Bis heute finden sich unter anderem in der Normandie Spuren des Atlantikwalls, den die Nazis im Zweiten Weltkrieg errichteten. Darunter auch Anlagen, die nach dem D-Day über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten waren.
Wer heute in der Normandie Urlaub macht, entdeckt noch immer zahlreiche Spuren aus dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere erstaunlich gut erhaltene Bunkeranlagen auf den Steilküsten. Sie waren Teil des sogenannten Altlantikwalls, den Nazi-Deutschland unter Adolf Hitler in den Jahren 1942 bis 1944 errichten ließ. Die Befestigungsanlagen reichten von Norwegen im Norden über die Normandie und Bretagne und die Atlantikküste entlang bis nach Spanien. Auf mehr als 2.600 Kilometern Länge errichteten die Deutschen die bestens geschützten Anlagen, mit denen sie weite Teile des Ärmelkanals und der Atlantikküste Frankreichs überblicken konnten. Die Anlagen selbst waren echte Ungetüme aus Stahl und Beton, die selbst dem Flächenbombardement der alliierten Kräfte standhielten.
660 Tonnen Beton und 50 Tonnen Stahl
Eine dieser bis heute gut erhaltenen Anlagen liegt auf einer vorgelagerten Klippe am Pointe du Hoc, zwischen den Landungsabschnitten Utah Beach zwölf Kilometer im Westen und Omaha Beach acht Kilometer im Osten, also zwei der insgesamt fünf Landungsabschnitte. Die Steilküste vor dem vorgelagerten Bunker und das Plateau, auf dem die Bunkeranlage liegt, erinnern auch heute noch, 80 Jahre nach dem D-Day, an eine mondähnliche Kraterlandschaft. Auch wenn inzwischen im wahrsten Sinne des Worte Gras darüber gewachsen ist, bleiben die unübersehbaren Spuren der Artilleriegeschütze der alliierten Flotte und der Bombenangriffe aus der Luft.
Dass die Anlage noch immer so gut erhalten ist, liegt daran, dass selbst der Bombenhagel dem Bauwerk, das aus 660 Tonnen Beton und mehr als 50 Tonnen Stahl besteht, allenfalls oberflächliche Schäden zufügen konnte. Die dort stationierten Wehrmachtssoldaten waren im Inneren der Anlage bestens geschützt. Dass die Alliierten dennoch an dieser Stelle angriffen, glich einem Himmelfahrtskommando. Es war aber ein strategisch wichtiger Punkt, denn hinter dem Bunker lagen auf dem Plateau die schweren Küstenbatterien, deren 155 Millimeter-Geschosse eine Reichweite von 19 Kilometern hatten, und damit eine große Gefahr für die Schiffe im Ärmelkanal darstellten.

Die raue See in den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1944 sorgte allerdings dafür, dass die Landungsboote der Spezialeinheit der Army Rangers wesentlich weiter westlich anlandeten als ursprünglich geplant. Vor allem aber erst 40 Minuten nach Ende des Flächenbombardements, das eingestellt worden war, um die eigenen Truppen nicht zu gefährden. Durch die Verspätung hatten die Wehrmachtsoldaten Zeit, ihre Verstecke zu verlassen und sich neu zu organisieren. Um die etwa 30 Meter hohen Klippen überhaupt erklimmen zu können, mussten die amerikanischen Spezialkräfte Strickleitern und Netze nach oben schießen und sich dann Stück für Stück nach oben hangeln. Da die Männer vom Landungsboot bis an den Strand schwimmen mussten, war die Ausrüstung am Körper völlig durchnässt und entsprechend schwer. Die nassen Klippen erschwerten die Aktion zusätzlich. Zu allem Überfluss warfen die deutschen Soldaten von oben immer wieder Stielhandgranaten auf die Invasoren. Teilweise benutzten diese ihre Messer wie Spitzhacken, um sich an den steilen Klippen nach oben zu arbeiten.
Es war ein erfolgreicher Angriff, der unzählige Verluste forderte. Oben angekommen, mussten die Army Rangers im Kampf Mann gegen Mann die Wehrmacht überwinden. Am Ende überlebten nur 90 der 225 angelandeten Spezialkräfte. Anfangs schien es, als sei der verlustreiche Angriff völlig vergebens gewesen, denn die Wehrmacht hatten die gewaltigen Batteriegeschütze vor dem Bombardement der Alliierten rechtzeitig abgebaut und vermeintlich in Sicherheit gebracht. Kurze Zeit später entdeckten die Invasoren die Geschütze allerdings in einem nahen Feld.
Heute ist die Bunkeranlage zu besichtigen, und ein Monument in Form eines Dolches erinnert an die Ereignisse vom 6. Juni 1944 und den folgenden Tagen. Ähnliche Anlagen kann man heute noch entdecken: beispielsweise die Batterie Longues-sur-Mer. Vor 18 Jahren entdeckte ein englischer Militärforscher sogar eine völlig vergessene unterirdische Bunkeranlage ganz in der Nähe, etwa drei Meilen von der Küste entfernt. Die ganze Anlage war über die Jahrzehnte zugewachsen, und das Gelände, auf dem sie liegt, war ungenutzt, wie die Deutsche Welle, der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik und Teil der ARD, Anfang Februar 2006 berichtete.
Gut geschützt und lange unbekannt
Auch diese Anlage liegt zwischen den historischen Strandabschnitten Omaha Beach und Utah Beach. Gemäß dem Bericht habe der Brite Gary Stern bei seinen Recherchen alte Karten gefunden, auf denen die Anlage eingezeichnet war. Daraufhin habe er sich auf den Weg in die Region gemacht und den Bauern der Umgebung nach und nach das Land abgekauft. Stern entdeckte etwa ein Dutzend versteckter Gebäude, als er die Anlage Stück für Stück vom Gestrüpp der Jahrzehnte befreite. Mit Ausnahme einer Funkzelle, die völlig zerstört war, gab es keinerlei Beschädigungen. Nach und nach untersuchten Experten die weitläufige Anlage, deren Räume miteinander verbunden sind. Die Entdecker fanden dabei Gasmasken, Helme, eine Brille und sogar Munition von Wehrmachtssoldaten.
Dass die Anlage in Vergessenheit geraten war, liegt wohl auch daran, dass die Einheimischen gar nicht wussten, dass sie existiert. Denn die Nazis waren bestrebt, Verteidigungsstellungen vor der örtlichen Bevölkerung geheim zu halten und so vor Angriffen zu schützen. Nach den Kämpfen gerieten manche in Vergessenheit und die Natur eroberte sich das Gelände zurück.