Was Fußball-Europameisterschaft und Olympische Spiele unterscheidet
Schaltjahre haben eine besondere Bedeutung für sportliche Großereignisse. Regelmäßig im Vierjahresrhythmus – der Zeitraum wird als Olympiade bezeichnet – finden Olympische Sommerspiele und auch Fußball-Europameisterschaften statt.
Im aktuellen Schaltjahr steht Europa im Blickpunkt des Weltsports. Die Kathedrale Notre-Dame soll pünktlich zu Beginn der Olympischen Sommerspiele aus einer Ruine auferstehen und mit einem goldenen Hahn auf dem neuen Kirchturm glänzen. Aber trotz hehrer Worte werden auch die Pariser Olympischen Spiele nicht unpolitisch sein und in diesem Jahr besonders. Die Europameisterschaft der Kicker fügt sich nahtlos in diese Gemengelage.
Bleiben wir beim Sportlichen. Ich selbst habe mich längere Zeit wie ein Wanderer zwischen zwei Welten gefühlt. Wiederholt habe ich als Arzt den Spagat zwischen Fußball und Olympia mitgemacht. Die Europameisterschaft im Fußball fand meist einige Wochen vor den Olympischen Sommerspielen statt. Es waren – und sind es auch heute noch – zwei verschiedene Welten. Dennoch, man kann das eine tun, ohne das andere lassen zu müssen.
Die Rahmenbedingungen bei internationalen Fußballturnieren sind nicht vergleichbar mit denen Olympischer Spiele. Abgeschirmte Unterkünfte und Trainingsstätten, bislang gediegener Luxus, so wohnen und trainieren bekanntlich die Fußballprofis. Auch alle Voraussetzungen für eine funktionierende ärztliche und physiotherapeutische Betreuung sind gegeben. Die überschaubare Mannschaftsgröße und der tägliche Kontakt mit den Spielern, insbesondere auch während der Trainingseinheiten, erleichtern die Arbeit des Teams hinter dem Team.
Fliegt man als Arzt einige Wochen nach einer Fußball-Europameisterschaft zu Olympischen Spielen, schüttelt man sich zunächst und realisiert eine völlig andere Welt. Statt Hotel mit Wohlfühlatmosphäre sind es spartanisch eingerichtete Zimmer im Olympischen Dorf. Einzelzimmer sind die Ausnahme. Kreativität ist gefragt, um den täglichen Erfordernissen gerecht zu werden. Das betrifft auch die medizinische Betreuung der einzelnen Mannschaftsteile des deutschen Olympiateams. Hilfreich war und ist die Einrichtung einer gut ausgestatteten medizinischen Zentrale im deutschen Wohnblock.
Ob Sportstar oder Newcomer – was reizt Athletinnen und Athleten an Olympia? Die Vermarktung als olympische Medaillengewinner oder auch nur als Olympiateilnehmer mag lukrativer sein als nach Weltmeisterschaften. Das ist aber nicht alles. Weniger populäre Sportarten genießen die plötzliche mediale Aufmerksamkeit. Aber selbst bekannte und gut verdienende Profisportler zieht es zu den Olympischen Spielen. Das multikulturelle Miteinander und der Austausch zwischen den Sportarten haben eine besondere Faszination. Das Olympische Dorf, architektonisch oft ein Augenschmaus, wirkt mit seinen vielfältigen Freizeitangeboten wie ein gut organisierter Basar. Freundschaften fürs Leben werden geschlossen.
Doch Olympische Spiele können auch enttäuschend sein. Ich durfte 1996 als Mannschaftsarzt die erfolgreiche Europameisterschaft des deutschen Nationalteams in England miterleben. Die rauschende Partynacht noch im Hinterkopf, zog ich knapp zwei Wochen später als Olympia-Arzt ins Olympische Dorf in Atlanta ein. Spartanisch ja, darauf war ich vorbereitet. Aber alles, was eben beschrieben, fehlte. Aus erwartungsvollen „Centennial Olympic Games“ zum 100. Geburtstag der Olympischen Spiele der Neuzeit wurden seelenlose Spiele. Schuld daran war nicht nur eine explodierende Bombe im Olympiapark. Kritiker sprachen auch von „Coca-Cola-Spielen“.
Der diesjährige Sportsommer steht unter keinem günstigen politischen Stern. Die Vorfreude auf attraktiven Sport ist gedämpft. Unsere Gesellschaft ist zerrissen. Die Sorge oder sogar Angst vor Attentaten ist förmlich greifbar. Wahrscheinlich werden es die am stärksten kontrollierten Europameisterschaften und Olympischen Spiele werden. Sehen wir es positiv: Vielleicht können die aktuellen sportlichen Großereignisse trotz allem Geschichte schreiben und neue Sommermärchen generieren.