Der amerikanische Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur John Krasinski über seinen Live-Action-Animationsfilm „IF: Imaginäre Freunde“, über echte Freundschaft und wie die Welt doch noch zu einem besseren Ort werden könnte.
Mr. Krasinski, hatten Sie jemals einen „Imaginären Freund“?
Ja, ich hatte als Kind einen imaginären Freund. Sein Name war Sam Brace. Denn damals hatte einer meiner älteren Brüder eine Zahnspange. Deshalb dachte ich, das wäre der absolut coolste Name überhaupt. Sam hat mich damals überallhin begleitet. Zum Beispiel auch zum nächsten Video-Laden. Dort haben wir dann so getan, als wären wir zusammen in Action-Movies. Oder sogar in Horrorfilmen. Obwohl ich die damals ja noch gar nicht sehen durfte, weil ich viel zu jung dafür war. Also war ich Werwolf Nummer eins und Sam war Werwolf Nummer zwei. Sam und ich haben wirklich die wildesten Abenteuer erlebt. Allerdings habe ich ihn dann irgendwann aus den Augen verloren… Erst als ich „IF“ gemacht habe, ist mir Sam wieder eingefallen. Und genau das ist ja der Sinn des Films: Dass dein imaginärer Freund eigentlich nie wirklich weg, sondern immer da war.

Sie haben lange mit dem Gedanken gespielt, einen Film wie „IF“ zu machen. Was war denn der zündende Funke für diese Story?
Ich fand es absolut faszinierend, aus „IF“ eine Mischung aus Live-Action- und Animationsfilm zu machen. Denn dadurch konnte ich in eine Traumwelt eintauchen, in der praktisch alles passieren kann. Der eigentliche Auslöser war aber, dass ich endlich einmal einen Film für meine beiden Töchter (Hazel, 10, und Violet, 8; Anm.d.Red.) machen wollte. Die Idee, ein junges Mädchen mit ihrem erwachsenen Nachbarn in eine Welt zu schicken, in der auch viele imaginäre Freunde leben – die aber nur die beiden wirklich sehen können –, nahm dann während der Pandemie so richtig Fahrt auf. Denn da waren meine Kinder ja weitestgehend von der realen Welt abgeschnitten und verbrachten die meiste Zeit zu Hause. In dieser Zeit habe ich beobachtet, wie sie sich mit viel Fantasie eine imaginäre Welt erschaffen haben. Als die Isolation immer länger dauerte, wollten sie irgendwann wissen, wie es den anderen Kindern da draußen geht. Wie sie sich fühlen und wie sie mit der Situation zurechtkommen. Da dachte ich: Es ist eigentlich ganz egal, ob du einen guten oder schlechten Tag hast, denn es doch immer jemand für dich da – nämlich dein imaginärer Freund. Und der hilft dir dann, gut durch den Tag zu gehen.
Ihr Hauptdarsteller Ryan Reynolds sagte, dass „IF“ ein Live-Action-Pixarfilm ist. Trifft er damit den Nagel auf den Kopf?
Das ist eine sehr schmeichelhafte Beschreibung. Wie das Pixar-Studio seine Geschichten erzählt, ist ja etwas ganz Besonderes… Ich würde meinen Film nie mit Pixar vergleichen. „IF“ ist ein Film, der zeigt, dass man eigentlich nie zu alt ist, um auch Kind zu sein. Ich finde es immer noch sehr wichtig, dass wir Tagträume haben. Ryan und ich haben uns oft gefragt, wann wir eigentlich damit aufgehört haben zu träumen. Und warum? Wann haben wir entschieden: Unsere Kindheit ist vorüber – und ich bin jetzt ein Erwachsener?

Ihr Film greift nicht nur diese (Tag-)Träume auf. Er zeigt auch, wie wichtig echte Freundschaft, Hoffnung und Vertrauen sind. Vermutlich wollten Sie mit diesen positiven Aussagen dem zynischen Zeitgeist etwas entgegensetzen…
…ja, genau das war der wesentliche Impuls, warum ich den Film machen wollte. Vielen Dank, dass Sie das ansprechen. Während der Pandemie habe ich die Web-Show „Some Good News“ moderiert. Die, wie der Titel schon sagt, nur gute Nachrichten verbreiten sollte. Da habe ich mich mit einigen Celebrities immer über Geschichten unterhalten, die einen froh und positiv stimmten. Was mir die Leute da erzählt haben, hat mich unglaublich tief berührt. Ich würde mir wünschen, dass „IF“ die Filmversion von „Some Good News“ ist. Die Welt kann leider wirklich ein sehr zynischer und kalter Ort sein. Aber für mich ist letztlich entscheidend, wie ich persönlich damit umgehe. Lasse ich mich unterkriegen oder finde ich genug positive Dinge im Leben, um weiterzumachen? Mit „IF“ wollte ich zeigen, dass die Welt auch ein hellerer und wärmerer Ort sein kann.
Können Filme auch eine heilende Wirkung auf uns Zuschauer haben?
Absolut! Genau das hat mich ja als Kind so berührt. Dass ich im Kino in diese Wunderwelt der Bilder und Geschichten eintauchen konnte und mich dadurch irgendwie geborgen fühlte. Ob das nun „E.T. – Der Außerirdische“ war oder „Die unendliche Geschichte“ und „Hook“ mit Peter Pan. Diese Faszination war höchstwahrscheinlich auch der Auslöser dafür, dass ich später ein Teil dieser Filmwunderwelt sein wollte. Mein größter Wunsch ist es, dass „IF“ die Zuschauer dazu anregt, über ihr eigenes Leben nachzudenken und sie sich dann hoffentlich besser fühlen.

Haben Sie echte Freundschaften im Filmbusiness gefunden?
Ja, glücklicherweise. Für mich ist Freundschaft vor allem eine spirituelle Angelegenheit. Mit wem kann ich so sein, wie ich wirklich bin? Ohne Verstellung. Ohne Agenda. Wenn ich einen Menschen gefunden habe, zu dem ich dieses absolute Vertrauen haben kann, dann ist er auch mein Freund. (lacht) Und lustigerweise ist ja gerade der imaginäre Freund, den du selbst erschaffen hast, der, mit dem du hundert Prozent du selbst sein kannst.
Sie haben für Ihren Film einen wunderbaren Cast zusammenbekommen: Ryan Reynolds als Hauptdarsteller und als Stimmen unter anderem Steve Carell, Matt Damon, Sam Rockwell, Jon Stewart, Ihre Frau Emily Blunt, etc… Mussten Sie Ihre Frau lange dazu überreden, die Stimme des Einhorns zu sein?
Nein, sie hat mich von Anfang an unterstützt und hatte sehr viel Spaß dabei, das Einhorn zu sein. Alle, die mitmachten, sind ja meine Freunde. Ich werde nie wieder eine so tolle Besetzung zusammenkriegen, das ist mal sicher.
Wann haben Sie festgestellt, dass Sie komisches Talent haben? Und das Zeug zum Schauspieler?
Das ist eine großartige Frage. Das war wohl, als ich bei Familientreffen immer irgendetwas Lustiges dargeboten und dafür viele Lacher bekommen habe. Zum Beispiel für einen Sketch aus „Saturday Night Live“ (die legendäre Comedy-Show im amerikanischen Fernsehen; Anm.d.Red.). Das wollte ich dann immer wieder haben. Diese frühen Erfahrungen und meine Eltern, die mich immer sehr unterstützt haben, waren wohl der Grund dafür, dass ich mich irgendwann tatsächlich als Comedian und Schauspieler ausprobieren wollte. Zum Glück bin ich dann bald den richtigen Leuten im Business begegnet, die mir die Chance gaben, mich auch professionell zu beweisen.

Sie haben einmal ein Essay geschrieben mit dem Titel „Inhalt unter Druck“. War das nicht die Blaupause für Ihre spätere Karriere? Ständig etwas unter Zeitdruck liefern zu müssen?
Oh ja, ganz genau! (lacht) Das habe ich geschrieben, als ich auf dem College war. Damals habe ich natürlich nie gedacht, dass ich einmal Autor werden würde. Mir war eigentlich klar, dass ich Lehrer werde. Aber dann habe ich immer mehr geschrieben und das hat mir die Augen dafür geöffnet, dass ich durch das Schreiben Erfüllung finden kann.
Was hat Ihnen in Ihren jungen Jahren geholfen, der zu sein, der Sie heute sind?
Auf jeden Fall die Fähigkeit, offen zu sein und neugierig aufs Leben. Und die Zuversicht, dass das Leben mir schon den richtigen Weg zeigen wird. Diese Überzeugung hat mir viel Kraft gegeben.
Und was hat Sie bei Ihrer Entfaltung behindert?
Das, was wohl jeder von uns kennt: Dass ich nervös war, unsicher – und gezweifelt habe an mir und der Welt. Die Dinge, die mich behindert und mir auch Angst eingeflößt haben, sind aber dieselben Dinge, die ganz besonders wichtig sind. Denn genau die muss man ja bewältigen. Angst darf einem nie den Weg versperren dorthin zu gehen, wo man sein will.
Dann treibt Sie die Angst an? Nicht die Lust?
Wow… Auch eine sehr wichtige Frage! Ich glaube, beides treibt mich an. Die Lust lässt mich zur Startlinie gehen. Und die Angst bringt mich ins Ziel.

Sie standen mit Ihrer Frau in den beiden „A Quiet Place“-Filmen vor der Kamera. Werden Sie bald wieder einen Film zusammen machen?
Auf jeden Fall. „A Quiet Place 3“ ist schon in Planung. Emily ist ohne Zweifel mein Lieblingspartner – im Leben und bei der Arbeit. Sie ist nicht nur wahnsinnig talentiert, sie hat auch die Gabe, alle Menschen um sich herum zu inspirieren und zu Höchstleistungen anzustacheln. Die Dreharbeiten sind so lebendig und so zauberhaft, wenn sie mit dabei ist.
Wovor haben Sie mehr Angst: Vor der Künstlichen Intelligenz oder dass Trump wieder Präsident wird?
Was für eine Hammerfrage! (lacht) Ich weiß nicht, was schlimmer wäre. Ach, ich glaube, dass wir die KI immer noch in den Griff kriegen können. Und lernen, sie richtig zu verstehen und sie sinnvoll einzusetzen. Ich verstehe die Angst vor der KI, aber ich habe große Hoffnung, dass wir diese Herausforderung meistern werden. Und zu Trump… da sage ich lieber nichts…
Und Ihre Lebensphilosophie in einer Nussschale?
Ich glaube, dass keine wirklich gute Philosophie in einer Nussschale Platz finden würde. Das Schöne an der Philosophie ist ja, dass sie nicht fix und fest ist. Sie wandelt sich doch ständig. Wonach ich jeden Tag zu leben versuche, ist, ein bisschen besser zu werden.
Geben Sie uns noch vier Worte, die Sie beschreiben?
Vater, Freund, versuchen, Spaß.