Das große Reformprojekt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die erste Hürde genommen. Das Bundeskabinett hat die Pläne zur Krankenhausreform gebilligt. Aus Sicht von Saar-Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD) sind allerdings noch „erhebliche Verbesserungen notwendig“, bis das Reformwerk verabschiedet werden kann.
In einer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei. „Kein Mensch geht davon aus, dass es so bleiben kann, wie es derzeit ist“, betont Magnus Jung und zeigt sich entsprechend erleichtert: „Ich bin froh, dass das Gesetz jetzt durch das Kabinett und im parlamentarischen Verfahren ist. Ich bin sehr daran interessiert, dass es am Ende des Jahres zu einem erfolgreichen Abschluss kommt, weil wir eine Reform brauchen, weil wir damit in der Qualität der Patientenversorgung eine deutliche Verbesserung haben werden und auch die Mittel bekommen, die zur Finanzierung der dringend notwendigen Investitionen erforderlich sind.“
Viele Fragen im Detail noch zu klären
Gleichzeitig betont der Minister: „Ich bin ich aber auch der Überzeugung, dass das Gesetz am Ende nicht so dastehen darf, wie es jetzt ist, sondern dass noch erhebliche Verbesserungen notwendig sind. Wir sind als Land bereit, diesen Prozess mit dem Bund in aller Klarheit, aber auch aller Härte zu Ende zu führen.“
Seit nunmehr gut eineinhalb Jahren wird über Reformen diskutiert, „ein ungewöhnlich langer und intensiver Beteiligungsprozess für ein Gesetzesvorhaben und Zeichen des intensiven Dialogs“, so Jung. Mehr als 60 Seiten umfasst die Gesetzesvorlage, mit Begründung und Ausführungen „ein Ordner voll“.
Ein zentraler Punkt der Reform ist die Abkehr vom reinen System der Fallpauschalen. Künftig sollen sich Krankenhäuser zu 60 Prozent über Vorhaltevergütungen und nur noch zu 40 Prozent über Fallpauschalen finanzieren, „im Prinzip eine vernünftige Mischung zwischen zwei Systemen“, so Jung.
Der Teufel steckt aber wie immer im Detail. Auf welcher Grundlage soll die Vorhaltevergütung festgelegt werden? Im Moment sei das Jahr 2026 als Basisjahr angedacht, was Krankenhäuser dazu verführen könnte, in diesem Jahr möglichst viele Behandlungen durchzuführen – um dann höhere Vergütungen zu bekommen. „Das kann nicht sinnvoll sein“, betont Jung.
Ein anderer Punkt sind die vorgesehenen 65 Leistungsgruppen. Dabei sollen Kriterien definiert werden, die Kliniken erfüllen müssen, um entsprechende Leistungen anbieten (und abrechnen) zu können, beispielsweise Zahl der Fälle, technische und personelle Ausstattung. Die Frage ist, ob es Ausnahmen geben kann und wie diese ausgestaltet wären.

Konkret geht es etwa um Fachkliniken. Im Saarland haben sich nach Angaben von Jung einige Standorte hoch spezialisiert, und sich im Zuge der Spezialisierung von Bereichen getrennt, die sie eigentlich nach den neuen Vorgaben für allgemeine Krankenhäuser anbieten müssten. Die Spezialisierung war gewünscht, also bleibt jetzt die Frage nach anderen oder Ausnahmeregelungen. Und da müsse geklärt werden: „Was ist eine Ausnahme, wer genehmigt eine Ausnahme, wie lange kann eine Ausnahme gelten?“ Ähnliches gilt nach den Worten von Jung für andere Bereiche: „Wer legt die Kriterien fest, wer überprüft, ob die Kriterien eingehalten sind, wer entscheidet im Zweifel?“ Vermutlich werde der Medizinische Dienst vieles überprüfen, entscheiden dürfe er aber nicht, das würden die Länder nicht mitmachen.
Entsprechend umfangreich ist das, was auf der Basis der Vorlage aus dem Gesundheitsministerium noch zu klären ist. Für Magnus Jung gibt es dabei einige zentrale Punkte:
„Wir brauchen eine gute Lösung für die Fachkliniken, damit die ihre hervorragende Arbeit fortführen können. Wir brauchen zweitens im Bereich der Ausnahmemöglichkeiten eine Flexibilität der Länder. Ausnahmen sind im Moment nur vorgesehen für maximal zwei bis drei Jahre. Wir sind der Auffassung, dass die in besonderen Fällen sogar dauerhaft sein können.“ Außerdem müssten mögliche Kooperationen zwischen Krankenhäusern „gut geregelt werden“.
Was die künftigen Leistungsgruppen betrifft, verweist Jung auf das Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo es dieses Modell bereits gibt. „Natürlich kann man eine Krankenhausplanung auf der Grundlage von Leistungsgruppen machen, wie es NRW schon macht. Aber dann fehlen uns die Anreize durch die Vorhaltevergütungen, wir hätten keine Regelung für die sektorenübergreifenden Angebote. Und den 50 Milliarden-Investitionsfonds für Krankhausinvestitionen hätten wir auch nicht.“
„Die Reform wirkt schon jetzt“
Genau dafür braucht es den Bund. Wobei die Krankenhausplanung grundsätzlich Ländersache ist. „Es sind halt komplexe Strukturen“, sagt Jung. Wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten ist auch das Verfahren für Reformen eine komplexe Herausforderung. Ursprünglich war ein sogenanntes zustimmungspflichtiges Gesetz geplant, der Bundesrat als Vertretung der Länder wäre also gefragt worden.
Allerdings kann sich Bundesminister Lauterbach nicht darauf verlassen, dass der Bundesrat so einfach mitmacht. Das hat im Jahr vor der nächsten Bundestagswahl natürlich auch politische Gründe. Unionsgeführte Länder, allen voran Bayern, könnten das zentrale Reformprojekt der Bundesregierung im Gesundheitsbereich scheitern lassen. Deshalb soll der Weg über ein sogenanntes Einspruchsgesetz gehen. Punkte, bei denen die Länder zustimmen müssen, würden gesondert über Verordnungen geregelt. Das könnte womöglich dazu führen, dass verfassungsgerichtlich überprüft wird, ob das eine gangbare Lösung ist.
Eigentlich, unterstreicht Jung, „können wir uns diesen Streit nicht leisten, wir brauchen Lösungen“. Und im Grunde wollten auch alle, die sich auf der Fachebene damit beschäftigen, dass die Reform kommt. Abstimmungen auf Fachministerebene würden wohl ein 16:0-Ergebnis bringen, allenfalls vielleicht noch 15:1, weil Bayern erfahrungsgemäß (auch in anderen Fachministerkonferenzen) gerne eigene Wege geht.
Und nicht nur auf der Ebene der Fachpolitiker herrscht darüber ein Grundkonsens. Das gilt auch für die betroffenen Akteure selbst. Denn, so beobachtet Saar-Gesundheitsminister Jung: „So paradox es klingt: Diese Reform wirkt schon, obwohl die gesetzlichen Regelungen erst 2029 in Kraft treten würden.“
Krankenhausträger würden bereits jetzt ihr eigenes Leistungsgeschehen analysieren, und zwar mit Blick auf die künftigen Leistungsgruppen und deren Voraussetzungen. Viele Häuser seien dabei, sich darauf einzustellen, ihre Planungen daran zu orientieren, Entscheidungen vorzubereiten, was sie künftig machen wollen – und was vielleicht nicht mehr. „Dieser Prozess wird jetzt schon dazu führen, dass wir Qualitätsverbesserungen bekommen werden“, folgert Jung.
Bis zu einer abschließenden gesetzlichen Grundlage ist es noch ein gutes Stück Arbeit. „Die Komplexität erfordert noch eine intensive und langwierige Detailarbeit, damit wir nachher nicht vor Problemen stehen, die wir nicht vorausgesehen haben. Die Alternative, es so zu lassen, wie es jetzt ist, ist aber auf jeden Fall die schlechtere Alternative. Also werden wir auf jeden Fall eine sinnvolle Lösung finden müssen.“