Alba Berlin spielt gegen die Niners Chemnitz um den Finaleinzug in den Basketball-Play-offs. Dabei soll einer eine tragende Rolle spielen, der wegen einer Gehirnerschütterung lange ausfiel.
Louis Olinde wurde das Talent quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater Wilbert war auch ein erfolgreicher Basketballer, der mit ASC Göttingen sogar Deutscher Meister wurde. Seine Titelprämie damals? „Zwei Pils und ein Schnitzel“, antwortete Olinde senior einmal in einem Doppel-Interview mit seinem Sohn Louis für die „Sport Bild“. Und diese Belohnung hatten die Göttinger sogar Finalgegner Bayer Leverkusen zu verdanken, der ein Schützenhaus hinter der Arena für die geplante Meisterfeier angemietet hatte. „Da sind wir dann einfach hingegangen und haben die Reste gegessen und getrunken“, verriet Olinde. Natürlich wurde sein Filius bei der Gelegenheit auch gefragt, wie hoch denn die Titelprämie beim letzten Gewinn der Meisterschaft von Alba Berlin 2022 gewesen sei. „Drei Pils und zwei Schnitzel“, antwortete der 26-Jährige scherzhaft, ehe er ernsthaft anfügte: „Über Geld soll man ja nicht sprechen …“ Klar ist aber auch: Alba dürfte sich nicht lumpen lassen, sollten Louis Olinde und Co. in diesem Jahr den Titel wieder an die Spree holen.
Nach kurzem Anlauf zurück
Den ersten Schritt dazu haben die Berliner in den Play-offs eindrucksvoll getan. Im Eilverfahren setzte sich das Team von Trainer Israel Gonzalez gegen Viertelfinal-Gegner Telekom Baskets Bonn mit 3:0 durch. Nach dem sogenannten „Sweep“ (gewonnene Serie ohne Niederlage) tritt der elfmalige Meister im Halbfinale gegen die Niners Chemnitz an, die sich in ihrem ersten K-.o.-Duell mit Rasta Vechta etwas schwerer taten. Im Halbfinale ruhen Albas Hoffnungen auch auf Olinde. Der Nationalspieler brauchte nach langer Verletzungspause nur kurze Anlaufzeit, um auf dem Parkett sofort wieder aufzudrehen. Im dritten Spiel in Bonn überragte der Forward mit 18 Punkten, nur Kapitän und Weltmeister Johannes Thiemann kam auf die gleiche persönliche Ausbeute. „Ihn jetzt so performen zu sehen, ist großartig“, sagte Sportdirektor Himar Ojeda.
Dass Olinde in der entscheidenden Saisonphase noch mal so eingreifen kann, war lange Zeit fraglich gewesen. Bei einem Trainingsunfall Mitte November, als er bei einem unglücklichen Zweikampf ein Knie gegen den Kopf bekam, hatte er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen. Eine Verletzung, die im Profisport noch immer sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Und die bei den Spielern unterschiedlich schwerwiegend ausfällt. „Am Anfang denkst du, der Schlag war ja nicht so doll, in ein, zwei Tagen wird es schon wieder gehen“, sagte Olinde. Er fühlte sich im Dezember auch wieder fit genug für den Spielbetrieb, doch nach zwei Spielen zog er wieder die Notbremse. Die Symptome wie Licht- und Geräuschempfindlichkeit waren wieder da. Bei der zweiten Zwangspause wollte der 26-Jährige definitiv kein Risiko eingehen. Also zog sich die Ausfallzeit, Olinde musste sich in Geduld üben. Keine leichte Aufgabe, wie er selbst zugab. Zumal er auch zu Hause körperlich so gut wie nichts machen durfte. „Ich war zu Hause und hab Hörbücher gehört, wenn überhaupt“, verriet er.
Der Reha-Plan folgt bei einer Gehirnerschütterung völlig anderen Regeln als beispielsweise bei einem Muskelfaserriss. Oberstes Gebot ist, dass das Restrisiko unbedingt gen Null gehen müsse. Doch dafür braucht es Zeit, die im Profisport teuer ist. „Da durchlebst du verschiedene Phasen, von Frustration bis Akzeptanz“, verriet Olinde. Nach drei Wochen individuellen Übungen durfte er im Februar wieder mit den Teamkollegen in der Halle zusammen trainieren, endlich durfte sich Olinde wieder wie ein vollständiges Teammitglied fühlen. Dieses Gefühl wurde nochmals enorm gestärkt, als der 2,05-Meter-Mann schnell wieder in Pflichtspielen eingesetzt wurde und seine Einsatzzeiten zügig steigern konnte, weil Alba von Verletzungssorgen geplagt wurde. Er sei zu jener Zeit „ein bisschen ins kalte Wasser geworfen“ worden, „aber das hat sich schnell wieder gut angefühlt“. Nicht nur auf dem Scorerboard hat Olinde seitdem Eindruck hinterlassen, sondern auch mit seiner motivierenden und stets positiven Art. „Er gibt uns so viel“, schwärmte Alba-Trainer Gonzalez: „Wir haben sehr gelitten ohne Louis und sind sehr froh, dass er wieder dabei ist und so gut spielt.“
Auch in den jüngsten EM-Qualifikationsspielen der Nationalmannschaft durfte der gebürtige Hamburger zeigen, dass er fast wieder der „Alte“ ist. Im Weltmeister-Team aufzulaufen und mithalten zu können, habe ihm geholfen, „die erste Hürde zu nehmen“. Denn klar ist: Auf dem Weg zurück zu absoluter Topform wird es Rückschläge geben. Doch Olinde ist bereit, diese anzunehmen und zu bekämpfen. Genug Energie und Motivation hat er dafür. „Normalerweise hat man Ende März, Anfang April das Gefühl, dass es in die heiße Phase geht“, sagte Olinde: „Aber für mich fühlt es sich eher an wie Ende November.“ Sollte er nun zum Ende der Saison aufdrehen und mithelfen, Alba ins Finale zu führen, wäre die Saison trotz der „Scheißsituation“ doch noch einigermaßen gerettet. Olinde ist angesichts der Leistungen in den ersten Play-off-Spielen optimistisch gestimmt: „Jeder weiß, dass er sich auf jeden verlassen kann. Es ist jedes Spiel jemand anderes, der übernehmen kann und wir schaffen es im Moment einfach, ruhig zu bleiben.“
Beeindruckende mentale Härte
Sportdirektor Ojeda beeindruckte vor allem die „mentale Härte“, die die Berliner im nicht einfachen Duell mit den „richtig starken“ Bonnern vor allem in der Crunch-Time gezeigt hatten: „Das war beeindruckend.“ Er sei „sehr stolz“ auf das Team, das damit in den Play-offs schon mal weitergekommen ist als im Vorjahr, als man im Viertelfinale am späteren Meister Ratiopharm Ulm gescheitert war. „Wir sind wieder in der Spur nach dem letzten Jahr“, sagte Ojeda. Das sei vor allem deshalb bemerkenswert, weil das Team nach der enttäuschenden Vorsaison personell stark umgebaut wurde. Die neue Team-Hierarchie sei ein belebendes Element, meinte Ojeda: „Wir haben vor allem mental den nächsten Schritt gemacht.“ Die längere Pause zwischen Viertelfinal-Ende und Halbfinal-Start sei auch kein Nachteil, fand der Sportdirektor: „Wir können die Zeit zum Trainieren nutzen und uns weiter verbessern. Das ist für uns eine gute Gelegenheit.“
Das erste Halbfinalspiel gegen Chemnitz fand am vergangenen Dienstag in der Arena am Ostbahnhof statt. Spiel zwei sollte ursprünglich zwei Tage später steigen, doch daraus wurde nichts. Die Arena war von Deutsch-Rapper Apache 207 gebucht, der dort ein Konzert für seine Fans gab. Ein Ausweichen auf den 31. Mai, also einen Tag später, ging auch nicht: Für den Tag war der Auftritt von Howard Carpendale in Berlins größter Arena geplant. Da Konzerte deutlich mehr Einnahmen generieren als Basketballspiele von Alba, war die Anschutz Entertainment Group als Hallen-Eigner auch nicht gewillt, etwas an dem Terminplan zu ändern. Der Umzug in die Max-Schmeling-Halle im Prenzlauer Berg war am Ende die Lösung – wenn auch nicht für den 30. Mai. Denn dann spielen die Füchse Berlin in der Handball-Bundesliga gegen den Bergischen HC. Alba darf die Halle aber einen Tag später am 31. Mai für sein zweites Halbfinal-Heimspiel nutzen.
Für Louis Olinde sind das nur kleine Probleme. Er hat in dieser Saison schon deutlich größere Widerstände überwunden. Nun will er auch noch für ein Happy End sorgen und die Meisterprämie kassieren – wie hoch auch immer sie ausfällt.