Im Zuge der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie ließ sich ein deutlicher Rückgang typischer Kinderkrankheiten wie Scharlach erkennen. Doch nun steigen die Fallzahlen wieder an, und damit nehmen auch die schweren Verläufe zu.
Im Jahr 2022 gab es laut dem Statistik-Portal statista.com insgesamt 914 gemeldete Fälle von Scharlach in Deutschland. Das waren die niedrigsten Meldungen seit Jahren. Als Grund dafür nennen Ärzte die Kontaktbeschränkungen insbesondere für Kinder und Jugendliche während der Corona-Pandemie. Ein Jahr nach der Aufhebung der Beschränkungen zeigt sich, dass Scharlach zurückgekehrt ist. Das vermeldet der Barmer Ärztereport 2023, der im Dezember in Berlin vorgestellt wurde. Dabei ist diese klassische Kinderkrankheit nur eine der vielen besorgniserregenden Anstiege, die viele Kinderärzte beobachten. Ähnliche Zahlen gelten auch für Mumps, Röteln, Masern, Keuchhusten, Hand-Fuß-Mund-Krankheit und Windpocken. Und nach oben hin bleibt viel Luft.
Doch was versteht man eigentlich unter Scharlach und wie lässt sich eine Ansteckung verhindern? Es ist eine Infektionskrankheit, die üblicherweise im Kindesalter auftritt, doch auch bei Erwachsenen keine Seltenheit ist. Babys sind meist noch durch die Muttermilch und die darin enthaltenen Antikörper geschützt. Verursacher dieser Erkrankung sind Bakterien, sogenannte Streptokokken des Typs A. Weltweit fallen sie unter die zehn häufigsten Todesursachen unter den Infektionskrankheiten, speziell bei Kindern und jüngeren Erwachsenen. Verbreitet werden die Erreger über Tröpfchen durch Husten, Niesen oder den Speichel. Aber auch über verunreinigte Oberflächen wie Spielzeug, Besteck oder Körperkontakt ist eine Ansteckung möglich. Treten Bakterien über Hautwundflächen oder den Nasen-Rachenraum in den Körper ein, verursachen sie Wundscharlach. Der entsteht durch giftige Stoffwechselprodukte der Streptokokken, die sogenannten Toxine. Sie sind nicht nur dafür verantwortlich, dass sich die jungen Menschen krank fühlen, sie lösen auch Exantheme aus, also optische Veränderungen der Hautoberfläche. Das Hauptproblem hierbei ist, dass es unterschiedliche Streptokokken-Typen gibt, die dieses Krankheitsbild verursachen. Dementsprechend ist es durchaus möglich, mehrmals im Leben daran zu erkranken.
Wer sich infiziert hat, der bemerkt das erst etwa zwei bis sieben Tage später. Scharlach beginnt mit geröteten Wangen, Halsweh und Schluckbeschwerden. Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Gliederschmerzen, Erbrechen und hohes Fieber kommen hinzu. Außerdem treten Bauchschmerzen auf. Erst danach zeigt sich Scharlach in Form von Haut- und Schleimhautveränderungen. Mandeln und Mundschleimhaut lassen Flecken erkennen, der Rachen leuchtet feuerrot. Die Zunge verfärbt sich weißlich. Der Belag wird allerdings wenige Tage später abgestoßen und es zeigt sich eine Himbeerfarbe. Deshalb nennt man sie im Volksmund auch Himbeerzunge. Auf der Haut bildet sich ein Ausschlag. Es entstehen stecknadelgroße rötliche Flecken beginnend in der Leiste, die sich dann über den gesamten Körper ausbreiten. Einzig das Dreieck zwischen Mund und Kinn bleibt davon verschont. Der Ausschlag ist erhaben und erinnert an Samt, er juckt aber nicht. Wer mit der Fingerspitze darauf drückt, der kann ein vorübergehendes Verblassen beobachten. Nach einer bis drei Wochen ist die akute Phase vorbei und die Flecken klingen ab. Was bleibt, ist eine schuppige Haut, vor allem an den Fußsohlen und Handinnenflächen. Handelt es sich um eine erneute Infektion, kann die Körperreaktion anders ausfallen und die Flecken können ausbleiben.
Wer Symptome wie die oben genannten bemerkt, der sollte mit dem betroffenen Kind einen Arzt aufsuchen. Der sieht schon an den Flecken allein, um welche Krankheit es sich handelt. Zum Nachweis des genauen Erregers nimmt er einen Abstrich aus dem Rachen vor. Dank moderner Schnelltestverfahren ist schon binnen Minuten klar, ob es sich hier um Streptokokken handelt.
Die Therapie bei einem nachgewiesenen Krankheitsbild erfolgt üblicherweise durch die Gabe von Antibiotika. Hier kommen wahlweise Cephalosporin oder Penicillin zum Einsatz, da beide besonders gut gegen die Erreger wirken. Alternativ dazu verschreiben Kinderärzte Erythromycin. Alle Varianten gibt es als Saft, was die Gabe bei jungen Patienten deutlich einfacher macht.
Wichtig ist immer, Scharlach ärztlich behandeln und den Verlauf auch nach Abheilung engmaschig kontrollieren zu lassen. Es besteht sonst die Gefahr, Probleme mit den Nieren, Herz, Gelenken oder Ohren zu entwickeln. Neue Untersuchungen zeigen, dass rheumatisches Fieber als Folgeerkrankung zumindest in den Industrienationen nahezu auszuschließen ist, wenn die Antibiotika-Gabe wie angewiesen erfolgt. Zusätzlich dazu kann es hilfreich sein, Hausmittel gegen die Symptome einzusetzen. So hilft Gurgeln mit Eibisch- oder Salbeitee gegen die Halsschmerzen, auch warme Halswickel wirken lindernd. Da das Schlucken einige Tage schwierig ist, bietet sich flüssige Nahrung wie Suppen oder Puddings an. Eis kann außerdem einen wohltuenden Effekt auf Körper und Seele haben. Um den Flüssigkeitshaushalt bei hohem Fieber auszugleichen, ist es wichtig, viel zu trinken. Lindenblütentee mit Honig ist ebenso gut wie kühles Wasser. In jedem Fall empfiehlt sich eine eiweiß- und salzarme Ernährung. Joghurts können sinnvoll sein, um die durch die Antibiotika geschädigte Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zwischen der Medikamenten-Gabe und der Aufnahme des Joghurts sollten aber bestenfalls einige Stunden liegen, damit die Wirkung nicht beeinträchtigt wird.
Da Scharlach bakteriell bedingt ist, ist angemessene Hygiene entscheidend
Grundsätzlich ist eine vollständige Ausheilung von Scharlach zu erwarten. Allerdings kann es in Ausnahmefällen zu einigen Komplikationen kommen wie einer Mittelohrentzündung oder einer eitrigen Mandelentzündung. Zu den Spätkomplikationen können auch Herzinnenhautentzündung oder eine Nierenfunktionsstörung gehören. Deshalb kontrolliert der Arzt immer den Urin und das Herz, um diese Folgen früh zu erkennen und entsprechend gegensteuern zu können. Sehr selten kann Scharlach septisch verlaufen. Dann nimmt er eine tödliche Verlaufsform mit rasant steigendem Fieber, Durchfall, Erbrechen, Schleimhaut- und Hautblutungen, Herzschädigungen und Bewusstseinstrübungen, die zum Schock und damit zum Organversagen führen.
Deshalb ist es so wichtig, das betroffene Kind zu isolieren. Selbst nach einer überstandenen Infektion ist die Möglichkeit einer Neuansteckung immer gegeben. Gesunde Geschwisterkinder ohne Symptome sollten ebenso isoliert werden wie das kranke Kind. Erst mit Erlaubnis eines Arztes dürfen sie zurück in Kindergarten und Schule. Dabei agieren sie eher selten als Krankheitsüberträger. Eine Person ist ansteckend bis etwa einen Tag nach Gabe der ersten Antibiotika. Entscheiden sich Eltern komplett gegen eine medikamentöse Therapie, darf das Kind erst nach Abklingen sämtlicher Symptome wieder am sozialen Leben teilnehmen und Gemeinschaftseinrichtungen besuchen. Ein Attest vom Kinderarzt ist nicht erforderlich. Dennoch zählt Scharlach zu den meldepflichtigen Erkrankungen. Sobald eine Infektion bekannt ist, sollten sämtliche möglichen Kontaktpersonen informiert werden. Eine Impfung gibt es nicht. Nicht zuletzt deshalb warnt Christoph Straub, Vorstand bei der Barmer: „Dieser Effekt muss wissenschaftlich aufgearbeitet werden“, denn „es deutet sich ein intensiver Nachholeffekt an“. Es sei von anderen Infektionskrankheiten bereits bekannt, dass diese deutlich schwerere Verläufe nehmen können, wenn sie nicht in der Kindheit, sondern erst im Erwachsenenalter auftreten. Das gilt auch für Scharlach. Deshalb warnen die Autoren der Studie explizit vor den Folgen, die bei einer großen Welle auftreten können. Sobald sich Scharlach aus der Kita heraus in die Schulen und Sporteinrichtungen ausbreite, stünden schlimme Verläufe bevor. Eine Herausforderung für die Betroffenen, aber auch für unser Gesundheitssystem. Da fragen sich viele zu Recht, was zu tun ist, um den gefürchteten Nachholeffekt bei Infektionskrankheiten wie Scharlach abzumildern. Besteht gar eine Immunitätsschuld? Darunter ist eine Schuldannahme zu verstehen, die passiert, weil Kinder während der Kontaktbeschränkungen und starken Hygieneauflagen der Corona-Pandemie nicht ausreichend mit Bakterien in Kontakt gekommen sind und deshalb jetzt verstärkt mit Infekten reagieren.
Davon will Professor Dr. Theo Dingermann in seiner Stellungnahme zu dem Thema in der „Pharmazeutischen Zeitung“ aber nichts wissen: „Statt die unliebsamen Maßnahmen durch erfundene Phänomene zu kritisieren, sollte man sich eher über die Konsequenzen Gedanken machen, die der Verzicht darauf mit sich bringen kann. Dass derzeit so viele Kinder erkranken, ist eine davon. Eine weitere ist die zunehmend ungehinderte Verbreitung von Sars-CoV-2 in der Bevölkerung, die stets die Gefahr neuer Mutationen mit sich bringt.“ Der Begriff Immunitätsschuld sei irreführend, denn niemand sei schuld daran, sich anzustecken und es gäbe auch keine Art Kontostand im Körper, mit dem sich die Abwehrkräfte messen ließen. Diese haben seit der Pandemie nicht abgenommen. Jeder Mensch besitzt weiterhin gleich gute Abwehrkräfte, bloß haben sie jetzt mehr zu tun, sind mehr „Angreifern“ ausgesetzt und dementsprechend gibt es eine Expositionslücke zu schließen. Es ist also normal, dass der Krankenstand nun wieder ansteigt, das reguliert sich in den kommenden Monaten und Jahren dann von allein. Wichtig ist, dass Scharlach erkannt und von erfahrenen Medizinern entsprechend behandelt wird. Wegen der bloßen Existenz muss sich jetzt aber niemand verrückt machen. Auch wenn wir keine Gesichtsmasken mehr im Alltag tragen und nicht jede Türklinke ständig desinfiziert wird. In den überwiegenden Fällen bleibt diese Erkrankung lästig, aber behandelbar. Schwerwiegende Verläufe sind zum Glück relativ selten. Impfungen wird es auch in Zukunft nicht geben (können), denn die Infektion kann durch unterschiedliche Bakterien ausgelöst werden und ist deshalb nicht vorhersehbar.