Nach den Bauernprotesten lockert die EU Umweltauflagen. Dies verschafft der Landwirtschaft etwas Luft, Umweltorganisationen aber melden bereits Bedenken wegen der aufgeweichten Regelungen an.
Es waren die heftigsten Bauernproteste seit Langem in Deutschland, aber auch in vielen anderen Teilen der EU: Hierzulande ging es um die deutschen Subventionen wie beispielsweise Dieselhilfen für Landwirtinnen und Landwirte, aber auch um EU-Regelungen, Kontrollen und Umweltauflagen. Diese sind nun aufgeweicht worden – sehr zur Enttäuschung der Grünen, die Gefahren für Umwelt- und Artenschutz sehen. Entsprechend hatte sich Deutschland bei der Abstimmung auf EU-Ebene enthalten. Umsetzen werden die deutschen Landwirtschaftsminister die Änderungen nach einem geplanten Treffen Ende Mai.
Böden müssen weniger geschont werden
Zuvor hatten sich Politikerinnen und Politiker parteiübergreifend für Entlastungen ausgesprochen, denn der Druck der Straße war hoch und zum Teil gewaltsam. Viele Höfe in Deutschland kämpfen um ihr Überleben – zwischen den Jahren 2020 und 2023 gaben allein in Deutschland 7.800 Landwirte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ihre Betriebe auf.
„Im nächsten Jahr erwarten wir deutlich schlechtere Betriebsergebnisse“, sagte beispielsweise der Geschäftsführer des saarländischen Bauernverbandes, Alexander Welsch, im FORUM-Interview im Januar dieses Jahres, als die Proteste wegen des Sparzwangs der Bundesregierung auf Deutschland übergesprungen waren. „2022/2023 war ein einmalig gutes Jahr innerhalb von 30 Jahren in der Landwirtschaft“ – vor allem wegen des Preisschocks durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, beides entscheidende Länder für die weltweite Getreideproduktion. „Die mangelnde Verlässlichkeit in der Politik führt dazu, dass Betriebe in den Nebenerwerb gehen müssen oder nicht an die nächste Generation weitergegeben werden, weil es sich nicht lohnt oder die Perspektive fehlt“, so Welsch.
Stattdessen nun gelockerte Regeln. Geändert werden Umweltstandards, an die sich Bauern eigentlich halten müssen, um von den milliardenschweren EU-Agrarsubventionen zu profitieren. Mehrere dieser Standards können künftig aufgeweicht werden, bei der Umsetzung haben die EU-Staaten viel Spielraum. Dabei geht es etwa darum, dass weniger Flächen für die Schonung der Böden brachliegen müssen. Ursprünglich mussten landwirtschaftliche Betriebe bestimme Flächen ruhen lassen, um die Bodenregeneration nach intensiver Bewirtschaftung anzuregen und Biodiversität zu fördern. Die EU-Staaten sollen zudem Ausnahmen von Umweltanforderungen erlassen können, wenn „im Falle unvorhergesehener klimatischer Bedingungen“ – Starkregen oder ähnliches – Landwirte die Regeln nicht einhalten können. Zudem ist vorgesehen, Betriebe mit einer Fläche von weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Strafen zu befreien. 2020 lag die Durchschnittsgröße deutscher Höfe bei 63 Hektar, so das Statistische Bundesamt Destatis.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) teilte mit, dass Landwirte unabhängig von der EU-Agrarpolitik zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft stünden. Der Verband drängt darauf, dass Deutschland seine nationalen Regeln ändert, damit sich umweltfreundliche Maßnahmen von Landwirten – dazu zählen etwa Blühstreifen für Bienen und andere Tiere am Rande von Agrarflächen – mehr lohnen. Auch die FDP-Agrarpolitikerin Carina Konrad pocht auf bessere Anreize für Landwirte. „Effiziente Umweltpolitik funktioniert nicht durch pauschale Flächenstilllegung“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
Vorausschauende Politik angemahnt
Die Bundesregierung hatte den Lockerungen auf EU-Ebene wegen Bedenken mit Blick auf den Umweltschutz nicht zugestimmt. „Nach der regierungsinternen Diskussion hat sich Deutschland letztlich enthalten, weil die Vorschläge der EU-Kommission eine pauschale Absenkung der Schutzstandards bedeuten“, teilte das von den Grünen geführte Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Die Umweltorganisation WWF sprach mit Blick auf bestimmte Änderungen von mit Steuergeldern subventioniertem Politikversagen. „Die Europäische Umweltagentur warnt, dass der Klima-Notstand, die Ernährungs- und Wassersicherheit in Europa bedroht und die derzeitige GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) dem nicht ausreichend entgegenwirkt. Dennoch schleift die EU wesentliche Umweltauflagen in der Landwirtschaft“, gibt Rolf Sommer, Leiter des Bereichs Landwirtschaft in der Naturschutzorganisation, zu bedenken. „Die Erzeugerpreise werden dadurch nicht fairer, die Böden nicht gesünder, die klimabedingten Ernteausfälle nicht geringer. Im Gegenteil, und das weiß auch die Politik: In Kürze wird in der EU der finanzielle Rahmen für nationale Beihilfen bei zum Beispiel dürrebedingten Ernteausfällen oder Unwettern erweitert. Was folgt, ist eine absurde Aufwärtsspirale bei diesen staatlichen Subventionen.“
„Für die landwirtschaftlichen Betriebe bedeuten die beschlossenen Änderungen in erster Linie eine dringend erforderliche erste Erleichterung“, teilte DBV-Präsident Joachim Ruckwied mit. Weitere Entlastungen müssten von einer neuen EU-Kommission, die nach den Wahlen am 9. Juni entsteht, jedoch konsequent fortgesetzt werden. Wieviel letztlich von dem ambitionierten Green Deal nach einem erwarteten Erstarken der konservativen und rechtsgerichteten Kräfte im EU-Parlament umgesetzt werden kann, bleibt ohnehin nach dem Aufbau einer neuen Kommission fraglich.