Natalie Portman und Julianne Moore überzeugen in „May December“, einem facettenreichen Film, der sich nicht gerade mit leichten Themen beschäftigt und seit dem 30. Mai im Kino zu sehen ist.

Eine 36 Jahre alte Frau fängt eine sexuelle Beziehung mit einem 13-Jährigen an. Ist das überhaupt eine Beziehung? Oder schlichtweg Kindesmissbrauch? Und welche Auswirkungen hat das Geschehen auf die Beteiligten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Film „May December“, und um es gleich vorweg zu sagen: Leicht macht er sich die Antworten nicht.
Die Schauspielerin Elizabeth Berry (Natalie Portman) reist in die Stadt Savannah im US-Staat Georgia, um sich auf ihre nächste Rolle in einem Independent-Film vorzubereiten. Sie soll Gracie (Julianne Moore) spielen, die Frau, die Jahre zuvor die Beziehung mit dem 13-jährigen Joe (Charles Melton) eingegangen ist, einem Klassenkameraden ihres Sohns, und deswegen im Gefängnis gelandet ist. Trotzdem sind die beiden immer noch ein Paar. Und sie haben drei Kinder: Honor, der aufs College geht, und die Zwillinge Mary (Elizabeth Yu) und Charly (Gabriel Chung), die kurz vor ihrem High-School-Abschluss stehen.

Der Titel des Films ist erklärungsbedürftig. „May December“ bezieht sich auf eine amerikanische Redewendung, mit der ein großer Altersunterschied in Partnerschaften gemeint ist. Entstanden ist der Film unter Regie von Todd Haynes. Er basiert auf einem Drehbuch von Samy Burch, das unter anderem für den Oscar für das beste Originaldrehbuch nominiert war und eine Reihe von anderen Preisen gewonnen hat. Die Geschichte hat sie zusammen mit ihrem Eheman Alex Mechanik entwickelt.
Mit Natalie Portman und Julianne Moore in den Hauptrollen ist der Film herausragend besetzt. Beide liefern eine sehr tiefgehende Charakterisierung ihrer Figuren ab. Und wenn Natalie Portman als Elizabeth im Film in einer Fragerunde sagt, dass sie gerne moralisch nicht eindeutige Charaktere darstellt, dann wird man das Gefühl nicht los, dass das irgendwie auch auf Natalie Portman selbst passt.
Darstellerinnen tragen den Film

Elizabeth kommt am Haus von Gracie und Joe an – und trifft auf eine Familie, die gerade grillt. Erst mal ist es für alle schwer, sich aufeinander einzulassen. Aber nach kurzer Zeit gewinnt Elizabeth Gracies Vertrauen. An einem der nächsten Tage backen die beiden Frauen zusammen Kuchen, und vor dem Spiegel im Bad schminkt Gracie Elizabeth so, wie sie sich selbst schminken würde.
Um ein umfassendes Bild zu bekommen, trifft Elizabeth Menschen aus dem Umfeld von Gracie und Joe, unter anderem ihren früheren Ehemann und ihren Sohn aus erster Ehe. Sie trifft auch den Anwalt, der Gracie vor Gericht verteidigt hat, und sie schaut sich die Zoohandlung an, in der Gracie und Joe gearbeitet haben und sich nähergekommen sind.

„May December“ ist ein Film, in dem es auf gute Darsteller ankommt. Es sind die feinen Zwischentöne, die Details offenbaren, die den Charakteren unangenehm sind, schließlich aber doch die Wahrheit preisgeben. So kann man zum Beispiel schon erahnen, dass es in der Beziehung zwischen Gracie und Joe ein Ungleichgewicht gibt, wenn sie ihn beim Grillen leicht vorwurfsvoll darauf hinweist, dass er schon sein zweites Bier trinkt.
Während Elizabeth sich tiefer mit den Ereignissen beschäftigt, bekommt das anfangs doch recht positive Bild der Partnerschaft von Gracie und Joe immer mehr Risse. Der Film zeigt eindrucksvoll, wie tief die Wunden sind, die das Geschehene bei den Beteiligten hinterlassen hat. Wir sehen, wie zerbrechlich die Realität ist, in der die beiden leben, wie sehr sie sich selbst belügen, um im Alltag zu bestehen.
Mit der Zeit gelingt es Elizabeth, sich immer mehr in Gracie hineinzufühlen. Sie überschreitet eine Grenze, die sie aus Professionalität eigentlich nicht überschreiten sollte. Dabei kommt sie unangenehmen Wahrheiten nahe – vielleicht näher, als es gut ist.