Hollywood-Senkrechtstarter Timothée Chalamet schwimmt ganz oben auf der Erfolgswelle. Im Filmmusical „Wonka“ begeisterte er als koboldhafter Schokoladen-Zauberer und sorgte für einen Rekordumsatz an der Kinokasse. In dem Blockbuster „Dune: Part Two“ stand er als Prinz Paul Atreides wieder im Mittelpunkt der Science-Fiction-Saga. In seinem nächsten Film spielt er Bob Dylan. Was für ein Lauf!

Bei einem Gala-Diner zu Ehren der Golden-Globe-Nominierten saß Tom Hanks mit ein paar Hollywood-Stars, darunter auch Timothée Chalamet, beim Nobelitaliener Mozza in Los Angeles. Tom Hanks wollte von seinen Schauspielerkollegen wissen, mit welchen Jobs sie sich über Wasser gehalten hatten, bevor der große Durchbruch kam. Er selbst war damals, mit 21 Jahren, Zimmerkellner im Hollywood „Hilton“. Andere arbeiteten an der Tankstelle, im Supermarkt oder flippten Hamburger in einem Diner. Als die Reihe an Timothée Chalamet kam, sagte der: „Mit 21 – da habe ich ‚Call Me by Your Name‘ gemacht.“ 2018 wurde das romantische Schwulen-Drama als Bester Film für einen Oscar nominiert. Und Timothée Chalamet für einen Oscar als bester Hauptdarsteller.
Doppelte Staatsbürgerschaft
Vier Jahre zuvor hatte ihn schon Oscarpreisträger Christopher Nolan in seinem Science-Fiction-Film „Interstellar“ als Matthew McConaugheys Sohn besetzt. Danach holte Greta Gerwig den neuen Darling des Independent-Kinos für „Lady Bird“ (2017) und für ihr Remake von „Little Women“ (2019). Seit Leonardo DiCaprio hat in Hollywood kein Schauspieler einen so kometenhaften Aufstieg hingelegt wie Timothée Chalamet. Dabei halfen natürlich auch sein blendendes Aussehen, sein jugendlicher Charme und seine sexy Art, sich vor der Kamera zu bewegen. Aber das reicht in Tinseltown meist nur für eine kurzes Karriere-Hoch als „Flavour of the Year“. Doch für Timothée Chalamet war das erst der Anfang. Denn das, was ihn von seinen Konkurrenten unterscheidet, ist seine eiserne Disziplin – und vor allem sein überbordendes Talent.

Geboren wurde Timothée Hal Chalamet am 27. Dezember 1995 in New York. Durch seine Eltern – der Vater ist Franzose, die Mutter Amerikanerin – hat er die französische und die amerikanische Staatsangehörigkeit. Er wuchs in Manhattan im Theater-District Hell’s Kitchen auf, verbrachte seine Kindheit aber oft bei seinen Großeltern in Le Chambon-sur-Lignon, einer kleinen Gemeinde in den französischen Alpen. Als Teenager besuchte er die LaGuardia High School in New York, wo er Lourdes Leon, die Tochter von Madonna, kennenlernte. Die beiden waren eine Zeit lang ein Liebespaar. Mit 18 schrieb er sich an der New York University ein – mit dem Ziel ein ernsthafter Schauspieler zu werden. Nach einigen Gastauftritten im amerikanischen Fernsehen wurde Hollywood auf den aufstrebenden Jungschauspieler aufmerksam. Dann kam der riesige Erfolg mit „Call Me by Your Name“. Plötzlich war er ein weltbekannter Filmstar.

Doch das musste er erst einmal verkraften. „Es ging alles wahnsinnig schnell“, meint der heute 28-Jährige. „Plötzlich wurde ich mit Ruhm und Anerkennung überhäuft. Von dem Dollar-Regen, der dann auch noch auf mich einprasselte, will ich erst gar nicht reden. Man hat mich damals auf ein Podest gehoben und mir ständig gesagt, wie großartig ich doch bin. Ich musste erst einmal lernen, damit umzugehen. Irgendwann wurde mir das alles zu viel, deshalb habe ich mich einfach eine Zeit lang zurückgezogen. Was gar nicht so einfach ist, wenn dich die Leute auf der Straße oder im Restaurant erkennen und Selfies mit dir haben wollen …“ Er macht eine kurze Pause, als hätte er über das gerade Gesagte noch einmal nachgedacht und fährt fort: „Aber ich will um Himmels Willen nicht undankbar klingen. Denn ich habe ja mein ganzes Leben lang davon geträumt, all diese Möglichkeiten zu haben, die sich mir jetzt als Schauspieler bieten.“
Und die Möglichkeiten waren vielfältig. Er drehte mit Woody Allen eine romantische Komödie, mit Wes Anderson das skurrile Comedy-Drama „The French Dispatch“ und begeisterte im von Shakespeare-Stücken inspirierten Historiendrama „The King“ als junger Heinrich V. – inmitten von Chaos, Verrat und Krieg – durch seine ungezügelte Leidenschaftlichkeit. Bei den Dreharbeiten lernte er Johnny Depps Tochter Lily-Rose kennen und verliebte sich in sie. Ihre Beziehung hielt knapp zwei Jahre.
In „Dune“ noch „grün hinter den Ohren“

Dann landete Timothée Chalamet einen weiteren Coup: Beim Casting für die Science-Fiction-Saga „Dune“ (2021) setzte er sich gegen viele namhafte Kollegen durch. Und machte seine Sache so gut, dass ihn Regisseur Denis Villeneuve auch gleich für „Dune: Part Two“ (2024) haben wollte ebenso wie für den dritten Teil „Dune: Messiah“. Timothéé spielt in „Dune“ den jungen Prinzensohn Paul Atreides, der nach der Ermordung seines Vaters die Herrschaft übernimmt und von vielen sogar als neuer Heilsbringer verehrt wird. Villeneuve erinnert sich: „Als wir mit den Dreharbeiten zu ‚Dune‘ anfingen, erlebte ich einen Timothée, der noch etwas grün hinter den Ohren war. Bei ‚Dune: Part Two‘ stand dann plötzlich ein junger Mann am Set. Das ist das erste Mal, dass ich einen Schauspieler praktisch vor der Kamera habe aufwachsen sehen.“

Dieser Reifeprozess war auch für Timothée Chalamet von großer Bedeutung. „Ich hatte in Hollywood genügend Leute gesehen, die sich darum rissen, ernsthafte Charaktere darstellen zu können, und dann auch versuchten, im wirklichen Leben diese Charaktere zu sein, ohne sich dabei tatsächlich in reifere Menschen zu verwandeln. Das sollte mir aber auf keinen Fall passieren.“ Und noch etwas war ihm wichtig: Er hatte auch beobachtet, dass Prominente oft mental in genau dem Alter stehen bleiben, in dem sie berühmt geworden sind. Auch in diese Falle wollte er um keinen Preis tappen. „Ich habe in den letzten vier Jahren wirklich viel über mich gelernt und mir wurde bewusst, dass es höchste Zeit war, mich als Schauspieler – und vor allem auch als Mensch – weiterzuentwickeln.“
Doch wie macht man das, ohne dabei sein Sonnyboy-Image zu beschädigen? Ohne sich bei Hollywood-Produzenten unbeliebt zu machen? Und ohne seine ständig wachsende Fangemeinde vor den Kopf zu stoßen? Die Zeit zu handeln war jedenfalls gekommen. Timothée Chalamet schnitt sich aber weder seine schönen schwarzen Locken ab, noch zog er sich in sein Schneckenhaus zurück. Stattdessen legte er sich im letzten Jahr erst einmal eine neue Freundin zu, nämlich Reality-TV-Star Kylie Jenner. Dann kaufte sich der eingefleischte New Yorker ein Haus in Los Angeles und nutzt es seitdem nicht nur als Basis für seine Arbeit in Hollywood, sondern auch, um den Radius seines persönlichen Umfelds zu erweitern. „Das war der richtige Schritt“, betont er lässig. „Ein Weg zu Seelenfrieden und Freiheit. Mir bedeutet es wirklich viel, auf den verschiedensten Gebieten mehr Lebenserfahrung zu sammeln – nicht nur beim Film. Denn ich wollte endlich festen Boden unter meinen Füßen haben. Ich erinnere mich nämlich noch sehr gut daran, wie ich am Krankenbett meiner Großmutter in einem New Yorker Hospital saß und dachte: In zwei Wochen bist du in England und wirst bei den Dreharbeiten zu ‚Wonka‘ in einem Pool voller Schokolade herumschwimmen! Da kann man schon ins Grübeln kommen.“

Über das bonbonbunte Fantasy-Märchen „Wonka“ (2023) gerät Timothée Chalamet schnell ins Schwärmen. „Das ist ein Film nach meinem Herzen. Ein richtiges Feel-Good-Movie für Jung und Alt. Da werden Abenteuer bestanden. Da werden Träume erfüllt. Da triumphiert die Fantasie. Da ist kein Platz für Zynismus. Und das ist doch in unserer Zeit, in der ein Klima von Gewalt und Angst vorherrscht, ein echter Trost. Außerdem konnte ich als Willy Wonka auch singen und tanzen, was mir ganz besonders viel Spaß gemacht hat.“
Stunt-Ratschläge von Tom Cruise
Auf welch hohem Niveau er den charmanten Chocolatier auf die Leinwand zaubert, ist wirklich eine Augenweide. Vielleicht ist Tom Cruise daran ja nicht ganz unschuldig. Der hatte Timothée nach dem ersten „Dune“-Film nämlich einen sehr ermutigenden Brief geschrieben. Und ihm außerdem auch noch aus seinem ganz privaten Fundus Adressen von Personal Trainern geschickt, die Timothée beim Tanz- und Stunt-Training unterstützen würden. „Das war wirklich ein Schatz. Das waren alles Topleute, die mich bei den Dreharbeiten zu ‚Wonka‘ und auch ‚Dune: Part Two‘ auf ein ganz neues Level gehoben haben. Und sollte ich später mal einen Trainer brauchen für einen Auto- oder Motorrad-Stunt? Kein Problem“, lacht Timothée, „jetzt bin ich gut versorgt!“

Sein nächstes großes Projekt ist das Biopic „A Complete Unknown“, in dem er Bob Dylan darstellen wird. Darauf hat Timothée sich schon drei Jahre lang vorbereitet. Als großer Fan dieser Musiker-Legende hat er „alles gelesen und angesehen, was es über und von Dylan auf dem Markt gibt. Und natürlich höre ich seine Platten sozusagen in Dauerschleife. Unlängst war ich in New York bei einem Konzert von ihm. Das war einfach magisch!“ Da Timothée auch im Film selbst singen und Gitarre spielen wird, gab es keinen Tag, an dem er keine Dylan-Songs auf der Gitarre übte. Auch Dylans näselnden Gesang übt er natürlich ebenso fleißig, mit einem Coach. Und noch etwas ist Timothée Chalamet wichtig zu erwähnen: „Bob Dylan hat, nach einer Karriere als Folkmusiker, bei einem Konzert zur Überraschung aller plötzlich seine elektrische Gitarre eingestöpselt. Und damit eine neue Ära in der Rock-Musik eingeläutet. Vielleicht ist das ja ein Zeichen, dass ich auch versuchen sollte, mich neu zu erfinden.“