Es wird auf jeden Fall einen neuen Chef geben. Oder erstmals eine Chefin. Im Regionalverband Saarbrücken steht die Nachfolge von Peter Gillo an, der 15 Jahre an der Spitze stand. Zwei Frauen und drei Männer stehen zur Wahl.
Der Posten ist begehrt. Gleich fünf Bewerberinnen und Bewerber kämpfen derzeit darum. Ganz im Gegensatz dazu stand – zumindest in der Vergangenheit – das Interesse der Bevölkerung an diesem Amt. Als 2009 zum ersten Mal ein Regionalverbandsdirektor direkt gewählt werden konnte und für die Entscheidung eine Stichwahl notwendig war, interessierte sich dafür gerade mal noch etwas mehr als ein Fünftel der Wahlberechtigten. Die Wahlbeteiligung lag bei mageren 21,2 Prozent, Peter Gillo (SPD) gewann die Wahl. Bei seiner Wiederwahl (2019) konnte sich Peter Gillo dann 2019 gleich im ersten Wahlgang durchsetzen, bei einer Wahlbeteiligung von immerhin über 57 Prozent.
Regionalverband als soziale Herzkammer
Offiziell hat der Regionalverband in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Hervorgegangen aus der Gebietsreform 1974, war er zunächst Stadtverband, ab 2008 Regionalverband. Die Konstruktion ist etwas eigenwillig. Im Kern hat der Regionalverband die Aufgaben eines Landkreises. Der überwiegende Teil sind deshalb Pflichtaufgaben im Sozialbereich (Jugend- und Sozialhilfe) oder als Schulträger. Gut 90 Prozent des Haushalts (von immerhin über 660 Millionen Euro) sind deshalb für Aufgaben gebunden. Dem politischen Gestaltungsspielraum sind Grenzen gesetzt. Trotzdem ist der Chef- (oder Chefinnen-)sessel im Saarbrücker Schloss politisch einer der wichtigen im Land.
Ein Drittel aller Saarländerinnen und Saarländer (und damit auch der Wahlberechtigten) lebt im Regionalverband. Und deren Votum hat Gewicht auch für die Landespolitik. Viele soziale Fragen (Armut, bezahlbarer Wohnraum, Migration) konzentrieren sich im Ballungsraum. Auch wenn der Regionalverband oft keine originäre eigene Zuständigkeit hat, hängt vieles an Rahmenbedingungen im Zusammenspiel mit der Landeshauptstadt Saarbrücken, den Städten Völklingen, Püttlingen, Sulzbach und Friedrichsthal, sowie den Gemeinden Heusweiler, Riegelsberg, Quierschied, Großrosseln und Kleinblittersdorf.
Und diese Rahmenbedingungen, wirtschaftlich, sozial, kulturell, stehen folglich auch im Zentrum der Frage, denen sich die Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkampf stellen müssen. Dazu gehört aber auch und nicht zuletzt die Frage einer funktionierenden und bürgerfreundlichen Verwaltung.
Für die SPD empfiehlt sich deshalb Carolin Lehberger, die ihre langjährige „Erfahrung als Führungskraft im Regionalverband“ in die Waagschale wirft. „Ich kenne die Themen, bin bestens vernetzt und habe Erfahrung in politischer Gremienarbeit“, unterstrich sie bei einer Kandidatendiskussion des DGB.
Lehberger ist seit sechs Jahren Chefin der VHS Regionalverband Saarbrücken, einem der größten außerschulischen Bildungsträger im Südwesten. Davor war die studierte Pädagogin bei der Arbeitskammer Leiterin der Abteilung Bildungs- und Wissenschaftspolitik.
„Im Regionalverband ballen sich die sozialen Herausforderungen des Landes“, sagte die 43-Jährige, als sie ihre Schwerpunkte für den Wahlkampf vorstellt. Das hat sie übrigens gemeinsam mit Mirco Bertucci gemacht, dem SPD-Spitzenkandidaten für den Saarbrücker Stadtrat. Schließlich wird vieles nur in enger Abstimmung zwischen dem Schloss auf der einen und dem Rathaus auf der anderen Seite der Saar sinnvoll möglich sein.
Lehberger, die den Regionalverband auch als „soziale Herzkammer“ des Saarlandes bezeichnet, kündigt in ihrem Arbeitsprogramm Generationengerechtigkeit als „ein Leitmotiv meiner Arbeit“ an. Sie werde sich dafür einsetzen, den Regionalverband zu einer „Modellregion für ein aktives und glückliches Älterwerden“ zu entwickeln.
Neben Förderung der Wirtschaftsstruktur sind ihr auch die Entwicklung und der Ausbau der sogenannten „weichen Standortfaktoren“ (wie Naherholung und Tourismus) ein Anliegen. In Sachen Klimaschutz kündigt Lehberger den „klimagerechten Umbau unserer eigenen Liegenschaften“ an.
Ralph Schmidt hat bereits Erfahrung mit Wahlkampf ums Saarbrücker Schloss. Der CDU-Politiker war bereits vor fünf Jahren, damals gegen Peter Gillo, angetreten und konnte knapp 54.000 Stimmen auf sich vereinen, ein Anteil von 37,7 Prozent. Das soll im zweiten Anlauf natürlich mehr werden. „Ich bin davon überzeugt, dass wir diese Region gemeinsam zum Leuchten bringen können. Es gibt so viele Möglichkeiten, die wir nur nutzen müssen. Es ist Zeit für einen Wechsel, um das volle Potenzial auszuschöpfen. Es darf hier nicht mehr um Parteipolitik, sondern um das gemeinsame Ziel, unsere Region voranzubringen.“
Ralph Schmidt wäre als Chef einer großen öffentlichen Verwaltung ein Quereinsteiger. Er stützt sich auf drei Jahrzehnte Berufserfahrung: Ingenieur und Architekt, Geschäftsführer der Arge Solar, Experte für nachhaltiges Bauen, Klimaschutz und Erneuerbare Energien. Bereiche, in denen er unter anderen in allen Rathäusern seine Erfahrungen gemacht hat, wie Verwaltung tickt. Deshalb auch sein Ansatz: „Der Regionalverband hat viele verschiedene Aufgaben und Akteure, die oft wenig voneinander wissen. Mein Ziel ist es, diese besser zu vernetzen und gemeinsame Lösungen zu finden.“ Konkret macht er das an einem Beispiel der Nahversorgung fest: „Wenn wir dort innovative Lösungen wie KI-gesteuertes autonomes Fahren einführen, können wir die Anbindung verbessern. Dafür müssen aber verschiedene Bereiche wie Verkehr, Gesundheitsversorgung und IT zusammenarbeiten. Solche Projekte erfordern eine neue Art der Zusammenarbeit, die über die bisherigen Zuständigkeiten hinausgeht, und innovative Lösungen.“
Schmidt würde zudem vor allem das Ehrenamt stärken und bringt das auch mit anderen Formen von Bürgerbeteiligung in einen Zusammenhang: „Mir ist die Förderung des Ehrenamts und die Schaffung von Anreizen für freiwilliges Engagement wichtig. Warum belohnen wir nicht Feuerwehrleute, die sich über Jahre hinweg ehrenamtlich engagiert haben, mit Beteiligungen an genossenschaftlichen Solaranlagen? So schaffen wir eine Win-win-Situation: Die Bürgerinnen und Bürger erhalten eine finanzielle Anerkennung für ihre Arbeit, und gleichzeitig werden nachhaltige Projekte realisiert.“ Auch zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum kann er sich genossenschaftliche Modelle vorstellen.
Kandidaten setzen eigene Akzente
Sollte Anne Lahoda die Wahl gewinnen, wäre sie die erste Frau an der Spitze des Regionalverbands. Die Grünen-Kreisvorsitzende ist beruflich als Wirtschaftsprüferin tätig.
Ihr Ziel ist ein Regionalverband als „eine Region mit nachhaltigen Mobilitätsangeboten, klimaresilienten Städten und Gemeinden, einer verlässlichen und attraktiven Infrastruktur für Familien, Kinder und Senior*innen mit einer Sozialpolitik, die für echte Chancengleichheit – und das alles an einem lebendigen und leistungsfähigen Wirtschafts-, Bildungs- und Kulturstandort mit einer intakten Umwelt“. Was der Regionalverband konkret dazu beitragen kann, hat sie in einem Zehn-Punkte-Programm detaillierter ausgeführt. Dort steht neben materiell und personell gut ausgestatteten Schulen und einem gut ausgebauten ÖPNV beispielsweise auch die Einrichtung einer „Stabsstelle Fördermittelmanagement“. Darüber soll gezielt versucht werden, Fördergelder von EU, Bund und Land möglichst optimal für den Regionalverband in Anspruch zu nehmen. Zudem sieht Lahoda ein „enormes ökonomisches Potenzial“ in der Großregion. Um das zu heben, stellt sie sich eine „Pilotregion“ vor, in der grenzüberschreitende Leistungen und Lieferungen unbürokratisch möglich sind.
Für die FDP geht Roland König ins Rennen. Beruflich ist er Geschäftsführender Gesellschafter der Firma Fuchs & König Unternehmensberatung & Makler. Er bringt nicht nur die jahrzehntelange Erfahrung aus der Wirtschaft mit, sondern eine fast ebenso lange Erfahrung mit den Entwicklungen des Regionalverbands. Der FDP-Politiker gehört der Regionalversammlung seit 2004 (mit einer Unterbrechung) an, sagt folglich über sich, der Kandidat zu sein, der mit „der Materie am besten vertraut“ ist. Und als Unternehmer wisse er, was passieren müsse, damit Arbeitsplätze entstehen. Als jetzt 58-Jähriger wolle er im Fall seiner Wahl als Regionalverbandsdirektor noch mal „zehn Jahre richtig Gas geben“.
Manfred Klasen tritt als Kandidat der Linken an. Er tritt mit dem klaren Schwerpunkt an, Armut im Regionalverband zu bekämpfen und sieht sich als Kandidat, der in sozialen Fragen „die meiste Erfahrung und die meiste Ahnung“ für diese Aufgabe mitbringt. Klasen ist Geschäftsführer der Saarländischen Armutskonferenz (SAK e.V.). Die Bekämpfung der Armut, insbesondere der Kinder- und Jugendarmut, werde er „zur Chefsache“ machen. Das fängt schon damit an, dass Sprechstunden des Sozialamtes vor Ort ausgeweitet werden müssten. Es könne nicht sein, dass betroffene Menschen auf Termine warten müssten. Zudem sieht er eine Herausforderung beim Bedarf an Sozialwohnungen. Der Regionalverband sei zwar kein Bauträger, könne aber dennoch einiges dazu beitragen, wenn es etwa um die Schließung von Baulücken oder Anpassungen im Flächennutzungsplan gehe.
Da bei dieser Wahl kein Amtsinhaber mit einem entsprechenden Amtsbonus zur Wahl steht, gilt der Ausgang als einigermaßen offen, wobei aufgrund der Strukturen die SPD-Kandidatin Lehberger mit einem leichten Vorteil gesehen wird. Wobei ein Blick auf die letzte Wahl (2019) zeigt: Der Vorteil der SPD liegt eher im Bereich der Landeshauptstadt, bei den Umlandgemeinden konnte die CDU punkten. Aber das war vor fünf Jahren – im politischen Geschäft eine Ewigkeit. Bei der letzten Bundestagswahl (2021) hatte Josephine Ortleb den Wahlkreis Saarbrücken (gegen die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU) für die SPD gewonnen. Aber auch das ist kaum ein hilfreicher Hinweis. Ortleb unterlag bekanntlich im SPD-internen Wettkampf um die Kandidatur für den Regionalverband.
Wahl für alle Parteien wichtiger Gradmesser
Was ein Wahlsieg für die jeweiligen Parteien bedeuten würde, liegt auf der Hand: Für die derzeit alleinregierende SPD ist ein Wahlsieg fast schon Pflicht. Das Saarbrücker Schloss zu verlieren, nachdem sie schon das Saarbrücker Rathaus (2019) an die CDU verloren hat, würde der Partei zu schaffen machen. Umgekehrt natürlich das Bild für die CDU, die im Wiederaufbau nach der verlorenen Landtagswahl einen Wahlsieg mit Symbolkraft gut gebrauchen könnte. Das mit der Symbolkraft gilt ganz ähnlich für die anderen Parteien, die sich mit guten Ergebnissen neben den beiden Volksparteien im Saarland behaupten müssen: Die Grünen, die bekanntlich nur denkbar knapp am Wiedereinzug in den Landtag gescheitert waren und schrittweise die Partei neu aufbauen, für die FDP, die im Land keine große Sichtbarkeit hat, und die Linken, die nach ihrem Wahldesaster überhaupt wieder erkennbare Lebenszeichen setzen könnten.
Bei fünf Kandidatinnen und Kandidaten ist die Wahrscheinlichkeit zu einer Stichwahl einigermaßen groß. Aber das sind nur Spekulationen. Wählerinnen und Wähler haben schon mehr als einmal für Überraschungen gesorgt.