Die erfolgreiche Invasion an der Normandieküste am D-Day konnten die Alliierten nicht, wie erhofft, in einen schnellen Sieg umwandeln. Erst rund acht Wochen später gelang es ihnen nach zermürbenden Schlachten, die deutschen Verteidigungslinien zu durchbrechen.
Gemeinhin gilt die alliierte Invasion an der Normandie-Küste als der entscheidende Wendepunkt in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Dabei wird allerdings völlig außer Acht gelassen, dass es noch rund acht Wochen dauerte, bis es den kontinuierlich verstärkten Truppen der Anti-Hitler-Koalition endlich gelang, aus dem mit rund 3.000 Quadratkilometer flächenmäßig relativ bescheidenen Brückenkopf-Gelände auszubrechen. Erst am 31. Juli 1944 gelang bei Avranches der für den weiteren Kriegsverlauf elementare Vorstoß durch die deutschen Verteidigungslinien und das Vorrücken in Richtung französisches Landesinnere. Zunächst bewegten sich die Truppen in südlicher Richtung gen Bretagne, um danach wieder gen Norden in Richtung Falaise abzudrehen.
Dort fügten die alliierten Kräfte am 21. August 1944 in der sogenannten Kesselschlacht von Falaise den eingeschlossenen Truppen der Wehrmacht eine vernichtende Niederlage zu. Auch wenn es schätzungsweise 50.000 deutschen Soldaten gelang, sich in letzter Sekunde vor dem alliierten Zangenangriff zu Fuß in Sicherheit zu bringen, so schafften es weitere 55.000 deutsche Soldaten nicht mehr. Etwa 10.000 von ihnen ließen in der größten Schlacht während des alliierten Vormarsches in Frankreich ihr Leben, die restlichen 45.000 Mann gerieten in Kriegsgefangenschaft. Noch schwerwiegender für das Nazi-Regime war allerdings der gigantische Kriegsmaterialverlust, denn mehr als 400 Panzer, 7.000 Fahrzeuge und 1.000 Geschütze fielen den Angreifern in die Hände.
Vernichtende Niederlage für deutsche Truppen
Dank ihres Sieges bei Falaise hatten die alliierten Verbände damit den deutschen Widerstand gebrochen und konnten anschließend nahezu ungehindert in Richtung Seine und schließlich nach Paris vorrücken. Die französische Hauptstadt war bereits am 25. August 1944 kampflos unter der Kontrolle der Alliierten. Zwar hatte die französische Hauptstadt für die Alliierten keinerlei strategischen Wert, aber sehr wohl eine enorme symbolische Bedeutung für das französische Volk. Die Alliierten honorierten damit auch die Beteiligung französischer Einheiten an der unmittelbar bevorstehenden und Anfang September 1944 weithin abgeschlossenen Befreiung Frankreichs sowie wenig später von Belgien und Luxemburg. Die meisten großen französischen Hafenstädte blieben noch bis Kriegsende unter deutscher Besatzung, weil diese wie Festungen verteidigt werden konnten. Der alliierte Vormarsch kam letztlich erst an der deutschen Grenze zum Stillstand, wo am 11. September 1944 erstmals ein US-amerikanischer Spähtrupp nördlich von Trier Reichsgebiet betrat.
Die alliierte Invasion in Frankreich hatte ziemlich lange auf sich warten lassen. Schon kurz nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion hatte Josef Stalin 1941 versucht, den britischen Premierminister Winston Churchill und den US-Präsident Franklin D. Roosevelt zur Einrichtung einer zweiten Front in Frankreich zu drängen. Die mit einer solch riskanten Operation zu erwartenden hohen Verluste bei der Überwindung des sogenannten Atlantikwalls ließen die westlichen Verbündeten jedoch lange zögern. Zumal das vor allem unter der Regie von kanadischen Truppen am 19. August 1942 gestartete Test-Landungsmanöver im Hafen von Dieppe zu einem wahren Desaster für die Angreifer geworden war und damit die schlimmste Befürchtungen bestätigte.
Breite Sumpfgebiete erschwerten Vormarsch
Im Mai 1943 rangen sich Churchill und Roosevelt auf der sogenannten Trident-Konferenz in Washington schließlich doch zu einer Invasion in Nordfrankreich durch, die ursprünglich für den 1. Mai 1944 terminiert wurde. Ihre Entscheidung teilten beide Josef Stalin im November 1943 auf der Konferenz von Teheran persönlich mit. Das gigantische Manöver sollte unter dem Namen „Operation Overlord“ über die Bühne gehen. Der Erfolg war allerdings ganz entscheidend vom Bau einer riesigen Zahl von Landungsschiffen abhängig, für deren Produktion die USA verantwortlich zeichnete. Zudem mussten starke Truppenkontingente aus den USA und Kanada frühzeitig nach Großbritannien gebracht werden, wo schon Anfang 1944 die ersten Übungen für das auf den Namen „Operation Neptune“ geplante Landemanöver begonnen hatten (siehe Artikel Seite 26 und Grafik Seite 31).
Schon am Tag der erfolgreichen Invasion zeichnete sich ab, dass der insgeheim erhoffte schnelle Durchmarsch durch die deutschen Verteidigungslinien trotz der erdrückenden alliierten Luftvormacht wohl eher nicht gelingen würde. Auf den D-Day folgten wochenlange Gefechte, die sich zu einer Vielzahl von Einzelschlachten mit nur unwesentlichen Raumgewinnen für die alliierten Streitkräfte entwickelten. Statt des angestrebten Bewegungskrieges, bei dem die deutschen Truppen angesichts der überlegenen alliierten Feuerkraft keine Chance gehabt hätten, wurde das Ganze zu einem materialaufwändigen Stellungskrieg. Ziel der Alliierten war es, auf längere Sicht ständigen Nachschub von Armeeeinheiten und Kriegsmaterial über den Seeweg zu gewährleisten, was seit dem 7. Juni 1944 über den von den Briten am Strandabschnitt Gold Beach errichteten künstlichen „Mulberry“-Hafen lief. Die anfangs kampfstarken und gut ausgerüsteten deutschen Gegner hofften dagegen vergeblich auf den dringend benötigten Nachschub. Die alliierten Bomber hatten die Bahngleise weiträumig zerstört und setzten ihre Angriffe fort, sodass Nachschub nur unzureichend an der deutschen Front ankam.
Der größte Vorteil für die deutschen Truppen lag allerdings in der von den Alliierten unterschätzten lokalen Geländeformation. Einerseits gab es rund um die zwischen Cherbourg und Saint-Lô gelegene Gemeinde Carentan ausgedehnte Sumpfgebiete, die eine Durchquerung mit schweren Fahrzeugen unmöglich machten. Andererseits spielte die sogenannte Bocage-Landschaft der deutschen Artillerie und den deutschen Scharfschützen in die Karten. Dabei handelte es sich um natürlich gewachsene und bis zu viereinhalb Meter hohe Wallhecken, die den deutschen Truppen in einer auf kürzeste Distanzen angelegten Art von Buschkrieg besten Schutz vor den heranrückenden Angreifern boten. Nur rund um Caen war das Gelände weitgehend flach und trocken, mithin bestens geeignet für große Panzermanöver, weshalb von deutscher Seite genau hier die Mehrzahl der Panzerdivisionen zusammengezogen worden war. Das erklärt auch, warum die eigentlich schon für den D-Day vorgesehene Einnahme von Caen zunächst scheiterte und erst am 19. Juli 1944 gelang.
Bis zum 12. Juni 1944 war es den alliierten Truppen zwar gelungen, ihre fünf Landungsköpfe dank der zwischenzeitlich auf rund 326.000 Soldaten, 54.000 Fahrzeuge und mehr als 100.000 Tonnen Material angewachsenen Kriegsmacht auf einer Strecke von rund 100 Kilometern zu verbinden, doch der Vormarsch ins Landesinnere betrug im Schnitt lediglich 30 Kilometer. Immerhin gelang den US-Truppen am 18. Juni 1944 die Eroberung der Halbinsel Cotentin. Der wichtige Tiefseehafen Cherbourg jedoch, über den fortan Truppen und Kriegsmaterial in noch größerem Umfang über das Meer herantransportiert werden konnten, konnte erst am 26. Juni 1944 erobert werden.
Beträchtliche Verluste auf beiden Seiten
Ende Juni 1944 war die alliierte Streitmacht in Frankreich bereits auf rund 850.000 Soldaten angewachsen, denen 150.000 Fahrzeuge zur Verfügung standen. Dennoch konnten die mit rund einer halben Million Mann nun auch zahlenmäßig ins Hintertreffen geratenen deutschen Truppen am 1. Juli 1944 dank gezieltem Dauerbeschuss die Schließung des östlichsten Brückenkopfes Sword Beach erzwingen. Da die alliierten Truppen zahlenmäßig immer weiter verstärkt wurden und bis Ende Juli 1944 auf begrenztem Raum rund 1,5 Millionen Soldaten untergebracht werden mussten, wurde ein erster Großangriff zum Aufbrechen der deutschen Front unternommen.
Den Auftakt machten die Briten am 18. Juli 1944 bei Caen mit der „Operation Goodwood“. Doch schon nach zwei Tagen kam die Attacke im Abwehrfeuer der deutschen Panzer zum Erliegen. Wesentlich besser machten es die US-Amerikaner bei ihrer am 25. Juli 1944 eingeleiteten „Operation Cobra“. Gleich zu Beginn hatten 3.000 taktische Bomber, die 4.700 Tonnen tödlichen Ballast abgeworfen hatten, den Weg für die Truppen frei gemacht. Mit 2.300 Panzern konnten diese nach der Überwindung der Bocage-Landschaft den Bewegungskrieg in Nordfrankreich einleiten. Nach dem Durchbruch in die Bretagne und der Eroberung von Brest, schwenkte der Großteil der Streitkräfte entlang der Loire nach Osten, um über Orléans nach Avranches und schließlich nach Falaise zu gelangen.
Die Verluste im Verlaufe der „Operation Overlord“ waren auf beiden Seiten beträchtlich. Auf Seiten der Alliierten liegen die Schätzungen bei 65.700 Toten, 18.000 Vermissten und 155.000 Verwundeten. Für die deutschen Truppen geht man heute von 50.000 Toten, 150.000 Verwundeten und Vermissten sowie 200.000 Kriegsgefangenen aus. Auch rund 20.000 Zivilisten verloren in der verwüsteten Normandie ihr Leben. Wegen des hohen Blutzolls zogen sich die USA nach Kriegsende nicht mehr aus Europa zurück, sondern blieben ihrer Verantwortung als größte Weltmacht auf dem alten Kontinent verpflichtet.