Möglichst komfortabel wollen es Radelnde haben. Beim Fahrradsitz an ein bequemes Möbel zu denken, wäre falsch. Denn für Langzeitkomfort soll der Sattel hart sein. Tipps zu Kauf, Montage und der richtigen Einstellung – auch im Kopf.
Mein A... tut weh! Wer stundenlang Radfahren war und schließlich vom Sattel steigt, kennt das Gefühl: Der Allerwerteste schmerzt, die Sitzknochen melden sich, im Damm- oder Genitalbereich macht sich ein taubes Gefühl breit. Und damit die Sorge: Kann das gesund sein? Schon als Laie ahnt man: nein. Wer wiederholt und über längere Zeit wie auf Radreisen falsch sitzt, riskiert gesundheitliche Schäden, die über akutes Ziepen hinausgehen. Rücken- und Knieschmerzen können die Folge sein oder Entzündungen von Sehnen und Schleimbeuteln.
Da ist Vorbeugen gefragt. Und auch hier liegt man mit der Intuition richtig, dass vor allem der Sattel als der wichtigste Berührungspunkt von Mensch und Bike eine, auch wortwörtlich, tragende Rolle spielt. „Welcher Fahrradsattel passt, lässt sich nur individuell entscheiden“, heißt es beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) zwar. Doch es gibt Anhaltspunkte, um das Risiko, zum falschen Sattel zu greifen, einzugrenzen.
Sättel gibt es im Handel fast wie Sand am Meer. Wer aber in Kategorien denkt und nach Geschlechtern unterscheidet, kommt dem passenden Sitzmöbel fürs Fahrrad schon ein gutes Stück näher. So unterscheiden sich Sättel nach ihrem Einsatzzweck, sprich: dem Fahrstil. Eine Grundregel besagt: Je sportlicher man unterwegs ist, desto schmaler der Sattel.
Sitzunterschied bei Frauen und Männern
Es liegt an der jeweiligen Körperhaltung: Gemütliche Biker sitzen in der Regel aufrecht, womit vergleichsweise viel Körpergewicht auf dem Sattel lastet. Je größer die Fläche, auf der sich die Last verteilt, umso bequemer sitzt man. Hinzu kommt, dass die Sitzbeinknochen in dieser Haltung mit ihrem größten Abstand zueinander auf dem Sattel aufliegen. Je geneigter Radler ihren Oberkörper jedoch haben, desto eher liegen die enger zueinander stehenden Teile der Sitzknochen auf. Hinzu kommt, dass mehr Körpergewicht über Arme auf dem Lenker abgestützt wird. Der Sattel darf schmaler sein.
Übersetzt in Fahrradgattungen heißt das: Auf einem Hollandrad oder einem City-Rad wird man typischerweise breite Sättel finden, während Rennräder und Mountainbikes mit schmalen ausgestattet sind. Trekkingräder finden sich in der goldenen Mitte: Ihre Sättel sind etwas schmaler gebaut, haben aber noch genug Auflagefläche für die Knochen und erinnern mit recht langer Nase an eine T-Form. „Sie sollen sich auch auf langen Strecken noch bequem anfühlen“, schreibt der ADFC.
So weit, so gut. Ins Spiel kommt aber auch, wie man gebaut ist. Bei Frauen ist der Abstand zwischen den Sitzknochen größer, bei Männern kleiner. Auf diesen Unterschied gehen Hersteller ein, indem sie Herrensättel und Damensättel anbieten. Weil das Becken zudem individuell geformt ist, empfiehlt es sich, für möglichst hohen Sitzkomfort Maß anzulegen.
Mit Online-Tools lässt sich die eigene Knochenarchitektur im Gesäß ermitteln, doch auch ein alter analoger Trick hilft bei der Modellauswahl: einen Abdruck anfertigen. Dazu einfach ein Stück Wellpappe besorgen und sich mit vollem Gewicht darauf niederlassen, sodass die Sitzbeinknochen die Unterlage eindrücken. Der Abstand zwischen beiden Stellen ist der Sitzknochenabstand, der idealerweise jenem auf den am besten gepolsterten Stellen auf dem Sattel entspricht. Wer es ganz genau wissen will, kann bei einem Ergonomie-Experten auch ein Bike-Fitting durchdeklinieren, bei dem unter anderem eine Satteldruckanalyse durchgeführt wird. Dabei ermitteln Ergonomie-Experten die beste Sitzposition, um Beschwerden vorzubeugen. Anbieter finden sich mit einer einfachen Google-Suche (Stichwörter: „Satteldruckanalyse“ und „Fahrrad“).
Komfort – das hört sich nach weichen Polstern an. Doch beim Fahrrad verhält es sich anders als im Wohnzimmer. Denn allzu nachgiebig sollten Sättel nur sein, wenn man sie nur kurz benutzt: auf dem Weg zum Bäcker, mal eben auf dem Hollandrad zum Supermarkt. Schon wer täglich mehrere Kilometer pendelt, ist mit einer harten Sitzfläche besser beraten, für Radreisende und Sporttreibende gilt das umso mehr.
Entgegen landläufiger Annahme sind weiche Sättel alles andere als komfortabel: Denn sinken die Sitzknochen weit in den Sattel ein, verlagert sich der Druck auf empfindlichere Bereiche des Gesäßes. Vor allem auf längeren Strecken ist das schmerzhaft. Wird auch noch die Durchblutung gestört, kommt es zu den erwähnten Taubheitsgefühlen. Durch die Körperwärme können sich Polsterungen zudem verformen und verschieben. Dann befinden sich die Polsterzonen an Stellen des Sattels, wo sie nicht hingehören, und können Wundscheuern verursachen.
Richtige Positionierung ebenfalls wichtig
Feste Satteldecken fühlen sich anfangs zwar hart an, doch nach einer gewissen Eingewöhnungszeit sind sie die weit komfortablere Alternative – und auch die effizientere. Denn sinkt der Hintern nicht andauernd ein, ist das In-die-Pedale-Treten weniger anstrengend.
Radreisende schwören auf Ledersättel, und das hat einen Grund: Ist er einmal richtig eingefahren, ähnelt der Sattel dem Sitzprofil des erwähnten Wellpappe-Abdrucks – nur, dass er dauerhaft die individuelle Form hält. Kehrseite: Anfangs fühlt sich die Oberfläche aus dem Naturmaterial recht unkomfortabel an, doch Durchhaltevermögen und Zeit bringen die individuelle Passform.
Hinzu kommt: Ledersättel benötigen Pflege. Parkt das Bike länger unter freien Himmel, sollte vorsorglich ein Regenschutz übergestreift werden. Und um seine Geschmeidigkeit zu bewahren, sollte der Sattel alle paar Monate mit Lederpflegemittel behandelt werden. Wird das Leder doch einmal nass, kann es auf die Kleidung abfärben. Ab und an kann es erforderlich werden, die Lederdecke über die dafür vorgesehene Schraube nachzuspannen – aber mit Vorsicht, um die Lederfasern dabei nicht zu zerstören.
So empfindlich sind Sättel aus Kunststoff nicht. Sie sind wasserdicht, leichter, vegan und oft auch viel billiger als das Pendant mit der gegerbten Tierhaut. Aber sie sind nicht atmungsaktiv. Drohendes Schwitzen am Po ist ein weiterer Grund, warum Radreisende Plastik eher ablehnen. Im Sport, wo leichte Sättel gefragt sind, beugen Rillen und Aussparungen nicht nur Belastungen im Genital- oder Dammbereich vor, sondern auch der Schweißbildung. Hinzu kommt, dass Radrennfahrer und Mountainbiker öfter aus dem Sattel gehen und für Belüftung des Allerwertesten sorgen.
Nicht nur Form und Material haben entscheidenden Einfluss auf den Komfort, sondern auch die richtige Positionierung des Sattels. Hierbei sind drei Punkte wichtig: die Sitzhöhe, die Sitzneigung und die horizontale Ausrichtung. Sitzt man zu niedrig, wird das Pedalieren schnell kräfteraubend. Zudem können die Knie mit der Zeit wehtun, weil der Druck auf die Gelenke hoch bleibt, wenn die Beine dauerhaft stärker gebeugt sind. Ist die Position zu hoch, wandert der Druckpunkt am Fuß beim Pedalieren vom Ballen zur Fußspitze. Das kann zu tauben Zehen führen. Neigt sich der Po beim Strampeln von der einen zur anderen Seite, kann das zudem schlecht für die Bandscheiben sein.
Guter Sattel ist wie ein guter Wanderschuh
Fürs Einstellen benötigt man meist nur einen passenden Sechskantschlüssel. Zunächst wird der Sattel waagrecht gestellt. Die Verschraubung des Sattels in der Sattelstütze wird gelöst, die Satteloberfläche mit einer Wasserwaage ausgerichtet, alles wieder festgezogen. Dabei steht das Bike auf waagrechtem Grund, auch das überprüft man mit der Wasserwaage. Weiter mit der Sitzhöhe. Dazu wird die Sattelstütze gelöst, je nach Modell per Schnellspanner oder Schraubklemme, und im Sattelrohr verschoben. Eine Faustregel besagt hier: Erreicht man das unten stehende Pedal (Sechs-Uhr-Position) bei gestrecktem Bein mit der Ferse, ist alles erst mal korrekt. Allerdings ist auch ein Blick auf den Rücken ratsam. Bildet der einen Buckel, hapert es womöglich an der Einstellung des Lenkers oder die Rahmengeometrie passt nicht. Der Rücken sollte in natürlicher Haltung mit einem leichten Hohlkreuz sein.
Um das möglichst zu erreichen, gibt es aber auch eine weitere Stellschraube am Sattel selbst: ihn in der Horizontalen verschieben. Denn womöglich sitzt man zu weit vorn oder hinten. Die richtige Position bestimmt man so: Die Pedale in waagrechte Position bringen, die Fußballen mittig auf die Pedale stellen. Nun sollten die vordere Kniescheibe und die Achse der vorderen Pedale eine senkrechte Linie zum Boden bilden. Nicht der Fall? Dann bitte die Klemmung der Sattelstreben leicht lösen und den Sattel im Gestell verschieben – das ist Millimeterarbeit.
Für Beschwerden kann letztlich auch die Sattelneigung sorgen. Nervig ist es schon, wenn die Sattelnase auch nur leicht nach unten zeigt. Dann rutscht man dauernd nach vorn. Auf der Langstrecke ein No-Go. Zwar wird das Schambein entlastet, doch Rücken, Arme und Hände müssen es durch unnötige Mehrarbeit richten, auch hier drohen Schmerzen. Hier gilt: Durchgedrückt sollten die Arme nicht sein, um Gelenke entlasten und natürliche Federarbeit leisten zu können. Probleme drohen auch, wenn der Sattel zu weit nach hinten gekippt ist, dann sitzt man oft auch mit Rundrücken. Standardeinstellung der Sitzneigung ist deshalb die Waagrechte. Doch leichte Abweichungen im Winkel können sich auch angenehm anfühlen. Ausprobieren hilft, um zu sehen, ob der Druck sich besser verteilt.
Und so verhält es sich mit einem guten Sattel wie mit einem guten Wanderschuh. Ob er individuell geeignet ist, sieht man ihm auf Anhieb nicht an. Eingewöhnung und Geduld sind gefragt. Und die Bereitschaft, sich auch mal einen Fehlkauf einzugestehen und für Ersatz zu sorgen, falls es auf Dauer nicht passen sollte.