Die Olympischen und Paralympischen Spiele finden im Sommer 2024 in Paris statt und damit so nah am Saarland wie niemals zuvor. Welche Saarländerinnen und Saarländer dort am Start sein werden, steht noch nicht endgültig fest.

Im Herbst 2023 fiel der Startschuss für das „Team Saarland für Paris“. Die Sportstiftung Saar und der Landessportverband für das Saarland (LSVS) stellten Tim Hellwig (Triathlon), Patrick Franziska (Tischtennis), Isabel Lohau und Marvin Seidel (beide Badminton), Richard Ringer (Leichtathletik), Etienne Kinsinger und Gennadij Cudinovic (beide Ringen), Nicole Nicoleitzik (Para-Leichtathletik) sowie Boris Nicolai und Anita Raguwaran (beide Para-Boccia) als Teammitglieder vor. Erst im Januar 2024 sollten dann auch Lasse Priester (Traithlon) und Linda Efler (Badminton) ins Team nachrücken. Sie alle galten als hoffnungsvollste Athletinnen und Athleten aus dem Saarland für die Teilnahme an den Olympischen oder Paralympischen Spielen im Sommer 2024 in Paris und erhalten seither monatlich 1.000 Euro von der Sportstiftung Saar zur Finanzierung von Trainingslagern und Wettkämpfen. Läuferin Sara Benfares, die sogar Medaillen-Ambitionen hegte, wurde wegen Dopings aus dem Team ausgeschlossen und inzwischen von der Nada für fünf Jahre gesperrt (wir berichteten). Darüber konnten sich Lasse Priester, Isabel Lohau, Linda Efler, Etienne Kinsinger und Gennadij Cudinovic nicht qualifizieren.
Team Saarland mittlerweile ausgedünnt
„Ich bleibe auf jeden Fall optimistisch und positiv, solange Sportlerinnen und Sportler von uns noch Qualifikationschancen haben. Es gibt für diejenigen, die noch im Rennen sind, keinen Grund für Pessimismus“, findet Prof. Dr. Klaus Steinbach. Der Präsident der Sportstiftung Saar weiß, was es bedeutet, an Olympischen Spielen teilzunehmen. Der frühere Weltklasse-Schwimmer hat selbst insgesamt drei olympische Medaillen gewonnen und kennt dieses Mega-Event auch aus anderen Perspektiven: Als Olympiaarzt 1996 in Atlanta, als Chef der Mission 2000 in Sydney, 2004 in Athen und 2006 in Turin und nicht zuletzt als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland. Bereits für Paris qualifiziert sind der Saar-Sportler des Jahres 2023, Triathlet Tim Hellwig, der voraussichtlich in der Mixed-Staffel und im Einzel-Rennen starten wird. Marathon-Europameister von 2022, Richard Ringer, wird beim Marathon starten. Boris Nicolai hat über seine Platzierung in der Weltrangliste einen Einzel-Startplatz im Para-Boccia sicher. Auch Badminton-Ass Marvin Seidel ist im Herren-Doppel mit Mark Lamsfuß qualifiziert. Para-Sprinterin Nicole Nicoleitzik (100 Meter und 200 Meter) hat gute Chancen, die Norm noch rechtzeitig zu knacken.
Tischtennisspieler Patrick Franziska ist „nur“ als Ersatzmann der Nationalmannschaft dabei. Sein Fall hat deutschlandweit für Aufregung gesorgt, weil sich die Entscheidungsträger des DTTB schon früh auf diese Rollenverteilung festgelegt und Dimitrij Ovtcharov, Dang Qiu und Timo Boll den Vorzug gegeben hatten. Obwohl sich Franziska sportlich in Topform präsentierte und auch mit seiner Mannschaft, dem 1. FC Saarbrücken Tischtennis, überaus erfolgreich war – unter anderem Champions League-Sieger. „Das letzte Wort hat bei der Nominierung aber immer der DOSB. Vor allem aufgrund seiner zuletzt herausragenden Leistungen, die ihn nun auch in der Weltrangliste zum besten deutschen Tischtennis-Spieler machen, hoffen wir schon noch auf eine Kehrtwende“, sagt Aaron Wollscheid, Koordinator Olympischer Spitzensport beim LSVS. Falls die nicht kommt, sollte Franziska seine Rolle sportlich annehmen, findet Prof. Dr. Steinbach: „Für diese im Altersdurchschnitt schon eher ältere Mannschaft braucht man unbedingt vier topfitte Spieler. Wer letztlich während des olympischen Turniers tatsächlich an der Platte steht und wer nicht, weil er sich vielleicht kurz vorher noch verletzt hat, entscheidet sich erst in Paris.“ Für den „hochkarätigen Weltklasse-Spieler“ Franziska gelte, „im Kopf positiv zu bleiben und sich von der berechtigten Enttäuschung nicht runterziehen zu lassen. Wenn ihm das gelingt, steht er parat, und dann wird man in Paris sehen, ob seine Leistung nicht doch noch honoriert wird. Ich halte ihn jedenfalls für mental und körperlich so stark, dass er das schaffen kann.“
Eine Spur dramatischer ist das Olympia-Aus von Badmintonspielerin Isabel Lohau. Sie ist die Haupt-Leidtragende des Verletzungspechs ihres Mixed-Partners Mark Lamsfuß. „Das tut mir richtig leid. Für sie ist es natürlich ein Drama besonderer Art“, weiß Prof. Dr. Steinbach und erklärt: „Sie ist fit und hat die Chance auf die Qualifikation nur verloren, weil ihr Spielpartner sich wegen der unglücklichen Verletzungsgeschichte auf das wohl erfolgversprechendere Herren-Doppel mit Marvin Seidel konzentrieren musste und nicht beides bei voller Belastung spielen konnte.“
Zwei weitere Athleten mit Teilnahmechancen

Anita Raguwaran (Para-Boccia) könnte sich noch über einen der sogenannten „Bipartite“-Plätze – vergleichbar einer Wildcard im Tennis – für das Einzel qualifizieren. Die Entscheidung fällt Ende Juni/Anfang Juli. Mit den jungen Turn-Talenten Daniel Mousichidis (18) und Maxim Kovalenko (19) haben noch zwei weitere Athleten Teilnahme-Chancen. Dabei waren die beiden gar nicht offiziell Teil des „Team Saarland für Paris“. Ob es die aufstrebenden Teenies, die parallel zur Olympia-Quali ihre Abiturprüfungen ablegten, tatsächlich schaffen, entscheidet sich spätestens beim letzten Qualifikationswettkampf am 22. Juni in Würzburg. „Wir hatten sie eigentlich für die Spiele 2028 in Los Angeles ins Auge gefasst. Fakt ist: Sie haben eine kleine Chance, schon 2024 dabei zu sein. Wenn das klappt, sind wir total happy und werden sie selbstverständlich rückwirkend in das Team aufnehmen und entsprechend fördern“, verspricht Prof. Dr. Steinbach.
Darüber hinaus gibt es weitere saarländische Kohlen im olympischen Feuer: „Hinzu kommen ja noch alle echten Saarländer, also jene, die gebürtig aus dem Saarland kommen, aber für nichtsaarländische Vereine am Start sind“, betont Prof. Dr. Steinbach und nennt beispielsweise Moritz Reichert aus Lebach in der Volleyball-Nationalmannschaft: „Für sie sind wir als Sportstiftung nach unserer Satzung zwar nicht zuständig, aber auf sie sind wir zu Recht stolz und werden sie zumindest ideell unterstützen.“ Reichert gilt als gesetzt und wird die Generalprobe mit der Nationalmannschaft gegen das Weltklasse-Team aus Brasilien am 21. Juli in Saarbrücken absolvieren. Auch Turnerin Pauline Schäfer, die seit einigen Jahren in Chemnitz lebt und trainiert, hat ihren Startplatz für Paris sicher. Bahnrad-Olympiasiegerin von Tokio 2021, Lisa Klein, könnte sich ebenfalls noch qualifizieren. Fußball-Nationalspielerin Lena Lattwein und Leichtathletin Laura Müller haben nach ihren Verletzungspausen Außenseiter-Chancen für eine Nominierung. Gleiches gilt für den frisch gebackenen Handball-Nationalspieler Marko Grgic (19) aus Saarlouis. Handball-Nationalspielerin Amelie Berger aus Zweibrücken fällt hingegen wegen eines erneuten Kreuzbandrisses sicher aus.