Die Volleyball-Bundesliga der Frauen kämpft mit großen Problemen. Finanzielle Schwierigkeiten plagen viele Vereine so sehr, dass der einstige Anspruch auf einen Platz unter Europas drei stärksten Ligen derzeit wie Hohn klingen muss. Vor den nächsten Träumen müssen strukturelle Schwächen ausgemerzt werden.
Mit einem beschaulichen Sommer ist bei der Volleyball Bundesliga (VBL) wohl kaum zu rechnen. In der Frauen-Bundesliga bestehen so große Probleme, dass die Dachorganisation der höchsten deutschen Spielklassen voraussichtlich noch Schwerstarbeit zu leisten haben wird, um nicht schon vor Beginn der neuen Spielzeit einen schweren Kollaps zu erleiden.

„Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem jeder Einzelfall das Potenzial hat, das ganze Ligakonstrukt ins Wanken zu bringen“, sagte VBL-Geschäftsführer Daniel Sattler erst vor wenigen Wochen wieder: „Wir stehen vor einer herausfordernden Situation, weil etliche Standorte mit wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu kämpfen haben.“
Als da wären vor allem die ewige Falle mit schrumpfenden Etats bei steigenden Gehältern. Zu allem Überfluss jedoch droht dem Oberhaus neuerdings zusätzlich ein enormer Qualitätsverlust aufgrund der neuen und lukrativen US-Profiligen: Denn entweder kommen potenzielle Stars erst gar nicht mehr aus Übersee in die Bundesliga, oder starke Spielerinnen wandern angesichts der besseren Möglichkeiten über den Großen Teich in die USA ab. „Das ist“, meint Sportdirektorin Kim Oszvald-Renkema vom Deutschen Meister Allianz MTV Stuttgart, „das ist gefährlich für uns.“

Die ernsthafteste Bedrohung für die deutsche Eliteklasse kommt von innen – die elementaren Probleme nämlich sind hausgemacht. Nicht von ungefähr wird die Liga immer kleiner, doch die unfreiwillige Schrumpfkur zeitigt bisher noch keine Spuren einer Gesundung. Noch 2011 gehörten 15 Mannschaften zur höchsten Klasse des Landes und 2022 immerhin noch mal wieder zwölf, doch zu Beginn der abgelaufenen Spielzeit waren es – nach der Insolvenz von Nawaro Straubing und dem ebenfalls finanziell bedingten Rückzug von Schwarz-Weiß Erfurt – nur noch zehn.
Der Niedergang könnte sich zur kommenden Spielzeit noch fortsetzen. Denn schon nach der abgelaufenen Hauptrunde meldete bereits das sieglose Schlusslicht VC Neuwied Zahlungsunfähigkeit an, ehe Ex-Meister Rote Raben Vilsbiburg wegen des zu hohen finanziellen Risikos auf seinen über 30 Jahre angestammten Platz verzichtete. Zudem hing noch Anfang Mai die Lizenz für den SC Potsdam am seidenen Faden. Weil sich nur Erfurt nach zwölfmonatiger Konsolidierung im Unterhaus den Aufstieg zutraut, erreicht die erste Liga erstmals seit 28 Jahren wieder keine zweistellige Anzahl von Mannschaften.
Ein Offenbarungseid für eine Liga, die sich mittelfristig den dauerhaften Aufstieg in den Kreis von Europas drei stärksten Spielklassen auf die Fahnen geschrieben hatte. „Wir wollten uns ja eigentlich auf den Weg begeben, wieder zwölf und perspektivisch 14 Mannschaften zu haben. Aber davon sind wir meilenweit weg“, lautet die ernüchterte Bestandsaufnahme von Stuttgarts Geschäftsführer Aurel Irion: „Irgendwann ist es schwierig, unser Produkt als toll zu verkaufen, wenn wir immer gegen die Gleichen spielen.“

Für seine Sportdirektorin ist die bedrohliche Entwicklung viel zu lange nicht ernst genug genommen worden. „Viele Clubs verlieren den Anschluss. Die Liga muss wieder gesund werden – sonst gibt es sie bald nicht mehr“, warnt Oszvald-Renkema eindringlich: „Wir brauchen jetzt einen Krisenplan, um die Liga zu stabilisieren.“
Ihre Forderung: „Die Mannschaften, die nicht bis zum Halbfinale oder den Endspielen dabei sind, haben immer weniger Einnahmen durch Spiele und immer größere Schwierigkeiten, Sponsoren von einem Engagement zu überzeugen. Wir müssen jetzt wirklich schnellstmöglich schauen, dass wir wieder mehrere Mannschaften hochziehen.“
Diesen Ansatz verfolgte die VBL bereits im Herbst vergangenen Jahres durch die Verabschiedung des Programms „Aufstieg 2.0“. Der Plan: Vier bis fünf Vereine aus der schon im vorigen Sommer gegründeten Zweiten Liga Pro mit semiprofessionellen Strukturen sollen als „Paket“ ins Oberhaus aufsteigen. Anreize sollen für die ersten zwei Jahre in Liga eins gelockerte Bedingungen bei der Lizenzerteilung in finanziellen und organisatorischen Belangen sowie ein garantierter Klassenverbleib für den gleichen Zeitraum sein. Der Haken: Die Initiative könnte erst zur Saison 2025/26 ihre erhoffte Wirkung entfalten.
Neue Strukturen sollen helfen

Wenn allerdings die Idee bis dahin nicht von der tristen Realität überholt werden sollte, weist die Strategie einige taugliche Aspekte auf. Für einen Neuling, meint VBL-Chef Sattler, sei das Tabellenende „kein Umfeld, in dem man Sponsoren und Zuschauer aktiviert bekommt. Deswegen ist wichtig, dass wir ein Cluster an semiprofessionellen Clubs in die Liga bekommen, die sich zunächst ohne Konkurrenzfähigkeit mit den Topteams untereinander einen spannenden Wettbewerb liefern können“.

Ein ähnliches Modell verlief bei seiner Premiere in der abgelaufenen Saison der Männer-Bundesliga nach eben diesem Muster erfolgreich. Tatsächlich konnten die Fans über mehrere Wochen in der unteren Tabellenregion einen lange nicht mehr erlebten Wettstreit des Neulings-Quartetts um den achten und letzten Play-off-Platz verfolgen. „Einsame Runden als Schlusslicht zu drehen, schadet den Vermarktungschancen eines Produktes vor Ort und ist auch emotional erschöpfend“, schlussfolgert Sattler.
Zur Anbahnung einer solchen Entwicklung will die VBL die Grenzen in der Mehr-Klassen-Gesellschaft wieder durchlässiger machen. „Die Spreizung bei den Etats in der Frauen-Liga ist sicher größer als noch vor sechs oder acht Jahren, als auch noch sechs Vereine Meister werden konnten“, beschreibt Sattler einen zusätzlichen Handlungsbedarf.
Gelingt das Projekt „Aufstieg 2.0“, wofür die VBL „alle Maßnahmen gut miteinander verzahnen“ will, hofft Sattler, „dass auch Standorte, an denen nicht um die Meisterschaft gespielt wird, eine Perspektive in der Liga sehen“.
Doch Newcomer sind nach Ansicht von Irion und seines Kollegen Michael Evers vom Rekord-Titelgewinner und Vizemeister SSC Palmberg Schwerin nicht das einzige Problem der Liga. Laut den zwei Erfolgsmanagern steht auch das Finanzgebaren so manchen Clubs aus dem sogenannten Establishment dem organischen Wachstum der Eliteklasse im Weg.
Zu viel finanzielles Risiko

„Bei dem einen oder anderen Vereinsverantwortlichen“, meint etwa Evers, „gibt es eine zu große Diskrepanz zwischen dem sportlichen Anspruch einerseits und den wirtschaftlichen Möglichkeiten andererseits“. Zahlreiche Clubs hätten ihre Mittel auf der Jagd nach Erfolgen vor allem in die Mannschaft gepumpt und dafür auf gleichfalls benötigte Investitionen in die Infrastruktur und damit die Professionalisierung verzichtet, beschreibt Evers das Problem weiter und schreibt der Konkurrenz einen Merksatz ins Stammbuch: „Vereinsvisionen müssen Schritt für Schritt wachsen und sind keine Selbstläufer, sondern das Produkt harter Arbeit und von Wirtschaften mit Augenmaß.“
Irion beklagt über die Grenzen seiner Sportart hinaus außerdem inzwischen auch schon im Frauen-Bereich die Verdrängungskraft des Fußballs: „Ich sehe ein Problem für den Frauen-Sport in Deutschland. Alles, was sich außerhalb des Fußballs bewegt, hat es extrem schwer.“
Anders als beispielsweise ein herkömmliches Punktspiel in der Fußball-Bundesliga der Frauen hätte für den zeitgemäßen „Double Header“ der beiden Volleyball-Pokalendspiele an einem Tag in Mannheim bei den öffentlich-rechtlichen Sender keinerlei Interesse bestanden: „Nicht mal damit hatten wir eine Chance.“
Unter den schwierigen Gesamtvoraussetzungen soll die kommende Saison bis zur Aufstockung durch das erste Aufsteiger-Paket einen Übergang darstellen. Für ausreichend Heimspiele sollen insgesamt drei Runden sorgen, bevor in den Play-offs die Titelentscheidung ausgespielt wird.