Der Homburger Frank Scheidhauer hat sich als Künstler einen Namen gemacht. Neben seiner Tätigkeit als Ergotherapeut arbeitet er mit den unterschiedlichsten Materialien wie Schellack, Ölfarben und fertigt auch Skulpturen aus Stahl oder Kunststoff. Mit einer besonderen Aktion versuchte er, Politiker aus der Reserve zu locken.

Beim Betreten von Frank Scheidhauers Praxis wird man bereits im Treppenhaus von einer besonderen Szenerie empfangen. Eine Holzbank lädt zum Verweilen ein, Bücher sowie Spiele liegen hier aus und viele Bilder hängen bis Deckenhöhe an den Wänden. Sollte die Praxis noch nicht geöffnet sein, ist auch hier für den Wartenden bestens gesorgt, Langeweile dürfte so weder für große noch für kleine Patienten aufkommen.
Erholung findet er in der Kunst
Praxis oder Galerie? Diese Frage stellt sich automatisch beim Eintreten. Der lange Gang, der zu den einzelnen Behandlungsräumen, zum Warteraum und zur Anmeldung führt, ist von Anfang bis zum Ende mit Kunstwerken bestückt. Überall ist Frank Scheidhauers Kunst zu sehen, in jedem Behandlungszimmer der Praxis, die er gemeinsam mit der Osteopatin Petra Leibfried nutzt. Die Praxis des Ergotherapeuten in Homburg in der Talstraße ist auch Galerie- und Atelierraum. Jedes Stück freie Wand ist mit seinen eindrucksvollen Werken belegt, nur im großen Yoga-Raum sind noch weiße Wände vorzufinden. Frank Scheidhauer ist Ergotherapeut und Künstler, und dies mit Leidenschaft. Therapeutisch arbeitet er überwiegend mit Kindern und deren Eltern. Auch dabei ist die Kreativarbeit wichtig. Beide Aufgaben haben so den gleichen Stellenwert in seinem Leben. Ein Zimmer von den vielen Räumen ist sein privates „chaotisches Atelier“. In einem weiteren Raum wird therapeutisch und kreativ gearbeitet. Zwischen Regalen, Tischen und Fensterbänken stehen auch Skulpturen des Künstlers. Irgendwie schaffen es die „normalen“ Arbeitsmittel mit den Kunstwerken eine Symbiose einzugehen. Dazwischen ist Frank Scheidhauer omnipräsent und tätig, er nutzt abgesagte Termine, um zu malen oder für Organisatorisches. Die Nachfrage nach seiner therapeutischen Arbeit ist groß, da ist ein Elf-Stunden-Tag normal. Erholung findet er in seiner Kunst, umso wichtiger ist es für ihn, dass er sie immer in nächster Nähe griffbereit hat.
Es war für den jungen Frank Scheidhauer von Anfang an klar, dass er kreativ arbeiten will und etwas mit Menschen tun möchte. Natürlich war da auch der Gedanke oder vielmehr die Notwendigkeit, auf recht sichere Art den Lebensunterhalt zu verdienen. Er entschied, eine Ausbildung als Ergotherapeut zu machen. „Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten und Veränderungen zu erzielen. Diese Arbeit ist für mich gleichwertig mit der Kunst. Dabei ist für mich die eigene Weiterentwicklung existenziell, Lernprozesse bis zum letzten Atemzug.“
Dazu probiert er sich gern in der Kunst aus. „Für mich ist es wichtig, das Werk auf einen guten Weg zu bringen, und dass es möglichst gelingt, dass Andere einen anderen Blickwinkel bekommen.“ Der vielseitige Künstler arbeitet mit den unterschiedlichsten Materialien wie Schellack, Ölfarben, fertigt auch Skulpturen aus Stahl oder Kunststoff. Auch das ein oder andere spaßige Objekt ist dabei: Glückswerkzeug, ein Hammer und Axt aus Tausenden, kleiner Spielwürfel.
Ein echter Hingucker, wenn er damit scheinbar martialisch auf einer Messe auftritt.
Aktuell schmilzt er Zinnobjekte, Worttafeln und Skulpturen. In Bexbach hat er dazu ein weiteres Atelier „für die schmutzigen Sachen“. „Eine gute Belüftung ist bei diesen Werkstoffen notwendig. Die dreidimensionalen Menschen aus Zinn oder Kunststoff sind zudem sehr aufwendig. Hier bin ich noch im Lernprozess; das ist ein ganz anderes Material mit ganz anderen Gestaltungsmöglichkeiten als die auf Leinwand.“
Große Themen verpackt er mit Humor

und Begriffe in seinen Bildern - Foto: Dorothee Wendel
Frank Scheidhauer arbeitet gern mit Begriffen, mit Worten „von politischen Themen zu ganz abstrakten Dingen, aber immer mit realem Bezug, so wie auch Schrift“. Auf den Zinntafeln stehen Worte wie: „Mut, Respekt, Liebe, Toleranz, Vision, Wahrheit“. „Werte, die mir wichtig erscheinen und mit denen ich zum Nachdenken anregen möchte. ‚Wahrheit‘ ist mein großes Thema“. Im Jahr 2020 schickte er eine Papierprägung mit diesen Worten an 75 Spitzenpolitiker. Im Begleitbrief fragte er diese, ob sie in ihrer Politik diese Werte umsetzen. Von Gregor Gysi gab es eine Mailantwort: „Ja, das tue ich“. Meistens hätten ihm jedoch die Referenten der angeschriebenen Politiker sehr ausführlich geantwortet. „Mit meiner Aktion wollte ich wissen, ob ich als Bürger jemanden aus dieser Riege erreichen kann.“ Die Aktion habe ihm Spaß gemacht, und der stehe bei ihm immer im Vordergrund. Die „großen“ Themen verpackt Frank Scheidhauer immer mit Humor. Beliebt sind auch seine, fast täglichen, feinhumorigen Beiträge auf Facebook und LinkedIn. Es sind Gedanken und Sichtweisen, die er zu Werken oder einfach zu aktuellen Anlässen, eigenen Gedanken oder sich selbst infrage stellenden Fragen als philosophierender „Minister für…“ – die Resorts wechseln häufig – seiner „Fangemeinde“ präsentiert.
Bevor er der Leidenschaft der bildenden Kunst verfiel, war Humor eine ernste Tätigkeit für den „Suchenden“. Zehn bis 15 Jahre lang war er als Comedian und Kabarettist mit Gerhard Polt und auch Michael Mittermeier als die „Bengels“ auf Bühnen unterwegs. „Wir hatten viele Auftritte“, erzählt Frank Scheidhauer. Auch Rocktheater habe er gemacht, selbst ein Kindermusical geschrieben. In den 80ern bis 2000 hat er Musik gemacht und dabei viele Erfahrungen gesammelt. Er spielte Gitarre, Bass, Keyboard, sang und komponierte in vielen Gruppen und auf vielen Bühnen, mit Ro Gebhardt und auch mit Heiko Belon. Unter dem Management von Jürgen Wönne machte Frank Scheidhauer von 2005 bis 2010 Kabarett und Musik. Danach hatte er an beidem die Lust verloren. „Es wurde zu viel getrunken beim Musik machen, fast jedes Wochenende war ich weg, das war auch viel Stress“.

Seit 1995 ist Frank Scheidhauer als Ergotherapeut selbstständig. Das „Kunstventil“ fehlte ihm jedoch. Er fing an zu malen. In den 80ern hatte er bereits in Belgien mit Skulpturen begonnen.
Der renommierte Beckinger Künstler Eberhard Killguss war es, der ihn in die Bildende Kunst einführte und sein Interesse daran weckte. Frank Scheidhauer war nicht nur von dessen künstlerischem Werk beeindruckt, sondern insbesondere auch von der Person Killguss. Während seiner Ausbildung zum Ergotherapeuten ging er nebenher malen, hier war es der damalige Schulleiter und Merziger Künstler Ulli Meiers (bekannt durch seine Fassadengestaltung und Kunst am Bau), der ihn förderte.
Ab dem Jahr 2015 begann er dann exzessiv zu malen, jeden Tag ein Bild. Es war eine selbst auferlegte Aufgabe, die er über Facebook veröffentlichte. „Ich hätte jeden Tag zehn Bilder malen können“. So im Flow, kam er dann als Folge der Facebook-Aktion zu einer Ausstellung von 70 Bildern im Sauerland in einer Kultureinrichtung in Balve. Dort sammelte er seine ersten wertvollen Erfahrungen in Sachen Ausstellungen und bekam als bildender Künstler erstmals Selbstsicherheit. „Zunächst hatte ich beim Malen und Veröffentlichen meiner Bilder gar nicht an eine Ausstellung gedacht … dann wurde es zum Selbstläufer. Es kam zu weiteren Ausstellungen in Florenz und in der Galerie Beck in Homburg.“ Er begann sich danach mit anderen Künstlern und Künstlerinnen gut zu vernetzen. Es folgten bis zu 15 Ausstellungen und Kunstmessen in einem Jahr. „Bis ich gemerkt hatte, das ist zu viel und ist mir an die Substanz gegangen“. Frank Scheidhauer lacht und schüttelt selbst ein wenig den Kopf über seine Leidenschaft.
Heute arbeitet der Künstler überwiegend seriell. Die Serie „Raumsparmenschen“, die in Bildern und auch als Skulpturen in Stahl, Holzschnitt und Kunststoff zu sehen sind, arbeitet er immer wieder neu. Für eine Benefizaktion gemeinsam mit der Firma Hoyer Licht und Design gravierte er beispielsweise 50 Seifen- und Desinfektionsspender mit drei unterschiedlichen Raumsparmenschen. Der Umsatz ging komplett an den Kältebus in Saarbrücken. „Mit Raumsparmenschen meine ich Menschen, die entweder von außen, von der Gesellschaft, wenig Platz bekommen oder Menschen, die sich selbst wenig Platz geben“, erklärt er seine Serie.
„Den Bildern die Langeweile austreiben“

Es gibt sie in schwarz-weiß, aber auch sehr bunt, manchmal sind in einem Bild ganze Hundert von ihnen in kleinen Kästchen gefangen, isoliert von den anderen, mit sich selbst kämpfend. Allen ist jedoch gemeinsam: Es gibt Hoffnung, sie befreien sich, überwinden ihre Grenzen und dringen nach außen. „Sie gehen raus, um die Welt zu entdecken, die Liebe, die Zeit, die Verknüpfungen mit anderen.“ Wie könnte es auch anders sein, sein Optimismus ist allen Werken inhärent. Eine optimistische Weltsicht, eine liebevolle Nachsicht mit der Unvollkommenheit des Menschen und die Liebe an der Veränderung. Das ist der Ruf, der aus seinen Bildern und Skulpturen leise, humorvoll hervortönt – ganz nach seinem Grundmotto: „So wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.“
Gerade arbeitet er an einer Kinderporträts-Serie mit dem Titel „Aus Kinderaugen schaut die Zukunft“. Dazu benutzt er Kinderfotos von Politikern aus Kindertagen. Dass dieses Thema kein „leichtes“ ist, zeigt die Wahl seines ersten Porträts: ein Schulfoto von Hitler. Aber auch Trump und Angela Merkel sind in Arbeit. Weitere berühmte Politiker, sei es mit gutem oder schlechtem Ruf, sollen folgen. Parallel dazu gibt es eine Plakatübermalungsserie. Unprätentiöse Modeplakate übermalt der Künstler mit nur drei verschiedenen Farben, das Original verschwindet, es soll „den Bildern die Langeweile austreiben“. Die Menschen an sich sind weiß und recht farblos, nur das Drumherum ist bunt. Die Frauen erscheinen ohne Haare, das ist bewusst so, es gibt keine geschlechtlichen Unterschiede. „Es gibt keine Kategorien: Mann, Frau oder anders sollen in der Serie keine Rolle spielen.“ Es wird davon eine größere Stückzahl geben, 20 bis 25 Stück. Der Prozess ist für den Künstler wichtig.
Inzwischen hatte der wandelbare Künstler zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, auch auf Kunstmessen präsentiert er sich gern. Wer möchte, kann ihn mit Terminabsprache im Atelier besuchen. Bei seinem Elf-Stunden-Tag in der Praxis, hier ist die Zeit für Kunst nicht eingerechnet, wünscht sich der 62-Jährige „manchmal besser mehr Kunst zu machen und die Therapie zu reduzieren. Irgendwann nur noch Malen und unterwegs sein.“