpunkten zwischen 23 beziehungsweise 26 Mükrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittelwert und überschreitet damit zukünftig geplante Grenzwerte. Stickstoffmonoxid liegt zumindest bei einer Messstation mit 17 Mükrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel nahe der neuen Grenze. Nach der Einschätzung von Zell könnte es hier demnächst zu Überschreitungen kommen und damit Handlungsbedarf schaffen. „Die Hauptquellen von Stickstoffoxiden sind Verbrennungsmotoren und [fossile] Feuerungsanlagen. Die Abgase von Großfeuerungsanlagen werden in der Regel über hohe Schornsteine abgeleitet und deshalb viel stärker verdünnt als solche aus bodennahen Quellen. In Ballungsräumen ist daher der Straßenverkehr die bedeutendste [Quelle]“, schreibt das Umweltbundesamt. Der Hauptverursacher Verkehr hat mehr als ein Drittel Anteil an der Immission.
Hamburg als gutes Beispiel
Auf die Frage, wie die Stadt Saarbrücken sich auf die drohenden Stickoxid-Grenzwertüberschreitungen vorbereitet, antwortet die Pressestelle mit den Themen E-Mobilität und Radverkehr. Ziel sei, ein flächendeckendes Ladenetz von E-Ladesäulen in den kommenden Jahren zu installieren. Für den Ausbau der Radinfrastruktur habe die Stadt rund 4,7 Millionen Euro im Jahr 2023 investiert. So wurde eine Fahrradzone im Nauwieser Viertel eingerichtet. Das bedeutet unter anderem, dass der Radverkehr hier Vorrang hat. Im Ranking des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs über das Fahrradklima schafft es Saarbrücken nur auf Platz 31 von 40 in seiner Ortsgrößenklasse, ohne auffällige Verbesserungen im Zehnjahresvergleich. Maßnahmen mit dem konkreten Ziel Stickoxide zu reduzieren, kann die Stadt aber nicht nennen.

Die Stadt findet „im Vergleich zu anderen Großstädten haben wir insgesamt eine gute Luftqualität“. Sie beruft sich dabei auf die Europäische Umweltagentur (EUA) und deren Feinstaubbelastungs-Ranking. Das aktuelle Ranking der EUA weist 61 deutsche Städte aus mit einer Feinstaubbelastung im Bereich von 6,9 bis 12,4 Mükrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel. Hier landet Saarbrücken mit Platz 40 im Mittelfeld.
In anderen Städten ist man da weiter. In Hamburg hat man bereits 2012 ein Pilotprojekt zur Stickoxid-Reduzierung geplant. Hier wird Titandioxid in die Deckschicht der Fahrbahn eingebracht. Dort reagiert das schädliche Stickoxid dann mit dem Stoff zu Nitrat, das in unschädlichen Mengen vom Regenwasser abgespült wird. Auch in Stuttgart wurde dies erstmals 2019 verbaut.
2023 startete in Köln ein Pilotprojekt, welches an der VHS eine stickoxidbindende Textilfassade installierte aus zwei bedruckten Membranflächen von je acht mal 20 Metern Größe. Installiert an einer viel befahrenen Straße wird nun ein Jahr lang die Stickoxid-Belastung vor und hinter der Installation gemessen. Auch hier ist das Prinzip der Fassade, dass Stickoxid zu Nitrat reagieren soll.
Wie Saarbrücken mit einer drohenden Grenzwertüberschreitung bei Stickoxiden umgehen wird, bleibt also offen. Vielleicht gibt es auch hier bald Pilotprojekte wie in anderen Städten. Denn spätestens wenn die EU die Grenzwerte anzieht, gelten in Europa neue Standards für eine gute Luft. Dann muss die Stadt mit einem neuen Luftreinhalteplan nachbessern.