Die Clinical oder Hormonal Skincare zählt zu den wichtigsten Hautpflege-Trends des Jahres. Das Konzept sieht den Einsatz von Kosmetikprodukten in Abstimmung mit regelmäßigen hormonellen Veränderungen im Verlauf des weiblichen Zyklus vor.
Dass die menschliche Haut mit einer Fläche von eineinhalb bis zwei Quadratmetern und einem Gewicht von dreieinhalb bis zehn Kilogramm das größte und schwerste Organ ist, dürfte längst als Binsenweisheit bekannt sein. Relativ neu ist jedoch die Erkenntnis, dass in der Haut auch Hormone produziert werden, auch wenn sich deren Menge im Vergleich zu der Herstellung in Schilddrüse oder Nebenniere in recht bescheidenen Grenzen hält. Erst nach dem Wegfall der Eierstockfunktion stellt die Produktion der Östrogene im weiblichen Unterhautfettgewebe einen relevanten Anteil dar, auch wenn ab diesem Zeitpunkt insgesamt der Östrogenspiegel sehr niedrig bleibt. Bis zu 30 verschiedene Hormone und Hormongruppen sind in den Zellen der Haut und des Unterhautfettgewebes aktiv. Was die Haut zu einer veritablen Hormondrüse macht, auch wenn in der künftigen Forschung noch geklärt werden muss, wie sich Haut und Hormone wechselseitig beeinflussen.
Einfluss des Zyklus blieb lange unbeachtet
Dass sich jahrzehntelang niemand die Frage gestellt hatte, ob und inwieweit der weibliche Zyklus mit daraus resultierenden hormonellen Schwankungen in irgendeiner Form wesentlichen Einfluss auf die Beschaffenheit der weiblichen Haut haben könnte, ist im Rückblick fraglos ziemlich überraschend. Die den Damen empfohlene Auswahl von Kosmetikprodukten hatte sich mehr oder weniger an reinen Äußerlichkeiten wie normale, trockene oder fettige Haut orientiert. Das war natürlich viel zu oberflächlich gedacht. Denn dabei wurden die hormonellen Umschwünge, die während des Zyklus ganz entscheidend zum Aussehen der Haut beitragen, gänzlich außen vor gelassen.
„Wie die Haut einer Frau gerade drauf ist“, so die „Süddeutsche Zeitung“, „wie viel Talg sie produziert und wie viele Pickel, das wandelt sich ständig, und es hängt ganz wesentlich davon ab, in welcher Phase ihres Menstruationszyklus sich die Frau gerade befindet. Kommt die Periode bald? Dann ist die Haut allzu oft ein glänzendes, hormonverseuchtes Ärgernis. Rund um den Eisprung entschädigt sie ihre Besitzerin dagegen mit einem verführerisch rosigen, frischen, Fruchtbarkeit signalisierenden Teint.“ Inzwischen hat sich daher die Erkenntnis durchgesetzt, dass die weiblichen Hormone einen großen Einfluss auf die Talgdrüsen, den Feuchtigkeitshaushalt sowie die Durchblutung der Haut haben. Und dass sich darüber hinaus hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren nachweislich stärker auf die Haut auswirken können als die natur- und zeitbedingte Alterung der Haut.
Ob es der Menstruationszyklus, eine Schwangerschaft oder die Menopause ist – all diese Phasen können verschiedenste kurzfristige Veränderungen der Hautbedürfnisse wie ein Mehr an Feuchtigkeit oder Reinigung hervorrufen. Genau an diesem Punkt setzt der neue Trend der Hormonal Skincare an, die alternativ auch als Clinical Skincare bezeichnet wird und auf die hormonell bedingten Bedürfnisse der weiblichen Haut während des Menstruationszyklus abgestimmt ist. Die zyklusbasierte Hautpflege berücksichtigt genau die dynamischen Veränderungen während des Menstruationsvorgangs und rät dazu, die Hautpflege individuell an die spezifischen Bedürfnisse jeder Zyklusphase anzupassen. Dabei soll mithilfe von speziellen Pflegeprodukten und -routinen ein Ausgleich der Schwankungen im Hormonspiegel erreicht werden, um beispielsweise die Talgproduktion zu regulieren, Entzündungen zu reduzieren und das Gleichgewicht der Haut möglichst optimal zu halten. Jede Frau kann am Erscheinungsbild ihrer Haut ziemlich genau ablesen, in welcher Phase ihres Zyklus sie sich gerade befindet. Weil lästige Pickelchen beispielsweise in der Regel kurz vor der Periode aufzutreten pflegen, wohingegen die Haut während der Follikelphase von der Menstruation bis zum Eisprung vor Feuchtigkeit und frischem Glow geradezu zu sprühen scheint.
Androgene, Östrogene und Gestagene
Hilfreich und sinnvoll ist es zunächst einmal, sich klar zu machen, welche Hormone maßgeblich den Zyklus und damit den jeweiligen Zustand der Haut im Laufe der verschiedenen Phasen beeinflussen können. Östrogen, Progesteron und Androgene wie Testosteron spielen die Hauptrolle. Östrogene sind weibliche Sexualhormone, denen eine wichtige Funktion bei der Erhaltung der Kollagenproduktion zukommt. Ein Rückgang des Hormons, was typischerweise während der Menopause auftritt, kann zu einer Verminderung der Hautelastizität und zunehmender Faltenbildung führen. Ein niedriger Östrogenspiegel im Verhältnis zum männlichen Sexualhormon Testosteron kann die Talgproduktion steigern, was eine Erhöhung des Akne-Risikos zur Folge haben kann. Das männliche Sexualhormon Testosteron kann die Talg-Ausbildung stimulieren, was zu Hautunreinheiten führen kann.
Ein Ungleichgewicht zwischen Östrogen und dem weiblichen Geschlechtshormon Progesteron kann ebenfalls die Talgproduktion erhöhen und damit Akne begünstigen. Hohe Insulinspiegel können die Produktion von Androgenen wie Testosteron fördern, was wiederum einen Anstieg der Talgproduktion zur Folge haben kann.
Nicht zu vergessen auch das Stresshormon Cortisol, weil ein hoher Cortisolspiegel die Haut daran hindern kann, Feuchtigkeit in ausreichendem Maße zu speichern.
„In der ersten Hälfte, von der Periode bis zum Eisprung“, so das Magazin „Brigitte“, „regt Östrogen die Bildung von Kollagen, Hyaluronsäure und Elastin an. So wird der Feuchtigkeitshaushalt und die Struktur der Haut beeinflusst. Ist der Östrogenspiegel auf seinem Höchststand, sieht der Teint prall und strahlend aus.“ Nach dem Eisprung komme es diesbezüglich zu einer grundlegenden Veränderung: „Progesteron kurbelt die Talgproduktion an und lässt die Poren zusammenziehen. Ölige Haut und Unreinheiten können so begünstigt werden.“
Bei der Hormonal Skincare, auf die Beauty-Marken wie Typology, Vichy, Superdrug, Faace oder No7 mit besonderen Pflegesets samt speziellen Seren oder Einmalampullen längst eingestiegen sind, soll die Hautpflege auf vier Stadien des im Schnitt 28 Tage dauernden weiblichen Zyklus abgestimmt werden: die Menstruationsphase, die Phase nach der Periode (Follikelphase), die Phase rund um den Eisprung (Ovulationsphase) und die Phase bis zur nächsten Periode (Luteralphase). Zusätzlich sollte jedoch auch der individuelle Hauttyp berücksichtigt werden, weil beispielsweise trockene Haut in den ersten Tagen des Zyklus noch mehr austrocknen kann und daher eine etwas andere Pflege benötigt als von Natur aus fettige Haut. Allgemein gilt die Grundregel, dass leichte Seren mit Niacinamiden eine übermäßige Talgproduktion und damit die Ausbildung von Mitessern eindämmen können, während Ceramide oder der Harnstoff Urea als natürliche Feuchtigkeitsfaktoren trockene und sensible Haut beruhigen und hydratisieren können.
Menstruationsphase (Tag 1–7):
In dieser Phase befinden sich die Hormone auf dem Tiefstand. Die Haut ist oft trocken und kann daher empfindlich sein. Es wird weniger Talg produziert, gleichzeitig kann der verminderte Östrogengehalt zu einem Feuchtigkeitsverlust der Haut führen. Daher gilt es nun, mit reichlicher Pflege entgegenzuwirken. Nährende Feuchtigkeitscremes mit die Haut beruhigenden Inhaltsstoffen oder auch Gesichtsmasken mit Hyaluronsäure sollten erste Wahl sein. Von Peelings wird ebenso eher abgeraten wie vom Ausprobieren neuer Pflegeprodukte.
Follikelphase (Tag 8–13):
In dieser Phase beginnt der Östrogenspiegel wieder anzusteigen, was zu einer verbesserten Hautfeuchtigkeit führen kann. Auch Kollagen, Elastin und Hyaluronsäure werden wieder vermehrt gebildet. Der Teint wirkt frischer, was durch das Auftragen von Produkten mit leichten Feuchtigkeitsformeln gefördert werden sollte. Auch Antioxidantien, Peptide oder aktive Substanzen wie Vitamin C, Retinoide oder Alpha-Hydroxysäuren sind empfehlenswert. Zur Reinigung können nun auch gründliche Peelings verwendet werden, weil die Haut jetzt weniger empfindlich ist. Dadurch können abgestorbene Hautzellen entfernt und das Zellwachstum angekurbelt werden. Enzympeelings können dabei eine gute Wahl sein, da ihre gelartige Textur keine Schleifpartikel enthält.
Leichte Seren können das Hautbild aufklären
Ovulationsphase (Tag 14–18):
In dieser Phase zeigt sich die Haut von ihrer schönsten Seite, prall, perfekt durchfeuchtet und nahezu porenlos. Dafür ist vor allem der hohe Östrogenspiegel rund um den Eisprung verantwortlich. Auch der Anstieg des Testosterons sorgt dafür, dass sich die Haut weniger trocken und dafür wunderbar geschmeidig anfühlt. Ein Überschießen des Testosterons und die damit verbundene Neigung zur Pickelbildung wird durch das Progesteron weitgehend verhindert. Um dennoch etwaige Akne-Attacken abzuwehren, können Reinigungsprodukte mit Inhaltsstoffen wie Teebaumöl oder Salicylsäure verwendet werden. Ansonsten sollte in dieser Phase auf reichhaltige Cremes oder Öle verzichtet werden, weil die Haut das gar nicht benötigt. Leichte Feuchtigkeitsspender sind völlig ausreichend, auch Präparate mit Vitamin B3 oder Niacinamid können eventuell verwendet werden. Statt Peelings wird allenfalls zu sanften Trockenbürstenmassagen geraten.
Luteralphase (Tag 19–28):
In dieser Phase gerät die Haut wieder aus dem Gleichgewicht, weil einerseits der Östrogenspiegel zu sinken beginnt und gleichzeitig der Progesteronspiegel mit einer Zunahme der Talgproduktion ansteigt. Die Haut kann fettig werden, es kann zu Unreinheiten kommen. Was vor allem direkt vor der Periode einzutreten pflegt, wenn das auch als Gelbkörperhormon bekannte und dem Kollagengerüst im Bindegewebe Stärke verleihende Progesteron sowie das Östrogen unter den Testosteronspiegel abfallen. Akne-Schübe an Kiefer oder Kinn sind dann keine Seltenheit. Produkte mit entzündungshemmenden Inhaltsstoffen wie Teebaumöl, Retinol oder Benzoylperoxid sind nun hilfreich. Mattierende Pflegen können ebenso Abhilfe schaffen wie sanfte Reinigungsprodukte mit Inhaltsstoffen wie Salicyl- oder Glykolsäure sowie Niacinamid beziehungsweise Quinoa-Extrakt. Auch alkoholfreie, die Haut beruhigende Toner oder ölfreie Feuchtigkeitscremes können nun aufgetragen werden.